Café Surprise
Eine Tasse Freude schenken: «Bedürftige sollen spüren, dass auch sie hier willkommen sind»

Gratis-Kaffee in 20 Basler Organisationen: Seit der Corona-Pandemie erlebt das Projekt «Café Surprise» einen Aufschwung.

Lea Meister, Aimee Baumgartner
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Das jüngste Mitglied im Bund der 20 Basler Organisationen, die sich am Projekt «Café Surprise» beteiligen, ist das Tellplatz 3.

Das jüngste Mitglied im Bund der 20 Basler Organisationen, die sich am Projekt «Café Surprise» beteiligen, ist das Tellplatz 3.

Kenneth Nars

Solidarität. Ein Wort, welches in den letzten Monat stark an Bedeutung gewonnen hat. Auf Solidarität basiert auch das Projekt «Café Surprise» vom Verein Surprise. Seit 2014 gibt es schweizweit in 80 Gastrobetrieben sogenannte «Strichlilisten» für Gratis-Kaffees. In Basel sind es 20 Betriebe, die sich dem Projekt angeschlossen haben. Vor Ort kann man einen Kaffee bezahlen, ohne ihn selbst zu konsumieren.

Für jeden bezahlten Kaffee kommt ein Strich auf die prominent platzierte Liste, die man schon beim Vorbeigehen sieht. Der Preis wird den jeweiligen Betrieben überlassen, durchschnittlich sind es aber zwischen zwei und drei Franken fünfzig.

Auch im Manger & Boire kann ein Café Surprise bestellt werden.

Auch im Manger & Boire kann ein Café Surprise bestellt werden.

Kenneth Nars

Wer von Armut betroffen ist, kann sich so gratis eine warme Tasse holen und gleichzeitig am sozialen Stadtleben teilnehmen. «Der finanzielle Aspekt steht nicht zwingend im Vordergrund, fast noch wichtiger ist die Möglichkeit der sozialen Teilhabe», beschreibt Andreas Jahn, Leiter des Café Surprise, die beiden Grundpfeiler des Projekts.

Pro Monat und Betrieb gehen durchschnittlich zehn Kaffees auf diesem Weg über die Ladentheke, 2019 waren es in der Schweiz also rund 8000. Für das laufende Jahr rechnet Café Surprise mit 10000 Stück. Auch, weil die angeschlossenen Betriebe seit der Corona-Pandemie um 10 Prozent zugenommen haben. In Basel ist ein Restaurant dazugekommen, das Tellplatz 3.

Pandemie als Wendepunkt für Tellplatz 3

Die Coronakrise war für Simone Busch, Geschäftsführerin des Tellplatz 3, eine schwierige Zeit. Um auch nach dem Shutdown noch bestehen zu können, war das kleine Restaurant im Gundeli auf Spenden angewiesen. Fast 17000 Franken wurden insgesamt über ein Crowdfunding-Portal gesammelt.

Auch jetzt, einige Monate später, ist Simone Busch noch sichtlich berührt von der Solidarität, die ihr und dem Restaurant entgegengebracht wurde. Für sie stand fest, sie möchte ebenfalls anderen in Not helfen. «Ich erinnerte mich daran, dass eine Mitarbeiterin mich vor einiger Zeit auf das Projekt Café Surprise aufmerksam gemacht hatte und dann wurde mir klar: Jetzt muss ich etwas zurückgeben.»

Im Flore an der Klybeckstrasse gibt es ebenfalls spendierte Kaffees.

Im Flore an der Klybeckstrasse gibt es ebenfalls spendierte Kaffees.

Kenneth Nars

Seit Mitte Mai wurden im Tellplatz 3 zwar über 120 Tassen gespendet, die Nachfrage halte sich aktuell aber noch in Grenzen. Das dürfte am noch eher kleinen Bekanntheitsgrad des Projekts liegen. Am Freitagnachmittag war auf der kleinen Schiefertafel bei der Kasse zu sehen, dass aktuell 38 Kaffees für Bedürftige gesponsert wurden, neun wurden eingelöst. «Wir haben Freude an jedem, der vorbeikommt, niemand muss scheu oder zurückhaltend sein. Die Bedürftigen sollen spüren, dass auch sie hier willkommen sind.»

Es ist ein Nehmen und ein Geben

Mitglied der ersten Stunde ist das Café Elisabethen. Seit 2014 können Kaffees bezogen werden. Solidarität steht auch für Jörn Schärer, Inhaber des Cafés, an oberster Stelle. Speziell schön sei es, wenn etwas zurückkomme. So geschehen bei einem Mann, der über längere Zeit bedürftig war und sich regelmässig eine Tasse Kaffee in der Offenen Kirche Elisabethen holte. Als es für ihn finanziell wieder bergauf ging, kam er vorbei und deponierte gleich 70 Franken für das Projekt.

«Ich finde es eine tolle Sache, vor allem weil dadurch auch die Anonymität der Bedürftigen gewährt wird»

Die Bäckerei KULT beteiligt sich an ihren beiden Standorten an der Riehentorstrasse im Kleinbasel und an der Elsässerstrasse im St. Johann schon seit über zwei Jahren am Projekt Café Surprise. «Ich finde es eine tolle Sache, vor allem weil dadurch auch die Anonymität der Bedürftigen gewährt wird«, sagt Co-Geschäftsleiter Leon Heinz.

Bestellt jemand einen Café Surprise in der Bäckerei KULT, wird nicht nachgefragt, wieso er oder sie sich den Kaffee nicht leisten kann. Alle Beteiligten verfolgen hier denselben Kodex. Schliesslich ist die Armut in der Schweiz grösstenteils unsichtbar, da man sie vielen Bedürftigen nicht auf den ersten Blick ansieht.

Basis sei gegenseitiger Respekt

Im Kleinbasel befindet sich die Bäckerei KULT in unmittelbarer Nähe zur Gassenküche, der Standort im St. Johann vis-a-vis des Vereins Gassenküche Schwarzer Peter. Deshalb würde der Grossteil der gesponserten Kaffees von Obdachlosen bezogen werden. In den allermeisten Fällen würde es reibungslos funktionieren, so Heinz. «Wir hatten aber auch schon die Situation, dass jemand vier Café Surprise zum Mitnehmen bestellt hat und das gleich drei Tage hintereinander. Dann sagen wir schon auch, dass das so nicht geht.»

Auf die Frage, ob das Projekt ausgenutzt werde, antwortet Andreas Jahn vom Verein Surprise: «Wir propagieren ein positives Menschenbild.» Auch Jörn Schärer vom Café Elisabethen ist sich sicher, dass die Hemmschwelle hierfür viel zu hoch sei. «Es stehen immer mehr Menschen am Rande der Gesellschaft, auch durch die Corona-Pandemie», bekräftigt Jahn die Notwendigkeit des Projekts.

Der Sommer klopft zwar nochmals an, trotzdem sind die kalten Tage nicht mehr so weit entfernt – eine Zeit, in welcher das Projekt immer mehr als genug dankende Abnehmer findet – die meisten davon sind Stammgäste.

Hinweis

Liste der beteiligten Cafés: www.surprise.ngo/cafesurprise