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Der Verein «Demokratische Juristinnen und Juristen Basel (DJS)» fordert die Schaffung einer speziellen Beschwerdestelle zur Untersuchung von Polizeieinsätzen. Ausschlaggeben sei eine Fall, der in den kommenden Tagen vor Gericht kommt.
Der Verein «Demokratische Juristinnen und Juristen Basel (DJS)» fordert in einer Mitteilung die Schaffung einer unabhängigen Beschwerdestelle zur Untersuchung von Polizeieinsätzen. Die Nähe von Staatsanwaltschaft und Polizei sei ein systemisches Problem in der Schweiz, das unabhängige Untersuchungen erheblich erschwert oder gar verunmöglicht.
Es müsse möglich sein, Aussagen im Rahmen einer Untersuchung von polizeilichen Einsätzen zu machen, ohne dass diese anschliessend als Grundlage für ein Strafverfahren gegen die anzeigestellende Person verwendet werden. Ansonsten sei zu befürchten, dass kaum jemand dazu bereit ist, die Untersuchung einzufordern und der Einsatz unverhältnismässiger Gewalt durch die Polizei straflos bleibt.
Am 3. März 2016 nahm die Kantonspolizei Basel-Stadt mehrere Asylsuchende fest, die in der Matthäuskirche Schutz vor ihrer Ausschaffung gesucht haben. Am Abend desselben Tages versammelten sich etwa dreihundert Personen zu einer spontanen Protestkundgebung. Dabei kam es zu einer Auseinandersetzung mit der Polizei, bei der mit Gummischrot gegen die Demonstrierenden vorgegangen wurde. Einige Personen seien auch im Gesicht getroffen worden.
Bei der Ombudsstelle Basel-Stadt und beim Justiz- und Sicherheitsdepartement gingen daraufhin mehrere Anzeigen ein, die die Verhältnismässigkeit des Polizeieinsatzes in Frage stellten. Die Basler Staatsanwaltschaft lud im Winter 2016 «Auskunftspersonen» im Verfahren gegen die Polizei vor. Die Antragsteller machten daraufhin Aussagen über den Verlauf der Demonstration und das Verhalten der Polizei.
Während das Verfahren gegen die Polizei eingestellt wurde, benutzte die Staatsanwaltschaft die Aussagen der Antragssteller, um gegen sie Strafbefehle wegen Landfriedensbruch zu erlassen. Grund dafür sei die Teilnahme an der unbewilligten Protestkundgebung gewesen. Die Betroffenen legten gegen die Strafbefehle Einsprache ein. Die Fälle kommen am Donnerstag und Freitag in Basel vor Gericht.
Dieser Fall sei ein Beispiel dafür, was Menschenrechtsorganisationen und internationale Gremien schon lange kritisieren: Bei Untersuchungen von polizeilichem Fehlverhalten sitzen die Betroffenen am kürzeren Hebel. «Dass die Staatsanwaltschaft die Aussagen aus dem Verfahren gegen Angehörige der Polizei gegen die ursprünglichen Antragstellenden verwendete, ist rechtsstaatlich bedenklich», sagt Christian von Wartburg, einer der involvierten Verteidiger und DJS-Vorstandsmitglied.
Den Betroffenen wurde bei ihrer Befragung weder ein Delikt vorgehalten noch wurden sie darauf hingewiesen, dass es aufgrund ihrer Aussagen zu einem Verfahren gegen sie kommen könnte. Das Strafgericht hiess einen Antrag der Betroffenen gut, Aussagen, die sie im Verfahren gegen die Polizeiangehörigen gemacht hatten, in ihrem eigenen Verfahren nicht gegen sie zu verwenden.
«Es geht nicht nur um Demonstrierende, die ihr Grundrecht auf Meinungsäusserung wahrnehmen. Es geht auch um alltägliche Situationen mit der Polizei wie etwa Personen- oder Verkehrskontrollen, die aus dem Ruder laufen. Wir müssen uns fragen: Wer schaut der Polizei auf die Finger?», so von Wartburg.
Die Schweiz sieht sich seit 2002 von diversen internationalen Gremien regelmässig mit der Forderung konfrontiert, Massnahmen einzuführen, welche die unabhängige Untersuchung von polizeilichem Fehlverhalten sicherstellen und die Verantwortlichen zur Rechenschaft ziehen.
So geschehen 2017 im Rahmen der allgemeinen periodischen Überprüfung der Schweiz vor dem UNO-Menschenrechtsrat1. Die Schweiz habe es trotz anhaltender Kritik verpasst, unabhängige Untersuchungs- und Strafverfolgungsinstanzen bei polizeilichen Angelegenheiten zu schaffen, an die sich alle Bürger wenden können ohne Repressalien zu befürchten – auch Polizisten, die Fehlverhalten ihrer Kollegen zur Anzeige bringen wollen.