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Synthetisches Cannabis, eine Substanz aus dem Labor, verbreitet sich auch in Basel rasant. Zwei Thesen könnten erklären, warum der Stoff auf dem Markt ist.
MDMB-4en-PINACA heisst die Substanz, das Gift. Es ist eine von vielen chemischen Verbindungen, die derzeit für Horrortrips, Todesfälle und Psychosen sorgen. In Zürich stellen die zuständigen Behörden einen rasanten Anstieg an gestrecktem Cannabis fest. Laut «Tages-Anzeiger» baut das dortige Drogeninformationszentrum bereits die Testkapazitäten aus, um den Konsumierenden schneller eine Analyse der Substanz vorlegen zu können. Im laufenden Jahr wurden über 90 Analysen durchgeführt, wovon 50 Proben synthetisches Cannabinoid enthielten.
Eine Nachfrage in Basel zeigt: Auch hier stellen Expertinnen und Experten eine deutliche Zunahme fest. Die erste positive Cannabisprobe ging im Februar beim Drug Checking ein. Das Angebot gehört zur Suchthilfe Region Basel und wird im Auftrag des Kantons durchgeführt. Leiterin Jill Zeugin erzählt: «Wir haben keine repräsentativen Zahlen, aber wir gehen davon aus, dass ein Grossteil des Stoffs vom Schwarzmarkt verseucht ist.» Im September erhielt das Team sieben synthetische Cannabisproben. Innert weniger Monate hat sich das Misstrauen gegenüber des Stoffs in Basel also verstärkt.
Die Basler Polizei kennt die Problematik. «Die Substanz gibt es schon längere Zeit unter verschiedenen Namen und wird vorab online im Darknet angeboten», schreibt Polizeisprecher Toprak Yerguz auf Anfrage. In Basel würde die Polizei eine «leicht zunehmende Verbreitung» feststellen, «ohne dass diese Form von Drogen derzeit einen besonderen Einfluss auf die tägliche Polizeiarbeit hat».
Doch was ist synthetisches Cannabis überhaupt? Die Substanz wird im Labor hergestellt. In Pulverform, meist weiss, schmuggeln die späteren Verkäufer das künstlich produzierte Tetrahydrocannabinol (THC) über die Grenzen in die Schweiz. Vermischt mit Lösungsmittel sprayen sie es schliesslich auf CBD-Hanf. Die chemische THC-Formel geht auf eine Entdeckung in den 70er-Jahren zurück. Laut Zeugin ist das Cannabinoid bis zu 200 Mal stärker, als die Wirkung des herkömmlichen THC. Die synthetische Substanz weist weiter einen deutlich höheren Suchtfaktor auf und die körperliche Abhängigkeit ist ausgeprägter.
Das Drug Checking warnt vor den Stoffen auf verschiedenen Plattformen. Denn der Konsum und die damit einhergehende Vergiftung kann lebensgefährlich sein: Von Ohnmacht, Herzrasen und Wahnvorstellungen über aggressives Verhalten oder akute Psychosen bis zum Herzinfarkt reichen die Auswirkungen.
Weltweit fielen der Droge laut der Europäischen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht 61 Menschen zum Opfer. «Zum Glück ist die Gefahr mittlerweile ein grosses Thema unter den Konsumierenden», sagt Zeugin. Dennoch habe eine Person, die eine Probe zur Analyse vorbeigebracht habe, mit einer akuten Psychose psychiatrische Behandlung gebracht werden müssen.
Das Basler Unispital verzeichnet in den vergangenen Monaten keine Zunahme an Patientinnen und Patienten, die wegen einer Vergiftung mit Suchtmitteln eingeliefert würden. Oftmals lasse es sich aber nur schwer feststellen, ob gestrecktes Cannabis verantwortlich ist, da eine Kombination von Substanzen im Spiel sei, so Sprecher Thomas Pfluger.
Zeugin hat zwei Thesen, die den Anstieg an synthetischem Cannabis erklären könnten. Der Trend rund um den CBD-Hanf ist zusammengebrochen, gleichwohl wird weiterhin in riesigen Mengen produziert. Die Substanz landet für einen Bruchteil des Preises auf dem Schwarzmarkt, wird dort mit synthetischem Cannabinoid gestreckt und teuer verkauft. Oder aber die Coronakrise verursacht einen ausgetrockneten Cannabis-Markt. Aufgrund geschlossener Grenzen erreicht weniger Cannabis aus Spanien oder Marokko die Schweiz. Gleichzeitig ist der Konsum während der Krise gestiegen, was die Nachfrage steigerte. «Die einzig plausible Lösung für das jetzige Problem ist die Regulierung von Cannabis», ist Zeugin überzeugt.