Coronavirus
Basler Gastro empört, Clubs geschockt: So zieht die Nordwestschweiz die Corona-Schraube erneut an

Die Nordwestschweizer Kantone pfeifen nach ersten Lockerungen die Veranstalter zurück. Das trifft nicht nur Clubs und Beizen. Einige grössere Veranstalter zeigen sich ebenso beunruhigt.

Andreas Schwald
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Abschrankungen, Plexiglas, bestenfalls Masken: Insbesondere die Basler Steinenvorstadt musste bereits ihre Lehren aus Corona ziehen.

Abschrankungen, Plexiglas, bestenfalls Masken: Insbesondere die Basler Steinenvorstadt musste bereits ihre Lehren aus Corona ziehen.

Kenneth Nars

Jetzt ziehen die Nordwestschweizer Kantone die Schraube an. In Basel-Stadt, Baselland, Solothurn und dem Aargau gilt ab heute Donnerstag: Wer Corona-Schutzmassnahmen nicht gewährleisten kann, darf nur Veranstaltungen mit maximal 100 Leuten durchführen. Die Erfassung der Gästekontakte allein reicht nicht mehr.

Die Massnahme ist in ihrer Absolutheit radikal. Auch ihr Zeithorizont ist festgelegt: Sie gilt vollumfänglich ab jetzt und bis Ende 2020. Erlassen wurde sie von den vier Kantonen in gemeinsamer Absprache. Den Impuls dazu gab allerdings der Basler Gesundheitsdirektor Lukas Engelberger (CVP). «In seiner Funktion als Präsident der Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren ist es ein Ziel von Lukas Engelberger, die Zusammenarbeit zwischen den Kantonen zu intensivieren», wie seine Sprecherin Anne Tschudin mitteilt. Entsprechend habe er sich mit den Kolleginnen und Kollegen abstimmen wollen.

Wer Abstand oder Masken garantiert, ist im Vorteil

Was also gilt nun? Tatsächlich sind nicht nur Restaurants und Clubs betroffen, sondern sämtliche Veranstaltungen in der Nordwestschweiz. Als Grundlage dient die Verordnung des Bundes, die nach wie vor Versammlungen von bis zu 300 Menschen und Veranstaltungen bis zu 1000 Teilnehmern unter Einhaltung der definierten Schutzmassnahmen, beziehungsweise des Kontakterfassens zulässt. Die Kantone können allerdings weiter gehen, was sie hiermit tun.

Es ist jetzt so: Wer den erforderlichen Abstand von 1,5 Metern pro Person gewährleisten kann, hat keine grösseren Einschränkungen zu befürchten. Das kann vom Entfernen von Sitzreihen bis zum Leerlassen von Plätzen reichen. Wer das nicht gewährleisten kann, muss garantieren, dass die Gäste Gesichtsmasken tragen oder mit Installationen wie Plexiglaswänden voneinander getrennt sind. In beiden Fällen kann aufs Kontakterfassen verzichtet werden.

Wer das aber nicht einhalten kann, muss jetzt Sektoren mit maximal 100 Personen bilden können. Dies entspricht der nun maximal zulässigen Massierung von Menschen in einem Raum bei gleichzeitiger Erfassung der Kontaktdaten. Werden entsprechende Sektoren gebildet, können Säle gefüllt werden. Drei klar abgegrenzte Sektoren à 100 Personen ergeben zum Beispiel 300 Menschen, und so weiter.

Druck aus der Öffentlichkeit, Folgen für Gastro

Nur wenn gar nichts davon gewährleistet werden kann – ausser einer Kontakterfassung – tritt die Deckelungsregel von 100 Personen in Kraft. Dies betrifft in der Tat vor allem Restaurants und Clubs, die oft nicht über die räumlichen Voraussetzungen verfügen oder zuverlässig das Tragen von Masken garantieren können.

Mit der Massnahme reagieren die Regierungen auf die langsam wieder ansteigenden Corona-Fallzahlen. Insbesondere nachdem bekannt wurde, dass sich in mehreren Schweizer Clubs Ansteckungsherde gebildet hatten, wuchs der Druck auf die Politik.

Auflagen auch am Wahlsonntag – kaum Partys

Die Veranstalter sowie Vertreter der Gastronomie reagierten am Mittwoch teils schockiert auf die erneute Verschärfung der Corona-Schutzmassnahmen. Derweil einige Kantone und Gemeinden bereits selbst schon Veranstaltungen wie Märkte oder die Herbstmesse abgesagt hatten.

