Tim Rohner, Frontsänger der Basler Mundartband Les Touristes, möchte künftig auch als Grossrat für die GLP performen. In der losen Serie «Ausreisser» porträtiert die bz Grossratskandidierende aller Parteien, die nicht so recht ins Profil passen.
Tim Rohner sitzt in einem sterilen Telefonzimmer, weiss die Wände, weiss sein Hemd, und schaut in die Kamera seines Handys. Er befindet sich in der Schweizer Botschaft in Washington D.C., wo er seit zwei Wochen ein Praktikum in der Rechtsabteilung absolviert. «Ich wollte schon immer mal im Ausland arbeiten», sagt Rohner, denn: «Ehe man sich versieht, hat man einen festen Job, Kinder und wohnt in der Agglo.» Ob er dort so schnell gelandet wäre, ist fraglich. Denn tatsächlich befindet sich der 28-Jährige gerade an der Schwelle von möglichen Karrieren.
Zum Beispiel als Anwalt: Nach seinem Jus-Studium absolvierte er Praktika in einer Anwaltskanzlei und auf dem Zivilgericht Basel-Stadt. Mit dem Praktikum in der Botschaft will er sein Studium nun noch mehr mit der Politik verknüpfen. Vielleicht aber auch als Politiker: Im Herbst will er für die Grünliberalen (GLP) in den Grossen Rat.
Dabei hat Rohner bereits eine Karriere am Laufen. Als Frontsänger der Basler Mundartband Les Touristes tourt er seit acht Jahren durch die Schweiz. Höhepunkte hatte die fünfköpfige Band mit Auftritten am Zermatt unplugged, am Gurtenfestival oder als sie 2013 den kleinen Prix Walo abräumte. «Ich bezeichne uns noch immer etwas nonchalant als NewcomerBand», sagt Rohner.
Vielleicht, weil alles so spontan angefangen habe, als Schülerband am Gymnasium mit dem einfachen Gedanken «hey kommt, wir gründen eine Band», sagt er. Erste Auftritte hatten sie als Strassenmusiker mit einem Klavier auf Rädern. Bis heute liebt er die «Livekonzerte und die Interaktion mit dem Publikum».
Darauf musste er dieses Jahr jedoch verzichten. Dabei hätte es «ihr Bandsommer» werden sollen, mit Auftritten an verschiedenen kleinen Festivals, verstreut in der ganzen Schweiz. Doch die Coronapandemie machte der Band einen Strich durch die Rechnung. Stattdessen blieb Rohner zu Hause und nutzte die Zeit, um beispielsweise den Song «Tanzi halt elei» umzutexten.
In der ursprünglichen Version geht es um einen Musiker, der vom dicken Showgeschäft träumt und dann doch nicht Fuss fassen kann. Bei der neuen Version «Corona-edit» werden die abgesagten Auftrittsmöglichkeiten verarbeitet, mit Strophen wie: «Ich ha dänggt dä Friehlig würd mol öppis laufe / doch jetz chani nur no use zum go z Ässe kaufe.» Rohner sagt: «Der Song soll motivieren, dass man sich trotz widriger Umständen nicht unterkriegen lässt.» Den Text dazu habe er aus dem Ärmel geschüttelt. Heute sei er einer seiner Favoriten. Für Rohner ist der Schlüssel zum Erfolg auch die Erkenntnis, dass man ihn nicht erzwingen kann.
Im Videoclip tanzen er und die anderen Bandmitglieder durch die Wohnung, im Pyjama oder Bademantel. Rohner bewegt sich dabei mit lockeren Bewegungen, mal im Limbo weit nach hinten gelehnt, mal in der Hocke die Hüfte schwingend. Ob er sich als künftiger Grossrat auch so locker präsentieren wird? «Als Politiker sollte es weniger um meine Person gehen, als vielmehr um eine gute Gesetzgebung», meint Rohner. «Aber ich kann sicher meine Lockerheit und Offenheit, die mich als Musiker ausmacht, in den Grossen Rat tragen.» Er sei überzeugt, dass vielen Politikern die Volksnähe fehlt.
In der losen Serie «Ausreisser» porträtiert die bz Grossratskandidierende aller Parteien, die nicht so recht ins Profil passen.
Er selbst wolle vor allem authentisch auftreten, seine Gedanken teilen und auch zugeben, wenn er etwa von einem Thema keine Ahnung hat. Für die GLP habe er sich entscheiden, weil er ganz klar linksliberal sei. Dabei ist diese Gesinnung eher neu: Rohner ist in einem linken Lehrerhaushalt in der ländlichen Gemeinde Buus im Baselbiet aufgewachsen. «Ich habe mich schon als Kind für Politik begeistert», sagt Rohner. «Während die anderen Trash-TV guckten, las ich die Zeitung meiner Eltern.»
Drei Jahre war er im Jugendrat im Kanton Baselland aktiv, später kandidierte er als Landrat für die SP. Jetzt wolle er sein politisches Engagement in Basel-Stadt fortsetzen, da, wo er sich verwurzelt fühle. Ausschlag für den Schwenk von der SP zu der GLP habe auch ein Treffen mit der Regierungsratskandidatin Esther Keller gegeben, für die er nur lobende Worte übrig hat. «Es ist die Kombination zwischen dem liberalen und dem sozialen Gedanken, der mich überzeugte», sagt Rohner. Er hoffe nun, trotz seiner temporären Abwesenheit, Wählerstimmen über die Sozialen Medien zu generieren. Eine grosse Karriere strebe er jedoch weder als Musiker noch als Politiker an. Auch hier betont er wieder: «Erfolg kann man nicht planen. Entweder er kommt oder nicht.»