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Das gespannt erwartete Erstlings-Drama des Nachwuchstalents Gabriel Vetter ist am Freitagabend am Theater Basel uraufgeführt worden. Regisseur Simon Solberg hat die kniffligsten Aufgaben, die der Text aufgibt, klug und professionell gelöst.
Wie bringt man einen sprechenden Biber auf eine Bühne, ohne dass die Regisseurskarriere danach nur noch im Kindertheater weitergehen kann? Wie stellt man die Schweiz dar als einen aus lauter Klischeebildern nachgebauten Themenpark, ohne dass die Zuschauer sich im Heidi-Musical wähnen? Wie bringt man Schwung in ein Stück, in dem etwas gar viel geplaudert statt gehandelt wird?
Solche Probleme stellt der Dramatext «Der Park», der Theatererstling des diesjährigen Hausautors am Theater Basel: Gabriel Vetter (30), bekannt als Slam Poet und Salzburger-Stier-Träger. Am Freitagabend ist das Stück über die Schweiz als ein Disneyland für exklusive Touristen auf der Kleinen Bühne uraufgeführt und jubelnd beklatscht worden.
Regisseur Simon Solberg hat die kniffligsten Aufgaben, die der Text aufgibt, klug und professionell gelöst. Das Bühnenbild, ein brauner Umriss der Schweiz (Giovanna Bolliger), ist von äusserster Kargheit. Die Zuschauer werden zu Beginn gebeten, kurz die Augen zu schliessen und sich den ganzen Heidi-Klimbim rundum vorzustellen. Der Biber ist ein dickbauchiger Mann mittleren Alters, der trocken berlinert: Der deutsch-türkische Schauspieler Özgür Karadeniz stellt sich als ideale Besetzung heraus. Und das Straffen ist ohnehin Solbergs Spezialität: Wenn einer einen Klassiker wie Don Carlos auf zwei Stunden zusammendampft, so dürfte die Reduktion eines bisher unbekannten, streckenweise redundanten Texts ein Klacks sein.
Im Text nicht vorgesehen, aber bereichernd für den Abend sind die musikalischen und tänzerischen Einlagen: Özgür Karadeniz ist auch ein wunderbarer Sänger, der den Abend mit eigenen Interpretationen von «Con Toda Palabra» bis «Love will Tear us Apart» begleitet - er sitzt zudem am Schlagzeug, Barbara Lehr begleitet am Klavier. Die schöne Fremde aus Korea (Jürgen, helvetisch abgeleitet von Ngu-yen) ist die Tänzerin Andrea Tortosa Vidal.
Überheile Disneywelt
Im «Park» trifft die überbordende wortwitzige Fantasie Vetters auf die überbordende inszenatorische Fantasie Solbergs. Vetter hat eine grauslig-komische Anti-Utopie der Schweiz entworfen, indem vordergründig eine überheile Disneywelt und hintergründig (aber offensichtlich) der purste kapitalistischste Zynismus regiert.
Betrieben wird sein Park von einer Firma, die Landminen und Beinprothesen verkauft. Das Matterhorn wurde abgetragen und rollstuhlgängig wieder aufgebaut. Jetzt lässt sich auf dem Gipfel Minigolf spielen. VIP-Touristen fahren in Züglein durch eine potemkinsche Schweiz, wo die Gruyère-Springbrunnen plätschern und die «Eingeborenen» den Rütlischwur nachstellen. Ob die Schlacht bei Sempach oder Gletscherhöhlen bei Nacht - ein paar Stühle, Notenständer, Taschenlampen und mit Wasser gefüllte PET-Flaschen reichen Solbergs Schauspielteam für die Darstellung jeder Situation.
Die Schauspieler, die Park-Idee und die vielen Pointen machen Spass. «Der Park» ist eine unterhaltsame Komödie. Die Zeichnung der Charaktere bleibt oberflächlich, vielleicht bewusst. Schliesslich sind die «Eingeborenen» in dieser Welt nur noch Mittel zum Zweck.
Am Ende wird sogar eine den Park bedrohende Riesenflutwelle samt voraussichtlich Millionen von Todesopfern vom Parkbetreiber Nippes (Martin Hug) als kommerzielle Chance verwertet. Alsbald verkauft er für die Tsunamishow Plätze auf Riesentribünen im nahen Ausland. In einer letzten pathetischen Rede hofft er, dass die Schweiz sich, wie Pompeji, ganz in das ultimativste aller Réduits wird zurückziehen können: In den unsterblichen Mythos.
Und an all dem trägt der Biber Schuld. Er kann am Ende nur mit den Achseln zucken. Er ist ein Biber, er baut Dämme, in diesem Fall aus der Schweiz-Bretterkulisse. Mehr gibts da nicht zu deuteln.