So wird auch der Basler Wahlsonntag wegen Corona in ganz anderer Form ablaufen als früher. Wie die Staatskanzlei auf Anfrage sagt, seien Schutzkonzepte in Arbeit. «Überlegungen gehen dahin, im Kongresszentrum mindestens sektoriell eine Maskenpflicht aufzuerlegen. Daneben werden auch weitere Schutzvorkehrungen wie bei der Besucherführung getroffen.» Insbesondere in Bezug auf die Personenbegrenzungen müssten Massnahmen eingehalten werden, wie Regierungssprecher Marco Greiner sagt. Klar ist damit auch, dass die teils üppigen Wahlpartys der Parteien angesichts der neu geltenden kantonalen Regelung deutlich schlanker ausfallen dürften.

Die ersten Reaktionen auf den Entscheid

Maurus Ebneter, Wirteverband Basel-Stadt

«Schlechte Nachrichten sind das. Das Basler Nachtleben ist in akuter Gefahr. Viele Clubs hatten bereits mit der 300er- Regel Mühe. Die neue Massnahme bedeutet für sie faktisch ein Öffnungsverbot. Der Entscheid der Kantone ist begründet, ich will nicht Fundamentalkritik üben. Schade, hat man nicht abgewartet, wie sich die ID-Pflicht auswirkt. Ohne weitere Hilfe werden selbst jene Clubs, die vor Corona gut gewirtschaftet haben, die Segel streichen müssen.» (hje)

Tino Krattiger, Organisator von «Im Fluss»

Auf die Frage, ob die Konzertreihe «Im Fluss» unter diesen Umständen stattfinden kann, antwortet deren Organisator Tino Krattiger: «Ich will, dass sie stattfindet! Und ich gehe davon aus, dass wir sie durchführen können. Mit oder ohne Maske.» Er sei jedoch schon verärgert, weil es wieder vor allem die Kultur treffe. «Easy Jet fliegt für 20 Franken nach Belgrad, alle Badis sind offen. Nur bei der Kultur gibt es Reglemente wie in den Sechzigerjahren.» (bal)

Sandro Bernasconi, Kaserne Basel

Die Kaserne Basel hat das Polyfon Festival (ehemals Openair Basel) für dieses Jahr bereits abgesagt. Sandro Bernasconi, Leiter Musik, ist derzeit vorsichtig mit Prognosen. «Im November, wenn wir die grossen Konzerte eingeplant haben, ist vielleicht wieder alles anders.» Er betont jedoch, es sei wichtig zu wissen, dass Konzerte über 100 und bis zu 999 Personen auch für stehendes Publikum möglich sind – wenn auch mit Schutzmaske. (bal)

Simon Walter, Sprecher FC Basel

1000 Zuschauer dürfen derzeit an die Heimspiele des FC Basel. Die neue Regel, wonach Sektoren gebildet werden müssen, wenn mehr als 100 Personen anwesend sind, gelte auch für den FCB, sagt die Gesundheitsdepartements-Sprecherin. «Wenn sie aber die Abstände von 1,5 Meter einhalten, dann sind keine Sektoren zu bilden.» FCB-Sprecher Simon Walter meint: «Wir müssen mit den Behörden abklären, inwiefern uns diese Regel betrifft.» (lsi)

Erik Julliard, Produzent Basel Tattoo

Die sommerliche Grossveranstaltung Basel Tattoo wurde bereits auf November und in die Halle verlegt, nun kommen weitere Auflagen auf Produzent Erik Julliard zu. Er nimmt die Nachricht sportlich: «Grundsätzlich ist es super, dass Massnahmen gegen die Ausbreitung des Virus getroffen werden.» Er bleibe zuversichtlich, dass das Tattoo in der St. Jakobshalle stattfindet – «selbstverständlich unter Einhaltung sämtlicher geforderter Massnahmen». (ans)

Christoph Gloor, Casino-Kommission Basel

Das Stadtcasino Basel feiert im Herbst die Eröffnung nach dem Umbau. Nun wird der Versand der Einladungen, die schon bereit liegen, aufgeschoben. «Wir müssen zuerst klären, was die neue Regelung für uns bedeutet», sagt Christoph Gloor, Präsident der Casino-Kommission. Das Einrichten von Sektoren würde wenig Sorgen bereiten, angesichts der bis zu 900 erwarteten Personen seien aber Fragen zu Besucherfluktuation und Maskenpflicht zu klären. (ans)