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Reihenweise bekannte Köpfe im Grossen Rat verabschieden sich. Viele sind schon während der Legislatur zurückgetreten.
Am 25. Oktober werden die 100 Parlamentarierinnen und Parlamentarier für die kommende Legislatur gekürt. Gestern war Anmeldeschluss für die Parteien. Auf den Listen für den Grossen Rat fehlt fast die Hälfte der Personen, die vor vier Jahren gewählt wurden. Insgesamt 46 Volksvertreter haben die Politik an den Nagel gehängt oder tun es nach der laufenden Legislatur – teilweise freiwillig, teilweise weil im es im Basler Parlament eine Amtszeitbeschränkung gibt. Nach maximal vier Legislaturen am Stück ist Schluss.
Von diesen Alteingesessenen gibt es jede Menge. Prominente Beispiel sind etwa der frühere Grossratspräsident Heiner Vischer (LDP), CVP-Bildungspolitiker Oswald Inglin, Christophe Haller (FDP), der Riehener Grüne Thomas Grossenbacher oder der SVP-Präsident Eduard Rutschmann. Seine Partei ist am stärksten von der Amtszeitguillotine betroffen. Gleich sechs Parlamentarier werden in den politischen Ruhestand verdonnert.
Der grosse Generationenwechsel ist für die Parteien ein Problem. Denn die langjährigen Parlamentarier sind meist auch die bekanntesten Politiker. Entsprechend viele Stimmen bringen sie ihren Listen. Rutschmann, Inglin, Vischer und Grossenbacher haben alle auf ihrer Liste den Spitzenplatz geholt, ebenso wie Christophe Haller (FDP), Patrick Hafner (SVP) und Martina Bernasconi (wechselte nach den Wahlen von der GLP zur FDP).
Abgesehen von Letzterer fallen alle Genannten der Amtszeitguillotine zum Opfer. Bernasconi hört nach insgesamt 13 Jahren im Parlament freiwillig auf. «Ich habe jetzt Lust, mein Leben neu zu gestalten», sagt sie (unten). Auch bei ihrer früheren Partei blieb seit den vergangenen Wahlen kein Stein mehr auf dem anderen. Von den vier 2016 gewählten Grünliberalen steht diesen Herbst nur noch David Wüest-Rudin wieder auf der Liste.
Auch René Häfliger (LDP) hört nach einer Legislatur bereits wieder auf. Er habe sich den Entscheid nicht leicht gemacht, sagt Häfliger: «Ich will mich wieder voll und ganz auf meine Selbstständigkeit konzentrieren.» Bei den Liberalen hängt auch Fraktionschef Michael Koechlin nach «nur» zwei Amtszeiten die Politik an den Nagel.
Bereits während der laufenden Legislatur traten viele der Gewählten vorzeitig ab – oft auch aus taktischen Gründen, um aufstrebenden Polittalenten Platz zu machen. Das krasseste Beispiel ist wohl Daniel Goepfert. Der ehemalige SP-Grossratspräsident holte das drittbeste Resultat aller Kandidaten, nur um dann schon vor dem ersten Sitzungstag seinen Rücktritt zu erklären. Neben Goepfert muss die SP im kommenden Wahlkampf auf eine Reihe politischer Stimmengaranten verzichten: Rudolf Rechsteiner, Tobit Schäfer, Dominique König-Lüdin und Mustafa Atici sind alle in den vergangenen vier Jahren aus dem Parlament ausgeschieden.
Auch das Grüne Bündnis musste in den vergangenen Jahren viele Abgänge hinnehmen. Was zur reichlich absurden Situation führte, dass Anfang Jahr mit Lea Steinle und Barbara Wegmann zwei Parlamentarierinnen abdankten, welche ihrerseits erst in der laufenden Legislatur nachgerückt waren.
Die grösste Konstanz hat im Moment die FDP. Mit Christophe Haller und dem früheren Fraktionspräsidenten Stephan Mumenthaler, welcher anfangs Jahr zurücktrat, muss die Partei zwar zwei politisch gewichtige Abgänge verdauen, dafür tritt die restliche Fraktion geschlossen wieder zu den Wahlen an.
