«Sie sind also hinterhergerannt und haben dann geschossen?», fragte Gerichtspräsidentin Katharina Giovannone den 32-jährigen Angeklagten. «Ja, ich hatte Angst», bestätigte er.
«Und deshalb rennt man jemandem nach?», hakte die Richterin nach. «Es war Notwehr, Frau Präsidentin!», beteuerte der Mann.
Es waren Szenen wie aus einem Actionfilm: Im Juni 2019 fielen um 23 Uhr abends in der Basler Brombacherstrasse mehrere Schüsse aus einer neun Millimeter-Pistole. Der Schütze flüchtete, wurde aber zwei Monate später bei einer Verkehrskontrolle in Münchenstein festgenommen. Die Schiesserei gibt er zu, doch wenn es um die Umstände der nächtlichen Ballerei geht, liegen die Versionen weit auseinander.
Aufgrund der Hülsen ist klar, dass er mindestens sechs Schüsse abgegeben hat. Zwei davon trafen einen Widersacher an den Beinen. Der zweite Widersacher konnte ohne Verletzungen fliehen und kam später seinem verletzten Freund zu Hilfe.
Der Hintergrund der Geschichte ist verworren: Die Männer kannten sich bereits, sie gerieten wenige Wochen zuvor am Claraplatz aneinander. Auf dem Vorplatz gab es eine Schlägerei, der 32-Jährige zückte ein Messer, eine Polizeipatrouille griff mit Pfefferspray ein und verfrachtete den alkoholisierten Mann in die Ausnüchterungszelle. Er ist bereits vorbestraft.
Laut dem Opfer ist die Schmach der damaligen Festnahme wohl der Grund, weshalb der Mann an jenem Sommerabend mit der Pistole auf sie losging. Der 32-jährige Schütze hingegen beharrte vor Gericht darauf, die beiden Männer hätten bewusst die Strassenseite gewechselt und seien auf ihn losgegangen.
Das Gericht hörte am Mittwochmorgen auch den damals an den Beinen verletzten Mann an und stellte vor allem Fragen zu den Details, etwa wohin der Schütze gezielt habe. Für die rechtliche Einordnung ist das entscheidend, denn der Staatsanwalt hat den 32-Jährigen nicht nur wegen Körperverletzung und Gefährdung des Lebens, sondern auch wegen versuchten Mordes angeklagt.
Die Verteidigung hingegen wird betonen, dass der Schütze bewusst auf die Beine gezielt habe und niemanden umbringen wollte. Der Prozess dauert drei Tage, das Urteil fällen die fünf Richter am Freitagabend.