Bethesda-Spitals
Frauenklinik ist auf Kurs: «Umbau und Umzug waren schon sportlich»

Die Spital-Landschaft in der Nordwestschweiz ist im Umbruch. Per 1. Februar ist die Frauenklinik vom Bruderholz-Spital ins Bethesda-Spital gewechselt. Die ersten Monate seien etwas harzig – doch man sei auf Kurs.

Benjamin Wieland
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Mit rund 500 zusätzlichen Geburten in der neuen Frauenklinik rechnet die Leitung des Bethesda-Spitals für das laufende Jahr. Bild: Schon seit 1939 steht das Privatspital im Basler Gellert-Quartier.

Mit rund 500 zusätzlichen Geburten in der neuen Frauenklinik rechnet die Leitung des Bethesda-Spitals für das laufende Jahr. Bild: Schon seit 1939 steht das Privatspital im Basler Gellert-Quartier.

Juri Junkov

Am 1. Februar hat die Frauenklinik des Bruderholzspitals am neuen Standort im Bethesda-Spital ihre Arbeit aufgenommen. Seither sind über vier Monate vergangen. Wie geht es dem Baby?

Thomas Rudin: Wer ist das Baby und wer ist die Mutter?
Die Mutter ist das Bethesda-Spital. Das Kind die Geburtsabteilung.
Rudin: Der Mutter geht es gut. Dem Baby auch. Den Erwartungen entsprechend hat sich das Kind, wenn man es so nennen will, gut entwickelt. Wir sind auf Kurs. Die Fokussierung, die wir angestrebt haben, findet statt. Wenn man ganz grob die Prognose stellt: Alle Punkte, die man auch auf personeller Ebene im Vorfeld diskutiert hat, haben sich gelöst.

Und die Zahlen?

Rudin: Auch da können wir Positives berichten. Die Belegung hat sich den Prognosen entsprechend entwickelt.

Können Sie präziser werden? Bei der Präsentation der Geburtsabteilung am 4. Februar wurde mit Freude die Niederkunft von Ayan erwähnt, das sei das erste Baby gewesen, das in der neuen Geburtsabteilung das Licht der Welt erblickt habe, 51 Zentimeter gross, 2920 Gramm. Wie viele sind Ayan gefolgt?

Rudin: Per Ende Mai zählten wir 684 Geburten. Das ist die Gesamtzahl seit Januar, enthalten sind auch alle Geburten, welche die Belegärztinnen und -ärzte betreut haben. Sie stellen weiterhin die Mehrheit. Insgesamt sind es in dieser Zeitspanne 182 Geburten mehr als im Vorjahr.

David Hänggi: Würde man das aufs ganze Jahr hochrechnen, so kommen wir auf 500 zusätzliche Geburten im Vergleich zum Vorjahr. Das ist ein guter Wert, denn die ersten Monate verlaufen erfahrungsgemäss etwas harzig. Das neue Angebot muss sich ja zuerst etablieren.

Auf dem Bruderholz verzeichnete die Frauenklinik bis 700 Geburten pro Jahr. Warum kommen nicht alle künftigen Eltern ins Bethesda mit?

Hänggi: Wie gesagt, das geht nicht so schnell. Geben Sie uns noch zwei Jahre Zeit. Und dann ist es so, dass einige hierher wechseln, aber dann zu einem Belegarzt gehen. Das heisst, dass auch die Belegärzte mehr Geburten haben wegen uns.

Rudin: Diese Entwicklung belegen die Zahlen: Auch die Belegärzte hatten im Vergleich zu den fünf Vorjahresmonaten 50 Geburten mehr. Schon früher haben Bethesda-Belegärzte Patientinnen dem Bruderholz-Spital zugewiesen. Diese bleiben jetzt geografisch an Ort.

Kann das Bethesda die neuen Geburten überhaupt bewältigen? Es wurde ja kritisiert, dass es zu wenige Gebärzimmer gebe – das Bethesda hat derzeit vier, das Bruderholz hatte zuvor drei.

