Wer im Kleinen zu vernünftigen Lösungen kommt, sollte auch im Grossen viel erreichen können. Leider zeigt die aktuelle Basler Politik, dass das nicht immer der Fall ist.
Ja, ich muss zugeben: Der Entscheid des basel-städtischen Parlaments, keine der so genannten Solarpresskübel mehr bestellen zu wollen, hat mich gefreut. Eine Stadt wie Basel, die sonst so hohe Ansprüche an ihr Erscheinungsbild stellt, darf diese von einem Abfall-Technokraten lieblos geformten Monster im öffentlichen Raum nicht dulden. Wer Hauseigentümer in der Schonzone per Dekret der Ästhetikpolizei (vulgo Stadtbildkommission) daran hindert, bei einem Ausbau des Daches eine neue Gaube einbauen zu können, obwohl kein Mensch diese von der Strasse aus sehen würde, sollte konsequent sein.
Diese Konsequenz des Denkens hat der Grosse Rat am vergangenen Mittwoch nun bewiesen. Wie beträchtlich der Aufwand gewesen ist, um zu diesem Schluss zu kommen, lässt sich anhand der diversen parlamentarischen Berichte zum Solarpresskübel veranschaulichen. Es gibt wohl kein Land, vielleicht keine Stadt der Welt, in welchem oder in welcher ein solches Geschäft mit so viel Akribie und Aufwand behandelt und verhandelt wird. Man mag das nun als reines Luxus- oder First-World-Problem abtun (was es selbstverständlich auch ist) und sich lustig darüber machen. Wer das tut, hat aber nicht begriffen, worum es im Kern geht: um Demokratie.
Es sind doch genau solche Dinge, welche viele Menschen in dieser Stadt bewegen. Weil im Moment Geld in Hülle und Fülle vorhanden ist, bewegt sich der Themenfächer der Politik natürlich entsprechend in Richtung leichterer Muse. Also weg von harten sozial- und finanzpolitischen Auseinandersetzungen hin zu einzelnen Bäumen, verschiedenen Lärmzonen, Vorschriften zum Gebrauch von Geschirr, zu kleinen, farbigen Markierungen für Bettler oder Prostituierte – oder eben auch zum Solarpresskübel.
«Tu felix Basilea», du glückliches Basel! Man braucht kein Prophet zu sein, um zu sagen: Das wird sich wieder einmal ändern. Wen dennoch das Gefühl der Glückspermanenz beschleicht, der wird regelmässig von der Debatte um günstigen Wohnraum und gegen Gentrifizierung sowie ein paar Störenfrieden aus den süssen Träumen gerissen. Diese Störenfriede, in den vergangenen Wochen waren es grösstenteils Störenfriedinnen, gehen auf die Strasse und demonstrieren für ihre Rechte und Anliegen. So, wie es sein darf und sein muss in einer offenen Gesellschaft.
Diese Demonstrationen und die Einsätze der Staatsmacht dagegen müssen in jüngster Zeit allen die Augen dafür geöffnet haben, wie es unter der Oberfläche der baslerischen Wohlstandsgesellschaft brodelt. Der Firnis der Prosperität ist dünn, da sind wir am Rheinknie keine Ausnahme. Dass die Ereignisse der vergangenen Tage politisch aufgearbeitet werden müssen, versteht sich von selbst. Aber genau hier kommt ein Parlament an seine Grenzen. Die Debatte im Grossen Rat zur von der Polizei äusserst rabiat bekämpften Frauendemonstration war staatspolitisch zwar nötig, inhaltlich aber zum Vergessen.
Die Rechte sieht die Anarchie am Horizont, die Linken den Polizei- und Unterdrückungsstaat. Beides ist eine grotesk verzerrte Sicht. Es ist nur peinlich, wie die SVP die Stadt näher in Richtung Untergang palavert, nur weil einige Gruppierungen regelmässig von der Versammlungs- und Demonstrationsfreiheit Gebrauch machen und eine Handvoll der Mitläuferinnen und Mitläufer jeweils über die Stränge schlägt. Die kleine Basler Welt deshalb am Abgrund zu sehen, ist unlauter. Es ist ebenso fragwürdig, wie stramm sich grosse Teile der Bürgerlichen hinter die Polizei stellen. Das Motiv ist durchschaubar (Unterstützung der Liberalen für die Parteigenossin an der Spitze des zuständigen Departements), die Kenntnislage zum Einsatz wohl entsprechend gefärbt und einseitig.
Handkehrum haben sich auch die Linken mit ihrem reflexartigen Aufschrei und insbesondere der Forderung nach dem Rücktritt des Polizeikommandanten keinen Gefallen getan. Das ist Populismus, der nicht hilft, die verhärteten Fronten aufzuweichen. Es ist anzunehmen, dass bei Rot-Grün die immer wieder zutage tretende Differenz zwischen den Polit-Generationen nur noch akzentuiert wird.
In den grossen Fragen der Basler Politik, bei der Frage des Umgangs mit demonstrierenden Minderheiten oder bei der schon seit langem schwelenden Frage nach Eindämmung der (im Vergleich höchstens sehr moderaten) Gentrifizierung hört man sie leider selten, die Stimmen der Vernunft, die Stimmen der politischen Mitte. Ein Beispiel wie jenes der Solarpresskübel zeigt aber, dass sich die Volksvertreterinnen und Volksvertreter auf einem sachlich hohen Niveau treffen und sich auch über die Fraktionsgrenzen hinweg austauschen können. Warum kann das nicht auch bei wirklich wichtigen Fragen geschehen?