Ein-Blick
Fermentationslabor im Gundeli: Sie geben Gemüse eine zweite Chance

Ein-Blick in Matteo Leonis Fermentationslabor im Gundeli. In der Rubrik «Ein-Blick» gewährt die «Schweiz am Wochenende» den Lesern Einblick in die Mikrokosmen unserer Gesellschaft. Die Redaktoren beleuchten lustige Vereine, angefressene Sammler oder abgedrehte Nerds. Natürlich kann sich melden, wer sich angesprochen fühlt.

Lucas Huber
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Petra Körner und Matteo Leoni kämpfen mit ihren Produkten gegen die Lebensmittelverschwendung an.

Petra Körner und Matteo Leoni kämpfen mit ihren Produkten gegen die Lebensmittelverschwendung an.

Lucas Huber

«We give veggies a second chance», sagt Matteo Leoni auf Englisch, der Italiener aus Mailand, der nun in Basel lebt und dessen Gesicht ein voller Bart aus makellosem Schwarz umrahmt. «Wir geben Gemüse eine zweite Chance». Denn rund ein Drittel aller Lebensmittel wird nicht gegessen. «Ein Riesenproblem», sagt Leoni entsprechend. Also rief er «pureTaste» ins Leben.

Mit Partnerin Petra Körner fermentiert er seither gegen die Lebensmittelverschwendung an.
Dafür klappert er Gemüsebauern ab, um deren Überproduktionen abzukaufen, das Krumme und Unverkäufliche, das leicht Beschädigte, das Schorfe. Das kann Kohl sein oder Spargel, Tomaten oder Karotten, Kohlrabi oder Zwiebel. Und Randen, Radieschen oder Rettich. Daraus erschafft er Neues. Und zwar nicht mit hippen Rezepten und Zutatenlisten, die Etikettengrössen sprengen.

Statt mit teuren Zutaten arbeitet Leoni nämlich mit Bakterien. Der gelernte Koch, der in Gourmetrestaurants arbeitete, fermentiert. Und zwar wild. Das heisst: keine Pasteurisation. «Die ganzen guten Stoffe, die bei der Fermentation entstehen, werden durchs Pasteurisieren getötet. In unseren Gläsern leben sie.»

Das riecht man auch beim Betreten seines «Labs» im Gundeli, wo er grübelt und pröbelt und tüftelt und seine Gärfässer lagern. Denn wer schon mal Kimchi im heimischen Kühlschrank aufbewahrte, weiss genau: Das Zeug verströmt sein Odeur nicht nur durch die verschweisste Packung hindurch, sondern auch durch das festverschraubte Glas.

Profit bleibt Nebensache

Wenn Matteo Leoni seine Fermentationserzeugnisse verkaufen will, müssen sie schmecken. Was umstandslos zum Namen seines Start-ups führt. Und zur Überzeugung, dass an Gemüse, das der Handel verschmäht, nichts auszusetzen ist. Weder an Gurken, für die die Natur offensichtlich kein steckengerades Wachstum vorgesehen hat, noch an zweifüssigen Karotten, zu klein geratenen Kohlrabi oder überschüssigen Randen.

Im vergangenen November hat Leoni seine Passion damit zur Mission gemacht, Grafikerin Körner zieht mit. Die Wirtschaftlichkeit bleibt dabei Nebensache. Denn wer den beiden so zuhört, für den umreisst sich diese Mission ziemlich klar. Vereinfacht lautet sie: für eine bessere Welt. Das sagen sie natürlich nicht, aber das hört man raus. Was sie an Gemüse übrig haben, verschenken sie zwar nicht, doch einen Fixpreis gibt es auch nicht: Man zahlt, was einem angemessen erscheint.

Rund 40 Produkte umfasst Leonis Sortiment: Spicy Lauch, Kimchi aus Kohl, schwarzer Rettich in Rauchtee, Randen-Meerrettich-Aufstrich. Und weil die Lebensmittelverschwendung auch vor Tieren keinen Halt macht, entstehen im Gundeli auch in Bier gekochte Schweinehaxen, «Ochsenschwanz alla Vaccinara» oder die «Pensionierte Legehenne». Wer die Zutatenliste liest, erkennt den Schalk der beiden Beteiligten: Sie sprechen nicht von biederem «Hühnerfleisch», sondern von der «Legehenne ohne Aufgabe». Wie alle anderen Zutaten kommt übrigens auch sie aus der Region Basel.