Rudin: Der vierte wurde per Ende März fertig. Zurzeit reichen die vier Säle aus. Wir schauen den Bedarf aber laufend an und könnten zeitnah reagieren, wenn das notwendig wäre.

Vor dem Start der Geburtsabteilung wurde immer wieder kritisiert, die Geburtenabteilung im Bethesda sei eine Frühgeburt – die Zeit für die Vorbereitungen reiche nicht, die Termine seien zu knapp angesetzt, die Gewerkschaft VPOD sprach von einer «Blackbox». Wie sind die Rückmeldungen bisher?

Hänggi: Die Umsetzung des Wechsels, der Umbau hier und der Umzug waren sehr sportlich, das muss man so sagen. Aber jetzt sind wir fast komplett hier, wir sind ein eingespieltes Team. Das ist ein grosser Vorteil: Die Mitarbeiter, die ins Bethesda wechselten, kennt man, sind in der Region verankert. Auch die Zusammenarbeit mit den Belegärzten läuft sehr gut. Dass anfangs Skepsis herrschte, das gewisse Ängste vorhanden waren, das ist normal und verständlich.

Am Bethesda-Spital gibt es nun eine Konstellation, die in der Schweiz wohl ziemlich einmalig ist: Belegarzt-System und ein Team aus Klinikärzten mit Chefarzt-System vermischen sich. Es hiess, dass die Kaderärzte den Belegärzten helfen würden. Funktioniert das?

Hänggi: Ja. Das Angebot wird genutzt. Es sind auch schon einige Operationen gemeinsam durchgeführt worden. Wenn eine Belegärztin oder ein Belegarzt für einen bestimmten Eingriff unsere Assistenz wünscht, so sind wir dabei. Ansonsten hat sich für sie nichts geändert.
Rudin: Das war auch ein Statement, das wir zu Beginn abgegeben haben:
Es ist ein Service, den wir anbieten,
die Belegärzte können diesen Service in Anspruch nehmen, müssen aber nicht. Nach vier Monaten ist das gut angelaufen.

Sie nennen es «Service» – was ist darunter zu verstehen?

Hänggi: Das umfasst zum einen den 24-Stunden-Dienst. Wir haben rund um die Uhr einen Facharzt im Haus, der – ohne Anmeldung und Wartezeit für die Patientin – die Beschwerden abklärt. Das gab es bisher nicht. Wenn nun ein Notfall auftritt bei einer Patientin, die von einem Belegarzt betreut wird, dann kann er selber entscheiden, ob er diese selber betreuen und hier her kommen will, oder ob sie in die Obhut des Inhouse-Teams kommt. Dann gibt es viele weitere Möglichkeiten der Zusammenarbeit, etwa bei Operationen und neuen Techniken. Dann treffen wir uns regelmässig mit einer Belegarzt-Delegation, um Abläufe zu besprechen.
Die Idee ist auch, dass zum Beispiel medizinische Richtlinien gemeinsam entwickelt werden.

Rudin: Etwas Neues ist auch die Weiterbildung: Die Belegärzte können an den Weiterbildungen teilnehmen.

Es gab Kritik, dass von ursprünglich 94 Mitarbeitenden vom Bruderholz nicht alle mitgenommen werden konnten.

Hänggi: Warten Sie (überlegt): Am Einführungstag waren es 58.