Nach 16 Jahren verlassen Sie den Grossen Rat aufgrund der Amtszeitbeschränkung. Ist das Kapitel Politik für Sie damit abgeschlossen?
Ich denke schon. Mit 74 Jahren werde ich mich wohl nicht noch einmal zur Wahl stellen. Man muss den Jüngeren Platz machen und ich muss ja nicht ständig mit 150 auf dem Gaspedal sein.
Was war ihr persönliches Highlight im Grossen Rat?
Man muss sich an den kleinen Erfolgen freuen in der Politik, die grossen Würfe gibt es selten. Manchmal erreicht man mehr in den Kommissionen als mit Vorstössen. Ich war in der Umwelt-, Verkehrs- und Energiekommission 16 Jahre tätig und habe dort in kleinen Schritten vieles in Punkto Velofreundlichkeit durchgebracht. Auch das heutige Veloleihsystem geht auf einen Vorstoss zurück, den ich vor zehn Jahren eingereicht habe. Politik ist kein Sprint, sondern ein Marathon. Am besten ist es, man geht illusionsfrei hinein.
Wie gross ist die Lücke, die Sie hinterlassen?
In der Politik ist jeder ersetzbar. Wichtig ist, dass man die neuen Leute einschult und die Geschäfte sorgfältig übergibt. Aber ich bin sicher: es geht auch ohne mich. (sam)
Sie haben sich entschieden, für die kommende Legislaturperiode nicht mehr anzutreten. Haben Sie genug von der Politik?
Ja, definitiv. Früher war ich leidenschaftlich dabei. Politik war für mich nicht Arbeit, sie hat mich gepackt. Ich mochte alles drum und dran, die Apéros, die Debatten. Vor zwei Jahren stellte ich fest: es fehlt etwas. Ich habe jetzt Lust, mein Leben neu zu gestalten.
An welche Zeit erinnern Sie sich besonders gerne?
Von 1998 bis 2000 vertrat ich im Grossen Rat die Frauenliste. Wir waren sehr unangepasst, stellten radikale Forderungen und es gelang uns, den Politbetrieb etwas aufzumischen. Auch an den Wahlkampf als Regierungsratskandidatin 2014 erinnere ich mich sehr gerne. Entgegen allen Prognosen ist es mir gelungen, einen zweiten Wahlgang herbeizuführen.
Wie gross ist die Lücke, die Sie bei der FDP hinterlassen?
Es ist sicher gut, wenn eine Frau wiedergewählt wird. Die Bisherige Karin Sartorius ist hierfür eine gute Kandidatin, sie ist wie ich in der Kultur- und Bildungskommission. Ansonsten gibt es vielleicht ein bisschen weniger Schlagzeilen wenn ich weg bin (lacht). (sam)
Sie schliessen nach 16 Jahren im Basler Grossen Rat mit der Politik ab?
Ja. In vier Jahren bin ich 71 Jahre alt und will nicht noch einmal antreten. Ich hatte eine lange politische Karriere, aber es gibt auch noch mehr im Leben als Politik.
Was konnten Sie denn alles erreichen?
Ich habe unter anderem dazu beigetragen, dass der Kredit für die neue Basler Geschichtsschreibung bewilligt wurde. Dass mehr Mittel für die Filmförderung eingesetzt werden und die Jugendkulturpauschale durchkam. Auf diese Geschäfte bin ich schon etwas stolz.
Wie sieht die Zukunft Ihrer Partei ohne Sie aus?
Im Bildungs- und Kulturbereich habe ich eine gewisse Monopolstellung gehabt, weil ich von Haus aus versiert bin als Präsident der Kulturkommission. Unter meinen Nachfolgern fehlen Kultur- und Bildungspolitiker, dafür werden andere Schwerpunkte gesetzt werden. Aktuell steht meine eigene Partei, die CVP, vor der Herausforderung, die sieben Sitze zu halten oder mindestens die Fraktionsstärke nicht zu verlieren. Das wird nicht einfach, aber ich hoffe natürlich sehr, dass es gelingt. (sam)
Warum haben Sie sich gegen eine erneute Legislaturperiode entschieden?
