Fotoessay
Die Kunst des Abstandhaltens in Pissoirs

Was wird von der Pandemie einmal bleiben? Vielleicht die Erinnerung daran, wie Gastronomen kreativ versuchten, die Männer auf ihren Toiletten auf Distanz zu halten.

Patrick Marcolli (Text) und Roland Schmid (Bilder)
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7 Bilder

Was bleibt, wenn einmal alles vorbei ist? Die Corona-Pandemie wird viele grosse Spuren hinterlassen: In der Politik, die auf nationaler Ebene stärker scheint denn je. Bei vielen Politikern, deren Neigung zur Selbstherrlichkeit und zu autokratischem Führungsstil gestiegen ist. Bei Wissenschaftlern, die in der mRNA-Technologie bereits ein Allerheilmittel erkennen. Bei der Pharma, die den grossen Reibach gemacht hat. Im Kulturbereich, der erkennen muss, dass er kaum als systemrelevant gilt. Bei den Gastronomen, die sich gewiss sein dürfen, auch in der nächsten Pandemie staatliche Unterstützung zu bekommen. Bei den Jugendlichen, die in dieser Zeit auf mehr verzichten mussten, als ihnen als Erwachsene dereinst lieb sein dürfte.

Doch es gibt eben auch die kleinen Spuren. Die Spuren, welche die Massnahmen gegen Corona im Alltag der Menschen hinterlassen haben und hinterlassen werden. Die psychologischen zuvorderst, das Misstrauen gegenüber anderen, die Angst vor potenziellen Virenträgern, vor Hustenden. Die Intoleranz gegenüber jenen, die nicht alle Massnahmen mittragen mögen und es wagen, Fragen zu stellen. Die verstärkte Blockwart-Mentalität und der Wille zur Denunziation. Die noch grössere Angst vor dem Sterben und dem Tod. Die noch grössere Vereinsamung. Und ja, ganz am Ende der Aufreihung der Pandemiefolgen stehen jene Spuren, die den äusseren Alltag der Menschen geprägt haben werden. Die Schutzmasken, die Desinfektionsspender, das Homeoffice, die Online-Konferenzen.

Und natürlich die Abstandsregeln. Wie lange und wie fest werden diese sich in unseren Köpfen festsetzen? Wann werden wir wieder ohne zu zögern jemandem die Hand schütteln oder jemanden umarmen? Die Bilderserie von bz-Fotograf Roland Schmid soll ein Zeitdokument sein, das uns an die Tage der Pandemie erinnern soll und an die lustigen, strengen, übertriebenen, ironischen oder laschen Versuche von Menschen, ihre Zeitgenossen irgendwie auf Distanz zu halten. Die Fotos sind allesamt in Pissoirs von Basler Beizen entstanden. Sie sollen in uns durchaus ein zwiespältiges Gefühl auslösen: Einerseits mussten wir uns den Regeln der Pandemiebekämpfung sogar in einem intimen Bereich beugen. Anderseits waren viele dieser Regeln derart hirnrissig, dass wir dereinst darüber werden schmunzeln können. So wie über diese Bilder hoffentlich jetzt schon.