Pedro Torres betreibt von Basel aus ein kubanisches Airbnb. 2000 Privat-Unterkünfte vermietet seine Firma «Abuc» derzeit im sozialistischen Inselstaat - und es sollen noch mehr werden.
Als sich Pedro Torres mit 24 Jahren entschied, nicht in Havanna, sondern in Europa zu studieren, wusste er noch gar nicht, wo die Schweiz genau liegt. Das Land, in dem er nun seit zwölf Jahren lebt und in dem er eine Familie gegründet hat. Das Land, von dem aus er «MyCasaParticular.com» betreibt, die grösste Buchungs-Plattform für Privat-Unterkünfte auf der Karibik-Insel.
Hauptsitz seiner Firma ist eine umgebaute Garage an der Peter Merian-Strasse beim Bahnhof SBB. Im hohen Raum riecht es nach Kaffee, der Hund der Empfangsdame streift unter den Pulten durch, auf der Suche nach einem Spielpartner. Ein Dutzend Angestellte sitzt an der Arbeit. Sie gehören zu einem Architektur-Büro, das hier eingemietet ist. Torres selber beansprucht nur zwei Arbeitsplätze für seine GmbH namens Abuc (Cuba rückwärts geschrieben): Einen für ihn selber als Geschäftsführer, einen für den Praktikanten.
Doch das könnte sich ändern: Abuc soll wachsen.
In Kuba hat Torres vier Büros und beschäftigt fünfzig Mitarbeiter – oder Freelancer, wie er es nennt, denn das klassische Angestelltenverhältnis sieht der real existierende Sozialismus offiziell nicht vor, jedenfalls nicht für Privatunternehmen. «In Kuba», sagt der 36-Jährige, «ist eben alles ein wenig anders, ein bisschen komplizierter.»
Haupt-Einnahmequelle von Abuc ist besagtes «MyCasaParticular.com», eine Art kubanisches Airbnb: Auf der Website können Sonnenhungrige Ferien bei Kubanern buchen, weltweit und bequem von zu Hause aus. Zurzeit stehen gegen 2000 Privat-Unterkünfte, also Zimmer in Wohnungen oder Häusern, zur Auswahl. Tönt einfach – bedeutete für Kuba aber eine kleine Revolution: Touristen bei Kubanern am Küchentisch, das war bis zur Gründung von «MyCasaParticular» vor sechs Jahren nur unter hohen Umständen möglich. Zum Vergleich: Airbnb, die weltweit grösste Buchungs-Plattform für Privatunterkünfte, ist erst seit wenigen Monaten tätig im Inselstaat mit seinen elf Millionen Einwohnern.
«Wer bei uns bucht, kommt nicht in die anonyme staatliche Ferien-Exklave Varadero, sondern zu den Menschen nach Hause», wirbt Torres für seine Dienstleistung. Vorteil für die Gastgeber: Sie können sich ein Zubrot verdienen. «MyCasaParticular» verzeichnet laut Torres derzeit bis zu 500 Buchungen pro Tag, rund 20'000 Kunden hätten vergangenes Jahr über die Seite gebucht.
Darüber, wie er es geschafft hat, solch ein Business aufzubauen in einer staatlich kontrollierten Planwirtschaft, die private Initiative gewöhnlich im Keim erstickt, sagt Torres: «Du musst es versuchen, du darfst dich von der Bürokratie nicht abschrecken lassen, dann geht es.» In Kuba sei viel mehr möglich, als man hierzulande denke, sagt der Unternehmer – und das nicht erst seit Fidel-Castro-Abtritt, US-Annäherung, Obama-Besuch und Rolling-Stones-Konzert in Havanna. «Wir waren das zweite Privat-Unternehmen auf Kuba mit einem Internet-Anschluss. Wir haben das einfach gemacht.»
Kuba sei das wahre Land der unbegrenzten Möglichkeiten, ist Torres überzeugt – aber es brauche Cleverness und Durchhaltevermögen. Mit Bestechung oder Ähnlichem arbeite er nicht. Das sei ein Teufelskreis, betont Torres: «Wenn Du damit mal anfängst, kannst Du nicht mehr aussteigen.» Beziehungen jedoch, die seien existenziell in der kubanischen Bürokratie. «Wenn ein Beamter sieht, dass Du etwas Gutes tust, dass es Hand und Fuss hat und die Einheimischen profitieren, dann legt er Dir keine Steine in den Weg.»
Auf Goodwill der Behörden hofft Torres, der aus einer Mittelstandsfamilie stammt, mit zwei weiteren Projekten für den Inselstaat: Ein elektronisches Zahlungssystem will er entwickeln – noch immer kann man in Kuba fast nirgends mit Kreditkarte bezahlen. Später will er auch eine Spedition aufbauen. Wenn es sein müsse, beginne er klein, sagt Torres trotzig: Mit ein paar Velos.
Dass er einen langen Atem hat, bewies Torres in der Schweiz, in die es ihn wegen der Liebe verschlug und deren Staatsbürgerschaft er mittlerweile besitzt. Um sich seine Deutschkurse finanzieren zu können, jobbte er als Kellner. Da er in Havanna Tourismus-Fachmann gelernt und daneben das Gymnasium abgeschlossen hatte, war er überqualifiziert. «Doch ich war froh, einfach arbeiten zu können», sagt Torres, der neben Hochdeutsch mittlerweile auch Dialekt spricht. «Und ich konnte die Mentalität der Schweizer kennenlernen.»
Später arbeitete er im «Les Trois Rois» und studierte an der Höheren Fachschule für Wirtschaft in Basel Betriebswirtschaft. Die Ehe mit der Prattlerin ging vor zwei Jahren zu Bruch. Doch Torres blieb in der Schweiz – nicht zuletzt, um für seinen vierjährigen Sohn da zu sein.
Der Deutsch-Lektüre hat Torres zu verdanken, dass er sein unternehmerisches Vorbild kennen gelernt hat: Gottlieb Duttweiler. Er wälzte dessen Biografie von Curt Riess. Und hat dabei Parallelen zwischen «Dutti» und ihm entdeckt. Auch der Migros-Gründer habe angeeckt, habe sich durchsetzen müssen, sagt Torres: «Der hatte es damals in der Schweiz nicht einfacher als ein Unternehmer heute in Kuba. Aber Duttweiler liess sich nicht aufhalten. Darum geht es doch.»