Aus persönlichen Gründen. Ich habe acht Jahre im Grossen Rat gedient, davon längere Zeit als Fraktionspräsident. Nun ist der richtige Zeitpunkt, die Polit-Ära zu beenden. Das Ende der Legislaturperiode fällt zudem mit meinem 70. Geburtstag zusammen, was gut passt.
An welche Momente denken Sie besonders gern zurück?
Ich habe sehr gerne in Kommissionen mitgearbeitet, vor allem in der Geschäftsprüfungskommission. Aber ich habe nie viele Vorstösse eingereicht, weil ich der Meinung bin, dass die Funktionsfähigkeit des Grossen Rat durch die Vorstossflut eher gefährdet wird. Ein grosser Erfolg waren sicher die letzten Wahlen, als die LDP auf 15 Sitze angewachsen ist.
Wie gross ist die Lücke, die Sie hinterlassen?
Das kann ich nicht beurteilen. Auf jeden Fall haben wir sehr gute Kandidierende. Ich denke, dass auch die Wählerinnen und Wähler in dieser Zeit mehr denn je merken, dass eine unaufgeregte und nachhaltige Politik nötig ist und die Antworten weder aus dem extrem linken, noch aus dem extrem rechten Bereich kommen. (sam)
Haben Sie nach 16 Jahren im Grossen Rat genug von der Politik?
Nein. Wenn ich könnte, würde ich gerne noch eine Legislaturperiode anhängen. Denn in der Politik ist Erfahrung ebenfalls sehr wichtig und es braucht Zeit, sich in die Abläufe und Materien einzuarbeiten. Aber ich werde sicher weiterhin politisch engagiert bleiben.
Was waren die Highlights Ihrer politischen Karriere?
Dazu gehören die Erfolge der von mir mitangestossenen Initiativen; dass der Landhof grün bleibt, dass die Stadtrandentwicklung Ost-Süd und das Ozeanium abgelehnt wurden. Jetzt steht die Abstimmung des Hafenbeckens bevor, bei der es wegen der Komplexität noch viel Überzeugungsarbeit braucht. Es ist immer wieder eine spannende Herausforderung bei Abstimmungen komplexe Themen verständlich darzulegen.
Sie waren ein wichtiger Wortführer Ihrer Fraktion. Wie gross ist die Lücke, die Sie hinterlassen?
Ich hoffe, ich hinterlasse keine Lücke. Ein Wechsel kann auch eine Chance sein, dass sich andere Menschen positionieren können und andere Themen aufgegriffen oder neu angepackt werden. (sam)
Wie sieht Ihre politische Zukunft nach 16 Jahren im Grossen Rat aus?
Als Parteipräsident der SVP bin ich weiterhin in der Politik involviert und ich denke, sie wird mich immer begleiten. Dass ich in vier Jahren erneut antreten werde, glaube ich nicht. Aber sag niemals nie!
An welchen Erfolg denken Sie besonders gerne zurück?
Als es bei Budgetkürzungen vor ein paar Jahren darum ging, dass man den Sozialhilfeempfängern Geld kürzen und im gleichen Atemzug das Theater Basel mit einer Million mehr unterstützen wollte, habe ich mich mit ein paar anderen erfolgreich dagegen gewehrt. Auch wenn nicht alle meiner Partei damit übereinstimmten, für mich war der Fall klar. Wir hatten auch andere kleine Erfolge, aber wenn uns die Bürgerlichen nicht unterstützt haben, war die Chance immer klein, dass ein Vorstoss von uns durchkam. Bei dieser Wahl ist ein Linksrutsch leider gut möglich, was die Sache noch schwieriger machen wird.
Welche Lücke werden Sie hinterlassen?
In der Politik ist jeder ersetzbar. Wir haben gute Leute auf der Liste und vielleicht sind die ja ein bisschen kompromissbereiter, als ich es war. (sam)