Ausstellung
Diese Basler Brunnen löschen den Wissensdurst

Alia Farid thematisiert in der Kunsthalle Basel, wie Wasser als weltweit wichtigste Ressource Leben trennt und vereint.

Hannes Nüsseler
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Alia Farid beim Aufbau ihrer Ausstellung «In Lieu of What Is» in der Kunsthalle Basel.

Alia Farid beim Aufbau ihrer Ausstellung «In Lieu of What Is» in der Kunsthalle Basel.

Nicolas Gysin / Kunsthalle Basel

Wasser für alle – in der Rheinstadt Basel mit seiner Vielzahl an Basilisk- und anderen Trinkbrunnen eine Selbstverständlichkeit. Aber öffentliche Brunnen am Persischen Golf? «Beim Stichwort Arabien denken viele an Wüste und Wassermangel», sagt die in Kuwait geborene Alia Farid vor der Eröffnung ihrer neuen Ausstellung in der Kunsthalle. Und zeigt deshalb, wie eine jahrhundertealte Tradition die modernen Stadtlandschaften ihrer Heimat bis heute prägt.

In einer Reihe stehen übergrosse Gefässe aus lackierten Glasfasern, Kanister, Krüge, eine PET-Flasche. Die Dimensionen sind gleichzeitig übertrieben und genau richtig: An nahezu allen Orten in Kuwait finden sich solche monumentalen Trinkbrunnen in «sprechender» Form. Farid hat einige nachgebildet, etwa einen Kanister für heiliges Wasser, wie er auf Pilgerreisen nach Mekka oft als Souvenir gekauft wird. «Meine Grossmutter hat mir einen mitgebracht», sagt die Künstlerin und fährt mit der Hand über das Profil eines Schriftzuges.

Die kurios geformten Trinkstellen lösen die herkömmlichen Strassenbrunnen ab, die sich aus natürlichen Quellen speisten. Heute wird Meerwasser aufwendig entsalzt und in moderne Ersatzbehälter für Dorfbrunnen und andere kommunale Wasserreservoirs gepumpt – ein kostspieliges Verfahren, das sich Kuwait nur dank seines Erdölabbaus leisten kann. Und das nur wegen dieser Industrie überhaupt nötig ist. «Das am wenigsten nachhaltige System überhaupt», lacht Farid verlegen, wird das extrahierte Salz doch ins Meer zurückgeleitet und bringt so einen ökologisch ohnehin fragilen Lebensraum noch mehr in Schieflage.

Wasserbüffel im Grenzgebiet

Wie verantwortungslos mit der Ressource Wasser umgegangen wird, thematisiert auch der zweite Raum, in dem verschiedene Traggurte liegen, wie sie zum Bau von Pipelines oder Entwässerungsanlagen verwendet werden. Nach dem Iran-Irak-Krieg der Achtzigerjahre, der in den schilfbestandenen Feuchtgebieten an der Mündung von Euphrat und Tigris ausgetragen wurde, liess Saddam Hussein die Marschen 1991 entwässern – als Strafaktion gegen die dortige Bevölkerung, die sich seinem politischen Zugriff entzog. «23 Millionen Palmen wurden gefällt», sagt Farid. Multinationale Erdölkonzerne setzen dem verbliebenen Gebiet weiter zu.

Nicolas Gysin / Kunsthalle Basel

Dass aber noch Leben darin steckt, davon zeugt der archaische Singsang eines Jungen, den Farid im Grenzgebiet zwischen Iran und Irak beim Hüten seiner Wasserbüffel aufgenommen hat. «Ich finde das sehr berührend», erklärt die Künstlerin. «Als wollte er sagen: Hört doch, ich spreche eure Sprache!» Es ist die Sprache der Fürsorge, und die Büffel verstehen sie genau. Von überall her bahnen sie sich einen Weg durch das Schilf, und wo es nass wird, schwimmen sie eben. Wasser trennt hier nicht nur, es verbindet.

Das veranschaulichen auch die übergrossen Gefässe, die Farid für ihre so minimale wie vielschichtige Schau zusammengestellt hat – wobei diese Vielschichtigkeit durchaus archäologisch verstanden werden kann, wie Kunsthalle-Leiterin Elena Filiopvic sagt: «Gefässe gehören weltweit zu den häufigsten Fundobjekten.» Indem Farid überregionale Formen aufgreift, betont sie sowohl den Verlust einer kulturellen Einheit als auch die Hoffnung auf anhaltenden Austausch und Verständigung: Der Krug geht zum Brunnen, bis er spricht.

«In Lieu of What Is», Kunsthalle Basel, bis 22. Mai 2022. Vernissage: Do, 10. Februar, 19 Uhr. www.kunsthallebasel.ch