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Einst war Bad Zurzach das modernste Thermalbad Europas

Drei Aargauer Heilbäder haben eine lange Tradition. Kuren in Baden, Rheinfelden und Schinznach-Dorf reichen bis 2000 Jahre zurück. Zu ihnen gesellte sich im 20. Jahrhundert Bad Zurzach, das mit seinem 40 Grad warmen Thermalwasser das vierblättrige Aargauer Kleeblatt komplettiert.

Patrick Zehnder
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Die Bohrung der Thermalquelle Zurzach löste 1955 eine Euphorie aus.

Die Bohrung der Thermalquelle Zurzach löste 1955 eine Euphorie aus.

Comet Photo AG

In den letzten hundert Jahren entstand im Kanton Aargau eine Reihe von Freibädern, die dem breiten Publikum offenstanden. Später kamen Hallenbäder dazu. Sie folgten den Ideen der Lebensreform, die körperliche Bewegung an der frischen Luft und an der Sonne für gesund erklärte. Fast im Gleichtakt gründete man Schwimmklubs, denn die Frei- und Hallenbäder dienten nicht nur der Gesundheit und dem Freizeitvergnügen. Sie boten auch Raum für Training und Wettkämpfe. Die Aargauer Flüsse und Seen waren bis vor 40 Jahren zu schmutzig für Wassersport aller Art.

Sehr viel länger existieren an Aare, Limmat und Rhein Thermalbäder mit hohen Konzentrationen an Mineralien. Als Geschenk der Natur linderten sie während Jahrhunderten Krankheiten und Gebresten, und sie zogen Gäste zu mehrwöchigen Kuraufenthalten an. Als diese mit dem Ersten Weltkrieg zu einem Ende kamen, hielten sich die medizinische Badekur für Rheumaleiden und die sozialmedizinische Therapieform, etwa nach Unfällen.

Goldgräberstimmung im Flecken Zurzach

Als 1955 in Bad Zurzach das Thermalwasser erfolgreich erbohrt und gefasst wurde, löste dies eine regelrechte Erneuerung der Aargauer Thermalbadlandschaft aus. Zwar wusste Zurzach schon seit 1914 von einer Warmwasserquelle, nutzte diese aber nicht. Die Ausschüttung der neu erschlossenen Quelle war dann stärker als erwartet und beflügelte die Planung eines Bäderstandorts.

Dachten die Verantwortlichen anfänglich hauptsächlich an ein Rehabilitationszentrum für Kinder mit Lähmungen, sahen sie bald unbegrenzte Möglichkeiten. Es soll eine regelrechte Goldgräberstimmung geherrscht haben. So hielt das «Zurzacher Volksblatt» fest: «Wer in den vergangenen Tagen nicht selber in Zurzach war, […] kann die Begeisterung im historischen Marktflecken über die Erschliessung der neuen Thermalquelle nur entfernt ahnen.»

Mehr als eine halbe Million Badegäste pro Jahr

Ohne eigentliche Werbung lockte das erste noch ungedeckte Thermalschwimmbecken bereits in den ersten Jahren Hunderttausende Gäste an. Als die Anlage um Liegehallen und Therapieräume erweitert wurde, stieg die Zahl der Besucherinnen und Besucher pro Jahr auf über 500'000. Die SBB richteten einen Badezug ein, der Tagesgäste ohne Umsteigen vom Zürcher Hauptbahnhof nach Zurzach brachte. Der immer bissige Volksmund nannte die Bahnverbindung bald «Füdlischwenker».

Ein eigentlicher Boom brachte Hotels, die 1973 eröffnete Rheumaklinik sowie das Wahrzeichen des Zurzacher Kurgebiets, den Turm mit Wasserreservoir. Allerdings war die rege Bautätigkeit in den 1960er- und 1970er-Jahren begleitet von lokalpolitischen Kontroversen, die den Ausbau der Bäderanlagen teilweise lahmlegten. Bei der Ausscheidung einer gesonderten Zone für den Kurpark, abgetrennt vom historischen Kern, prallten gegensätzliche Interessen aufeinander. Verstärkt wurde die Auseinandersetzung durch den geplanten Bau eines Zementwerks in der Nähe der Bäderanlage.

Tradition und Wellness: Zurzach war einst modernstes Bad Europas

Letztlich erlaubte die durch gezieltes Lobbying im Grossen Rat beschlossene Kurtaxe die Weiterentwicklung des Kurorts am Rhein. 1977 verzeichnete Zurzach als modernstes Freiluftthermalbad Europas über eine Million Eintritte. Mitte der 1980er-Jahre standen auch genügend Hotelbetten für die angestrebten 300’000 Übernachtungen zur Verfügung. Doch dieses Ziel wurde verfehlt.

Der Wandel im Gesundheitswesen und in der Freizeitkultur führte zu unterschiedlichen Modernisierungsstrategien und Ausbauschritten in den Aargauer Heilbädern. Als spezialisierte Gesundheits- und Rehabilitationsstadt positionierte sich Rheinfelden. Auf Mischformen von Rehabilitations-, Kur- und Freizeitangeboten setzten Schinznach-Bad und Bad Zurzach.

Nach Rückschlägen, namentlich in Baden, bieten im 21. Jahrhundert alle Aargauer Kurorte eine «Symbiose aus Kurtradition und moderner Wellness- und Badekultur». Das vierblättrige Aargauer Kleeblatt der Thermalbäder ist zweifellos ein Glücksfall. Sowohl für Leidende als auch für Erholungssuchende.