Zum 500-Jahr-Jubiläum zeigt das Museum für Geschichte eine Ausstellung, die sich dem Leben des Erasmus von Rotterdam widmet. Lateinische Aussprüche werden mit Smartphones und Tablets wieder zum Leben erweckt – auf Deutsch.
«Ich weiche keinem», so lautete der oft zitierte Ausspruch des Desiderius Erasmus von Rotterdam. Er war Humanist, Chorherr, Reisender, Reformator und Autor. Vor genau 500 Jahren kam er nach Basel und verbrachte mehr als ein Jahrzehnt hier und wurde nach seinem Tod im Münster beigelegt. Unter anderem sorgte sein hier in Basel gedrucktes «Novum Instrumentum» für Aufmerksamkeit (siehe Infobox).
Das 500-Jahr-Jubiläum zelebriert das Museum für Geschichte mit der Ausstellung «Schrift als Sprengstoff», die am 20. Mai beginnt und sich dem Leben von Erasmus widmet. Der Titel der Ausstellung weist auf das zentrale Thema hin: Das Wirken des Erasmus zu erhalten und zu beleben.
Erasmus von Rotterdam wurde wohl zwischen 1466 und 1469 in Rotterdam, als zweiter unehelicher Sohn eines Priesters und dessen Haushälterin geboren. Prä- gend für seine Zukunft waren die Jahre 1478 bis 1485, in denen er an einer Lateinschule unter den Humanisten Alexander Hegius und Synthius studierte. Frankreich, England, Italien und Deutschland zählen zu seinen bereisten Ländern, in denen er ebenfalls mit seinen Ansichten wirkte. 1514 kam er nach Basel. Sein bekanntestes Werk – es wurde in Basel gedruckt – ist das «Novum Instrumentum». es handelt sich um seine Edition des von ihm ins Latein übersetzte, kritisch hinterfragte und kommentierte Neue Testament. Damit schuf der Humanist, der zeitlebens Katholik blieb, den Weg für die Erforschung der Bibel. Er ebnete die Basis für den Durchbruch von Luther und Zwingli. Das «Novum Instrumentum» erschien später auf der Liste der verbotenen Werke. Auch bekannt ist «Das Lob der Torheit». In diesem Werk ist seine kritische und latent spöttische Haltung gegenüber der kirchlichen Institution bemerkbar. Nach Schätzungen hat Erasmus etwa 150 Bücher geschrieben, andere Quellen besagen, er habe durchschnittlich 1000 Wörter pro Tag auf das Papier gebracht. Er hat ausschliesslich in Latein und Griechisch geschrieben. Laut Christine Christ, Erasmus-Spezialistin, vertrat er neben der kritischen Haltung und dem Ideal, dass auch das Volk Zugang zur Bibel hat, weitere Ansichten: Er forderte zu Toleranz gegenüber Andersgläubigen auf, setzte sich für eine hinterfragende Haltung der Bibel gegen- über ein, um Dogmen zu verhindern, wollte Menschenrechte gegen den Krieg verwenden und sprach sich gegen Vorurteile aus. Er wollte Gegensätze überwinden. Das Verbot seines «Novum Instrumentum» ist ein Beweis dafür, dass er den Nerv der Zeit getroffen hatte. Der Erasmusplatz, das Erasmushaus, das Erasmus-Programm und schliesslich die aktuelle Ausstellung des HMB verweisen auf die Wirkungskraft seiner Person. «Ich werde Basel immer Wohl wollen», sagte er 1529, als er Basel verliess. 1535 kehrte er wieder zurück und verstarb am 12. Juli 1536. Beigesetzt wurde er im Basler Münster. (WAL) E
In ganz Basel werden seine Zitate, heute so was wie ein Facebook-Status, zu sehen sein. Das Ziel der Aktion ist, das Gedankengut des Erasmus in die heutige Zeit, in die Gegenwart zu projizieren. Dafür hat das Museum für Geschichte ein Paket aus mehreren Elementen zusammengestellt. Wie Gudrun Piller sagt: «Es handelt sich nicht bloss um eine Ausstellung, sondern um ein Projekt» und meint damit den Umstand, dass der Interessierte einerseits die Ausstellung in der Barfüsserkirche besichtigen kann, andererseits sich auch durch den «Urban Erasmus Trail» mit der historischen Figur auseinandersetzen kann.
Die Idee ist simpel: Mit dem eigenen Smartphone (gegen Depot stellt das Museum Leihgeräte zur Verfügung) geht’s beim Barfi los. Das Hörspiel lotst einen durch öffentliche und halböffentliche Räume der Basler Innenstadt. Die Teilnehmenden erleben eine «überdrehte Geschichte mit Krimi-Charakter», laut Marcel Henry, Kurator der Ausstellung. Das Gedankengut wird erfahrbar, durch die Handlungsanweisungen werden die Besucher selbst aktiv. «Es erwarten den Besucher 20 Interventionen», informiert Oliver Hangl, der Konzeptkünstler des Trails. Die Kulturreise dauert zirka 60 Minuten, dazu werden ein bluetoothfähiges Smartphone und ein Stadtplan benötigt. Das Hörspiel läuft über die speziell für diese Ausstellung entwickelte App «Erasmus MMXVI», was so viel wie Erasmus 2016 bedeutet.
In der Barfikirche wird der Besucher nicht minder aktiv: Mit einem Leihgerät (Tablet oder Smartphone) lernt er Erasmus virtuell kennen. Dabei schreitet er durch die Kirche und richtet das Tablet auf eine Art Lesezeichen am Boden oder an den Wänden. Nach Erkennung des Lesezeichens unterrichtet ein Hörspiel über die historische Figur. Dieses Programm läuft ebenfalls über die Ausstellungsapp. Das Museum für Geschichte rühmt sich nicht nur über die neue Technologie. Es verfügt über eine weltweit einzigartige Anzahl an persönlichen Gegenständen des Erasmus, die jetzt in einem neuen Kontext gezeigt werden. Ausserdem kann die ebenfalls eigens erstellte Schrift, die der Handschrift von Erasmus anlehnt, heruntergeladen werden.
Beide Elemente des Projekts, der Trail und die Ausstellung in der Kirche, wirken neuartig, modern. Zum ersten Mal setzt das Historische Museum Basel auf «Virtual and Augemented Reality». Bei diesem Konzept dienen 70 Tablets und Smartphones als interaktives Medium, das den Besucher auf virtueller Ebene näher an die historischen Fakten heranbringt.
Die virtuelle Ebene besteht nicht bloss aus dem Hörspiel. Hinzu kommen Animationen und ein 3-dimensionaler Raum, der durch einen Schwenk des Geräts entdeckt wird. Ohne Computer läuft nichts. «IT-mässig haben wir noch Startprobleme», sagt Henry, bleibt aber zuversichtlich.
Bekanntlich kosten technische Geräte und Programmierarbeit Geld. «Im sechsstelligen Bereich», sagt Gudrun Piller. Konkrete zahlen will sie keine nennen. Sie versichert aber, dass ein fünfstelliger Betrag durch Drittmittel bereitgestellt wurde: «Über die Hälfte der Kosten sind durch Drittmittel gedeckt.» Dass dieses immense Paket an Technologie genau nach der Bekanntgabe des irregulären Defizits bekannt wird, wirft Fragen auf.
Anscheinend orientiert sich das Museum am Zitat des Erasmus und weicht tatsächlich keinem. Ausser der Sprachbarriere: Aufgrund der finanziellen Limiten gibt es die Hörspiele bloss in deutscher Fassung.