In Egerkingen wurde erstmals der Jasskönig Nordwestschweiz auserkoren. Ein Bericht vom Jassteppichrand am Turnier, das ein perfektes Podest hatte: Einmal Solothurn, einmal Aargau, einmal Baselland.
Der beste Jasser auf dem Papier ist jener, der sich gar nicht offiziell qualifizieren musste: Walter Steiner, Muri, amtierender Schweizer-Schieber-Meister. Vor zwei Wochen hatte er sich im nationalen Final im Theater Casino Zug den Titel geholt. Dass er an diesem nebligen Dezembersamstag auch in der Endrunde des Jasskönigs Nordwestschweiz in Egerkingen antritt, hat mit seinem Bruder zu tun: Franz Steiner, Boswil, musste krank Forfait geben.
So bot Co-Spielleiter Martin Stocker, Boswil, kurzerhand am Samstagmorgen den gesunden Schweizer Meister auf. Der sagt nach der ersten Passe: «Moll, lauft guet.» Kein Nachteil, so spontan einzuspringen? «Ke Problem. Zom Jasse ben ech emmer parat.» Die Freundin habe heute Geburtstag, und selbst sie habe gemeint, er solle nur gehen. Jassturniere muss man feiern, wie sie fallen.
Unter goldfarbenen Weihnachtssternen und glitzernden Christbaumkugeln-Bouquets im Gasthof Kreuz zu Egerkingen treten 72 Jasserinnen und Jasser aus den Kantonen Aargau, Basel-Landschaft und Solothurn an. Sie hatten sich zuvor in mehreren Qualifikationsturnieren die Finalteilnahme erstochen.
Unter ihnen Thomas Hollinger, Wil, ein anderes bekanntes Gesicht am Jasstisch: 2017 wurde Hollinger AZ-Jasskönig. Doch heute wird es nichts mit einem nächsten Titel, das weiss Hollinger bald. Sein Zwischenfazit murmelt er schmunzelnd während der zweiten Passe, eine Hand vor den Mund haltend: «Hättid selle luege, dass es e chli besseri Partner do hett. Scho zwe mol falsch gspielt.» Auch Könige können sich ihr Losglück nicht aussuchen.
Jassen ist wohl die gemütlichste Sportart der Welt. Voraussetzung: Man nimmt sich selbst und das Spiel nicht allzu ernst. Doch es gibt auch Charaktere, für die eher gilt: Punkte vor Plausch. Erst recht, wenn es um die Vergabe einer interkantonalen Krone geht. Aufschrei an Tisch sechs: «Das goht doch ned! Chasch ned mache!» Jassrichter Stocker ist sofort zur Stelle: «Jetzt mues ech zerscht mol wösse, om was es goht.»
Aufgeregt schildert der Ausrufer seine Beobachtung. Streitpunkt: Der erste Stich wurde möglicherweise von der ausspielenden Gegnerin zu lange für alle einsehbar liegengelassen. Stocker klärt: «Esch guet. De darf sie inenäh.» – «Aber nach Reglemänt…», setzt der Einsprecher an, und Stocker beendet für ihn den Satz: «…ben ech do s’Reglemänt.» Keine weiteren Fragen.
Am Tisch daneben sitzt Roberto Conti, Bettlach, Solothurner SVP-Kantonsrat. Was ist einfacher – am Königsturnier zu jassen oder als Fraktionspräsident die 20 Ratskolleginnen und Ratskollegen im Griff zu halten? «Scho s'Jasse», gibt Conti zu. Amüsiertes Lachen am Tisch und sofort ausgeben zur nächsten Runde.
In der Schlussabrechnung ist es Paul Dietschi, Winznau, der mit 4280 Punkten von Spielleiterin Michaela Keusch zum ersten Jasskönig Nordwestschweiz der Geschichte ausgerufen wird. Auf den zweiten respektive dritten Rang jassen sich Kurt Stäuble, Niederrohrdorf (4228), und Markus Probst, Reigoldswil (4213). So ist das Schlussbild des Podests das perfekte für diese gesamt-nordwestschweizerische Erstausgabe: ein Solothurner, ein Aargauer und ein Baselländer.
Und wie viele Punkte stehen zuletzt beim eingesprungenen Schweizer Meister Walter Steiner auf dem Standblatt? 4004, Rang 8. Zufrieden mit dem Top-Ten-Platz nimmt er seinen Preis entgegen und verabschiedet sich. Schliesslich ist das nur ein Papier – und zu Hause gibt es noch einen Geburtstag zu feiern.
Hier geht es zur Rangliste: Rangliste Jassmeisterschaft Pdf