Auf dem Gewerbeareal Lysbüchel sollen 2000 bis 3400 neue Arbeitsplätze sowie Wohnraum für gegen 2000 Einwohner entstehen.
Der Boden in der Stadt ist knapp. Aber es gibt Zonen, die stark unternutzt sind. Dem wollen die Grundstücksbesitzer Basel-Stadt, Stiftung Habitat und SBB entgegentreten: «Innere Verdichtung» heisst das Zauberwort. Der basel-städtische Baudirektor Hans-Peter Wessels erklärte, dass die Zahl der Arbeitsplätze doppelt so schnell zugenommen habe wie die Einwohnerzahl. Die Folge sei mehr Pendlerverkehr und Wohnungsknappheit, sagte er.
Solche unternutzte Flächen gibt es auf dem Areal «Volta Nord» auf dem Lysbüchel, ganz nahe der französischen Grenze, zu Hauf. Eine der dortigen Firmen, die Coop mit ihrer ausgedehnten Logistik und der Bäckerei, ist bis Ende Jahr definitiv weggezogen. Und will die SBB-Baurechtsverträge entlang der Elsässerbahn nicht mehr verlängern.
Die IG Lysbüchel wehrt sich dezidiert gegen die vom Kanton und von den SBB präsentierte Planauflage zum Gewerbegebiet Lysbüchel. «Die heute noch ansässigen Betriebe auf dem Areal werden durch den neuen Bebauungsplan ins Umland vertrieben, und Basel verliert dadurch wichtige Arbeits- und Ausbildungsplätze», schreibt die IG in einer Mitteilung. Um eine höhere Rendite zu erzielen, wollten die SBB-Immobilien das Gebiet auf Kosten des Gewerbes grossmehrheitlich in Wohnzone 5a umzonen lassen.
«Das Lysbüchel-Areal eignet sich, mit Ausnahme der Habitat-Parzelle, nicht für Wohnen», so Stephan Schnoz, Sekretär der IG. «Es handelt sich um ein klassisches Gewerbegebiet inmitten anderer Gewerbegebiete.» Das rund 69800 Quadratmeter grosse Areal befände sich nicht in einem idealen Wohn- und Erholungsgebiet. Das ansässige Gewerbe und die IG Lysbüchel würden sich aber nicht sang- und klanglos aus dem Kanton verdrängen lassen: «Wir werden uns mit Einsprachen während der öffentlichen Planauflage wehren», so Schnoz.
«Wir wollen hier verschiedene Nutzungen: wohnen und arbeiten», so Kantonsbaumeister Beat Aeberhard gestern an einer Medienorientierung. «Es ist eine Weiterentwicklung des St. Johann Richtung Westen.» Die Achse der Lothringerstrasse ende derzeit noch an einem grossen Parkhaus. Dieses werde verschwinden.
Doch es gibt Opposition. Wohnen und arbeiten, so meint der Gewerbeverband Basel, da sind Konflikte programmiert. Er will diese Durchmischung nicht. Bereits hat sich die lokale Gewerbegruppe IG Lysbüchel vernehmen lassen.
«Klar», sagt Aebersold, verschiedene Nutzungen könne zu Konflikten führen. Es brauche deshalb ein sinnvolles Konzept, um dies zu verhindern oder einzugrenzen. Der nördliche Bereich des Areals verbleibe in der Industrie- und Gewerbezone und soll Platz für emissionsintensives Gewerbe und weitere gewerbliche Nutzungen bieten. Durch ruhiges Gewerbe abgetrennt, liegt im Süden des Areals der Schwerpunkt auf der Wohnnutzung. Ebenfalls im Süden kommt das im St. Johann dringend benötigte zusätzliche Schulhaus zu liegen.
Den SBB gehören das Gelände hin zur Bahn. In der den Geleise nahen Zone ist ein Grün- und Naturschutzbereich angedacht: Bei Bahngleisen ist häufig eine interessante Tier- und Pflanzenwelt anzutreffen.
Jürg Stöckli, Leiter SBB-Immobilien: «Wir wollen die Brache besser nutzen.» Allein auf dem SBB-Areal könnten bis zu 2000 Arbeitsplätze und Wohnraum für 700 Personen entstehen, sagt Stöckli. «Man ist sehr weit in der Bautechnik, was Lärmschutz anbetrifft.» Auf dem Baufeld 3 existiert ein Baurechtsvertrag bis 2071. Hier wird also vorerst nichts geschehen. Zuerst werde der nördliche Teil entwickelt.
Die intensivere Nutzung und die neuen Wohnungen würden Umzüge des Gewerbes nötig machen, räumen die Verantwortlichen ein. Man sei diesbezüglich mit den Mietern in Kontakt.
Die vorgesehenen Änderungen setzen einen Bebauungsplan, neue Bau- und Strassenlinien sowie Änderungen des Zonenplans, des Lärmempfindlichkeitsstufenplans und des Wohnanteilplans voraus. Zudem soll ein Teil des Bebauungsplans beim Bahnhof St. Johann/Voltastrasse aufgehoben werden. Der vorliegende Bebauungsplan wird als politischer Grundsatzentscheid verstanden, die konkrete Gestaltung der Baufelder und der öffentlichen Grün- und Freiflächen wird anschliessend im Rahmen von mehreren Varianzverfahren erarbeitet und in Bebauungsplänen zweiter Stufe festgelegt.
Die bestehende Liegenschaft Elsässerstrasse 215 auf dem Coop-Areal soll umgenutzt werden und bietet künftig rund 20 000 Quadratmeter für gewerbliche und kulturelle Nutzungen an. Der Bebauungsplan ermöglicht insgesamt eine Erhöhung der Bruttogeschossfläche auf dem Areal von 85 000 heute auf 210 000 Quadratmeter. Thomas Riedtmann, Bereichsleiter Zentrale Dienste des Erziehungsdepartements, meint, dass es dringend ein zusätzliches Schulhaus für zwölf Klassen brauche. Ein Neubau sei nicht nötig, weil man eines der Coop-Gebäude umbauen könne. Trotzdem werde es zwischenzeitlich ein Provisorium. Dieses käme entweder auf das Areal Voltamatte oder die Tschudimatte zu liegen, was eine Ausnahmebewilligung erfordere. «Wir brauchen unbedingt dieses Provisorium auf 2017/18», sagt Riedtmann.
Auch die Stiftung Habitat kommt zum Zug. Sie hat das Coop-Gelände zusammen mit den Immobilien Basel-Stadt erworben. 200 bis 300 Wohnungen sollen entstehen, sagt Habitat-Geschäftsleiter Klaus Hubmann. Ausserdem ist bei der Shell-Tankstelle am Lothringerplatz ein Baukonzept für Wohnungen für Familien mit je drei Kindern vorgesehen. Das Grundstück soll parzelliert werden.
«Durchmischung ist auch hier ein grosses Thema», so Hubmann. Ebenfalls sollen weitere Musikerwohnungen entstehen. Allenfalls komme in den bestehenden Keller des ehemaligen Weinlagers von Coop eine Autoeinstellhalle zu liegen. Sicher sei dies noch nicht. Es fragt sich nämlich, ob dieser Bau abgerissen werden muss. 2017 sollte die Bebauungsstruktur klar sein. Baueingaben könnten ab 2018 erfolgen, ab 2019 die ersten Bezüge. Die Volta-Nord-Pläne sollen insgesamt etappiert umgesetzt werden.