CDU, CSU und SPD hatten sich nach 24-stündigem Verhandlungsmarathon am Freitagmorgen im Willy-Brandt-Haus in Berlin auf Chefebene auf ein Sondierungsergebnis verständigt. Dieses dient als Grundlage für mögliche Verhandlungen über eine Neuauflage der grossen Koalition.
Die Sondierungsgruppe der SPD stellte sich nach kleineren Korrekturen einstimmig hinter das Papier; die Seite der CDU/CSU hatte bereits zuvor einstimmig zugestimmt. Ob es zu Verhandlungen kommt, hängt nun massgeblich von der Entscheidung eines SPD-Sonderparteitages am 21. Januar ab.
Die Spitzen von CDU, CSU und SPD sprachen sich nach dem erfolgreichen Abschluss der Sondierungsgespräche für die Aufnahme von Koalitionsgesprächen aus. SPD-Chef Martin Schulz sagte: "Ich glaube, dass wir hervorragende Ergebnisse erzielt haben." Er kündigte an, er wolle auf dem Sonderparteitag seiner Partei um ein Mandat dafür bitten.
Kanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte, sie wolle Koalitionsverhandlungen zur Bildung einer "stabilen Regierung" führen. Der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer war mit dem Verhandlungsergebnis "hochzufrieden" und äusserte die Hoffnung auf eine erfolgreiche Regierungsbildung bis Ostern.
Bandbreite für Flüchtlingsobergrenze
Das Sondierungspapier hat einen Umfang von 28 Seiten. Union und SPD einigten sich darin darauf, die Zuwanderung von Flüchtlingen nach Deutschland in einer Spanne von 180'000 bis 220'000 begrenzen.
Für Flüchtlinge mit eingeschränktem Schutzstatus soll die Möglichkeit, ihre Familien nach Deutschland nachzuholen, sehr eng begrenzt werden. Der Familiennachzug soll zunächst weiter ausgesetzt bleiben, bis eine Neuregelung gefunden ist, und dann auf 1000 Menschen pro Monat begrenzt werden.
Bislang war die Regelung, die normalerweise im deutschen Asylrecht vorgesehen ist, für Flüchtlinge mit eingeschränktem Schutzstatus - die also kein Anrecht auf unbeschränktes Asyl haben - temporär ausgesetzt gewesen.
Laut dem Sondierungsergebnis soll noch in diesem Monat ein Gesetz ins Parlament eingebracht werden, das die Aussetzung so lange verlängert, bis die geplante Neuregelung in Kraft sei. Diese solle bis zum 31. Juli verabschiedet werden.
Der Familiennachzug war einer der Knackpunkte bei den Sondierungsverhandlungen. Im Gegensatz zur Union wollte die SPD die zweijährige Aussetzung nicht verlängern.
Umgehende Kritik an den Plänen kam von Pro Asyl. "Ein Grundrecht ist nicht kontingentierbar", sagte Geschäftsführer Günter Burkhardt der Nachrichtenagentur AFP. Eine Begrenzung auf eintausend Menschen im Monat bedeute für viele betroffene Familien eine Trennung auf Jahre hinaus.
Kein Spitzensteuersatz
Weiter soll die von der SPD geforderten Anhebung des Spitzensteuersatzes soll nicht kommen. Nach Angaben der CDU/CSU soll es keine Steuererhöhungen geben. Das Rentenniveau soll bis 2025 bei 48 Prozent gehalten werden, das ist ein Wunsch der SPD gewesen. Ausserdem sollen Krankenversicherungsbeiträge wieder zu gleichen Teilen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern bezahlt werden.
Die nach der deutschen Wiedervereinigung eingeführte Sondersteuer namens Solidaritätszuschlag soll dem Vernehmen nach in der Legislaturperiode um 10 Milliarden Euro abgebaut werden. Das solle kleine und mittlere Einkommen betreffen.
Die Parteispitzen verständigten sich bei auch auf eine deutliche Stärkung der Europäischen Union. Dazu soll auch mehr Geld aus Deutschland nach Brüssel fliessen. "Wir sind auch zu höheren Beiträgen Deutschlands zum EU-Haushalt bereit", heisst es. Man wolle die Euro-Zone auf jeden Fall "nachhaltig stärken und reformieren".
Alle Bundeskanzler von Deutschland:
Konrad Adenauer (CDU): 1949 - 1963
Der CDU-Politiker Konrad Adenauer war der erste Bundeskanzler Deutschlands nach dem Zweiten Weltkrieg und dem Hitler-Regime. Er boxte den NATO-Beitritt und die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) gegen den Widerstand der SPD durch. Die EGKS ist der Grundstein der Europäischen Union (EU). Adenauer unterschrieb den deutsch-französischen Friedensvertrag und setzte sich für die deutsch-jüdische Versöhnung ein.
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Konrad Adenauer (CDU): 1949 - 1963
Ausserdem wird Adenauer für die wirtschaftliche Erholung der westdeutschen Gesellschaft verantwortlich gemacht. Vorgeworfen wird ihm, dass er zu lange an seiner Position geklammert hat. Bei den Wahlen 1963 hat er seinen späteren Nachfolger Ludwig Erhard strikt abgelehnt. Adenauer war der älteste Bundeskanzler von Deutschland. Er hatte mit 73 Jahren das Amt angetreten und regierte bis zu seinem 88. Lebensjahr.
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1953: Erster Besuch in den USA nach dem Zweiten Weltkrieg
Der deutsche Bundeskanzler Konrad Adenauer (links) hatte am 7. April 1953 als erster deutscher Regierungschef nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs die USA besucht. Auf diesem Bild unterhält er sich mit dem US-Aussenminister John Foster Dulles in Washington.
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Kurt Georg Kiesinger (CDU): 1966 - 1969
Diese Vermittlungen zwischen den beiden Parteien wurden Kiesinger oft angelastet. Er habe zu wenig selber entschieden. Weil er früher der rechtsradikalen Partei NSDAP angehörte, musste er diverse Angriffe von politischen Gegnern aushalten. Die Union (CDU und CSU) verfehlte bei der Bundestagswahl 1969 die absolute Mehrheit um lediglich sieben Mandate.
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Willy Brandt (SPD): 1969 - 1974
Er war der erste Sozaildemokrat im Bundeskanzleramt. Für seine aussenpolitischen Anstrengungen erhielt er 1971 den Friedensnobelpreis. Willy Brandt setzte sich für die Ostverträge ein und förderte die Aussöhnung mit den östlichen Nachbarländern.
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