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Wer einen Garten oder eine Terrasse hat, konnte sich in den vergangenen Wochen glücklich schätzen. In der Öffentlichkeit fühlte man sich in den ersten Wochen der Pandemie an der frischen Luft schnell schuldig.
Wer keine Aussenfläche zur Verfügung hatte, suchte vermehrt nach Alternativen. So boomt seit mehreren Wochen ein bisher eher verstaubt geglaubtes Freizeitangebot: Der Schrebergarten. Benannt nach dem Leipziger Arzt Dr. Moritz Schreber. Heute nennt man die Gartenparzellen Kleingärten oder Familiengärten.
Erst vergangenes Jahr waren die vermieteten Grünflächen beim Dreispitz ein grosses Thema, da sie einer geplanten Überbauung werden weichen müssen. Ende 2020 soll Schluss sein. Etwa 5’000 Familiengärten gibt es in der Region auf 33 Areale verteilt. Die Tendenz: Gartenareale werden eher von der urbanen Stadtentwicklung verdrängt als ausgeweitet. Die Nachfrage nach der kleinen Gartenidylle sei jetzt aber deutlich gestiegen, bestätigt Karin Kook, Leiterin Freizeitgärten und Gartenberatung Basel-Stadt: «Wir haben einen deutlichen Nachfrageanstieg bemerkt. Leider sind wir noch nicht dazugekommen, den Effekt auszuwerten. Wir sind jedenfalls gespannt, wie gross der Unterschied zu anderen Jahren tatsächlich ausfällt.» Ein Zusammenhang des Anstiegs der Nachfrage mit den coronabedingten Veränderungen der vergangenen Wochen ist naheliegend.
Auch Thomas Bähler, Präsident der Bäumlihof-Freizeitgärten, bestätigt einen Anstieg der Nachfrage. Über Jahre hinweg habe man mit leeren und verwahrlosten Parzellen zu kämpfen gehabt und das Interesse an Familiengärten sei hauptsächlich bei Bewerbern mit Migrationshintergrund stets da gewesen. «Das hat sich seit Covid-19 stark geändert. Um im «eigenen Refugium» nach draussen gehen zu können, ist das Interesse an den freien Parzellen explosionsartig angestiegen.» Sogar die verwilderten Parzellen seien derzeit heiss begehrt. «So haben wir aktuell von gut 400 Parzellen gerade Mal eine einzige die in absehbarere Zeit frei wird», sagt Bähler.
Eine Warteliste gab es schon immer, so prall gefüllt, wie in diesen Zeiten, war sie aber selten. 800-1'000 Interessierte stehen Stand Ende der letzten Woche für einen Familiengarten an, bestätigt Karin Kook. Die Zahl verändere sich aber laufend. Freie Gärten gibt es keine. Auch im Internet sind keine ausgeschrieben. Sind es die Jungen, die sich jetzt vermehrt um eine Parzelle im Grünen bewerben? Matteo Merian, Präsident der Familiengärten Hirzbrunnen, beobachtet vermehrt, dass junge Paare grosses Interesse an einem Familiengarten haben, einige allerdings kaum eine Möglichkeit finden, die anfallende Mehrarbeit zu bewältigen. «Etwa die Hälfte der Paare, die bei uns Interesse bekunden, sind im momentanen Arbeitsumfeld derart gestresst, dass ihnen für ein normales Gartenareal schlicht und einfach die Zeit fehlt.» Es gebe natürlich die Möglichkeit, sich ein Gartenareal zu teilen, dies funktioniere aber nur dann, wenn sich die Pächter ausserordentlich gut verstünden.
Die anstehenden Sommerferien verunsichern viele Schweizerinnen und Schweizer. Mit einem noch intensiveren Ansturm auf die Familiengärten rechnet Karin Kook aber nicht, die Nutzungszeiten der Parzellen werden sich aber ziemlich sicher verändern. «Es werden sicherlich viel mehr Pächterinnen und Pächter ihre Ferien zu Hause verbringen und somit auch ihren Garten im Sommer durchgehend nutzen.» Eine Stadt, die sich immer wieder im urbanisierten Wandel befindet, lässt eine Ausweitung der Familiengärten-Areale nicht zu, eine Mindestfläche sei aber gesichert, bestätigt Kook. Eine Mindestfläche, die im Sommer 2020 mit Sicherheit dankende Abnehmer finden wird.