Bethesda-Spital

Baselbieter sind in der Mehrheit

Der 1. Februar ist ein wichtiges Datum in der langen Geschichte des Basler Privatspitals Bethesda: Auf diesen Zeitpunkt hin wurde das bestehende frauenmedizinische Angebot mit dem Zuzug der Frauenklinik Bruderholz des Kantonsspitals Baselland (KSBL) massiv ausgebaut. Zwischen Ankündigung und Eröffnung lagen lediglich sechs Monate. Auch die Zahl der Mitarbeitenden ist seit Februar stark gestiegen. Ende 2015 zählte das Spital deren 611 – mit der Frauenklinik ist ein Zuwachs im höheren zweistelligen Bereich zu erwarten. 
Die Mehrheit der Patienten stammte schon zuvor aus dem Landkanton. 17'635 Baselbieter liessen sich 2015 im Bethesda behandeln, ihnen standen 15'336 Baselstädter gegenüber. 908 Patienten stammen aus der übrigen Schweiz und 142 aus dem Ausland.
Die Klinik an ihrem heutigen Standort im Gellert-Quartier wurde 1939 eröffnet. Privat-Pflegestationen und kleine Kliniken des Diakonats Bethesda, eines gemeinnützigen Vereins mit Sitz in Strassburg, gab es in Basel jedoch schon seit 1907.

Sie sagten vor dem Umzug, Herr Hänggi, Sie würden gerne Ihr gesamtes Team mitnehmen. Ein Drittel ist nun aber nicht mitgekommen.

Hänggi: Achtung, wenn wir von den Ärzten reden, dann ist das obere Kader komplett hier. Von den Assistenten ebenso. Bei den Oberärzten sind ausser einer alle mitbekommen, und drei sind am Bruderholz geblieben für die Sprechstunden, die wir dort weiterhin anbieten.
Rudin: Bei den Pflegenden gibt es Fälle, bei welchen Personen nicht wechseln wollten. Etwa, weil sie andere Angebote hatten. Es war ja keine Übernahme, was hier vonstattengegangen ist, sondern ein Neuaufbau. Mit dem KSBL gibt es eine Zusammenarbeits-Vereinbarung.
Das Bethesda hat im März bekannt gegeben, dass es keine Abtreibungen durchführen wird. Dies sei entgegen der Philosophie der Stiftung Diakonat Bethesda, der das Spital gehört.

Bleibt dies so?

Rudin: Ja. Wir bleiben bei der Regelung.

Hänggi: 99 Prozent der Abtreibungen werden ambulant vollzogen. Wir bieten weiterhin Abtreibungen an, so wie bisher im Bruderholz und in Liestal. Da bleibt also alles beim Alten.
Es wurde auch kritisiert, dass die Kapazitäten zu gering seien. Es gebe zu wenig Angebote in der Nordwestschweiz: drei öffentliche Player mit dem Kantonsspital Baselland in Liestal, dem Bethesda und dem Universitätsspital Basel. Dazu kommen diverse private Einrichtungen wie etwa das Geburtshaus Ita Wegman in Arlesheim.

Rudin: Wir wissen von keinen Patientinnen, die irgendwo anders untergebracht werden mussten, weil hier kein Platz frei war. Von dem her ist uns nichts bekannt, dass die Versorgung mit den heutigen Playern nicht hätte sichergestellt werden können. Das wäre sicherlich auch bei den Belegärzten ein Thema, diese Rückmeldungen wären rasch eingetroffen.

Hänggi: Ziel muss doch sein, dass wir in der Region eine vernünftige Versorgung hinkriegen. Vor zwei Jahren wurde die Geburtsklinik Laufen geschlossen –
wenige Jahre zuvor wäre das nochunvorstellbar gewesen. Nun ist die Frauenklinik Bruderholz zu. Wir haben jetzt noch drei stationäre Anbieter in der Nordwestschweiz: das Unispital, das Kantonsspital Liestal und wir. Nimmt man Rheinfelden noch dazu, haben wir vier Anbieter. Diese Zahl ist aus meiner Sicht ideal für die Region. Die Bündelung ist aus betriebswirtschaftlicher, aber auch medizinischer Sicht sinnvoll.

Rudin: Wichtig ist, dass in den verschiedenen Fachgebieten Kompetenzzentren gebildet werden. So wie wir es in den Bereichen Frauenmedizin und Geburtshilfe sind.