Entfremdung
FCB-Marketing-Direktor: «Wir werden E-Sports nicht den Stecker ziehen»

Patrick Jost spricht im Interview über die Zukunftspläne im E-Sports, Imageschäden durch Influencer und wie man der Entfremdung von Fans und Klub entgegenwirken will.

Sébastian Lavoyer und Benjamin Rosch
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«Bei Schalke haben 50'000 Leute geklatscht, als sie einen ihrer E-Sportler nach einem Sieg im Stadion präsentierten.» Patrick Jost, FCB-Marketing-Direktor

«Bei Schalke haben 50'000 Leute geklatscht, als sie einen ihrer E-Sportler nach einem Sieg im Stadion präsentierten.» Patrick Jost, FCB-Marketing-Direktor

zvg

Herr Jost, unter Ihrem Vorgänger, Martin Blaser, stieg der FCB ins E-Sports-Business ein. Ganz zum Unmut der Fans. Ihre Forderung ist klar: «E-Sports dr Stegger zieh». Machen Sie das?

Patrick Jost: Nein, wir ziehen es nicht in Betracht, den Stecker zu ziehen. Wir werden uns weiter engagieren. Aber wir nehmen die Fans ernst, wir haben den Protest wahrgenommen und stehen im Dialog. Es geht uns auch darum, ihnen zu erklären, warum wir uns engagieren.

Warum denn?

Die Entwicklung des E-Sports ist schwer aufzuhalten. An den Asien-Spielen 2022 ist E-Sports eine Disziplin. Das IOC debattiert darüber, ob es 2024 olympisch werden soll. Der Zug ist schon in hohem Tempo unterwegs. Für uns ist es auch eine von mehreren Möglichkeiten, unabhängiger zu werden von Transfereinnahmen und Uefa-Wettbewerbsteilnahmen.

Sie waren selbst Fussballprofi beim FC Luzern. Widerstrebt Ihnen diese Entwicklung nicht?

Ich bin fasziniert, was in dieser Welt vor sich geht. Das hat Dimensionen angenommen, die man vor ein paar Jahren noch nicht für möglich hielt.

Sie möchten den FCB wieder näher an seine Fans bringen. Mit E-Sports aber entfremdet man sich.

Das sehe ich anders. Es gibt in der Region auch viele Jugendliche, die Fifa spielen und sich über dieses Spiel mit Fussball auseinandersetzen. Das hat man letzte Woche an der Muba gesehen. Da konnten die Kinder Schulter an Schulter mit ihren Idolen aus der ersten Mannschaft spielen.

Wenn Sie die Messe ansprechen: Ihr E-Sports-Event wurde torpediert.

Wir müssen ja nicht um den heissen Brei herumsprechen: Gewisse Leute haben sich mit falschen Accounts angemeldet. Das können wir nicht gutheissen. Da hat man Kindern und Jugendlichen eine Chance genommen und auch unsere Absicht, Nähe zu schaffen, sabotiert.

Kennen andere Klubs, die E-Sportler engagiert haben, ähnliche Probleme?

Nein, ich glaube, da stehen wir schon ziemlich alleine da. Schalke hat vor einigen Wochen zum Beispiel einen seiner E-Sportler geehrt mit einem Auftritt im Stadion. Da haben 50 000 Leute geklatscht. Das würde es bei uns kaum geben.

Transparente in der Kurve, Schmierereien an der Geschäftsstelle – wie geht es Ihnen persönlich dabei?

Vandalismus können wir natürlich nicht gutheissen. Solche Dinge gehen nicht spurlos an mir und den Mitarbeitern auf der Geschäftsstelle vorbei. Die Transparente sind etwas anderes: Die Kurve hat das Recht sich so zu Themen der Vereinspolitik zu äussern, kein Zweifel.

Trotz der Kritik: Hat Ihr E-Sports-Engagement auch positive Auswirkungen?

Was wir messen können: Wir haben in den letzten Monaten durch die Thematik über 20 Millionen Medienkontakte generiert. Über unsere Kanäle, über die unserer Spieler und die Berichterstattung der Medien.

Und Einnahmen?

Ja, es ist nicht ganz selbsttragend, aber es zahlt sich schon aus. Wir haben Partner, die hier grosses Potenzial sehen.

Während sich viele vor der Digitalisierung fürchten.

Es ist ein Phänomen, das die ganze Gesellschaft und damit auch den Fussball betrifft. Eines aber ist wichtig: Digitalisierung ist nicht gleich Kommerzialisierung. Wir haben mit «Meine Tickets» in der offiziellen FCB-App eine Möglichkeit geschafft, dass man seine Jahreskarte digital weitergeben kann. Da geht es darum, durch eine Dienstleistung Mehrwert zu schaffen, nicht um Einnahmen.

Und die No-Show-Quote zu verringern.

Das hoffen wir natürlich. Wir sind auch im Austausch mit einem Experten, der sich um dieses Thema kümmert. Wir wollen die Gründe kennen, warum die Leute teilweise nicht ins Stadion kommen.

Sind die Ticketpreise ein Thema?

Wir erhöhen die Preise sicher nicht, solange wir so viele freie Plätze haben. Da wäre es ein Fehler, irgendetwas an der Preisstruktur zu ändern.

Der FCB hat unlängst erstmals mit Influencern zusammengearbeitet, um das Legendenspiel zu bewerben. Das lief nicht gerade glücklich, oder wie beurteilen Sie das?

Die Kampagne ist sicher nicht so herausgekommen, wie wir uns das erhofft hatten. Da waren wir zu wenig sensibel. Die Fans können versichert sein, dass uns so etwas nicht noch einmal passiert.

Verzichtet man künftig auf Influencer?

Das möchten wir uns offenhalten. Wenn wir wieder mit Influencern zusammenarbeiten, dann werden wir diese sicher sorgfältiger auswählen, denn das Image des FCB hat unter der Aktion gelitten. Das darf nicht wieder geschehen.

Was machen Sie dagegen?

Wir wollen für positive und sympathische Schlagzeilen sorgen. Das ist uns kürzlich mit unserer Anzeige und der Gratulation zum Meistertitel von YB gelungen. Das hat Goodwill generiert.