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Der Basler Gesundheitsdirektor Lukas Engelberger (CVP) war kein Mann der Entscheidungen. Doch die Pandemie holte ihn aus seiner Komfortzone.
Lukas Engelberger (CVP) hatte sich auf einen unangenehmen Wahlkampf eingestellt. Seine Gegner hatten Munition. Die Spitalfusion, das grosse Projekt, mit dem er sich verewigen wollte, war gescheitert. Die Krankenkassenprämien in Basel-Stadt sind weiter gestiegen. Und nach der Auslagerung der Spitäler in die Privatwirtschaft spottete so manch ein Politiker über das überflüssige Gesundheitsdepartement, das zu einer Schönwetterabteilung des Verwaltungsapparats verkommen sei. Engelberger stand für Kampagnen, welche die Seniorinnen und Senioren dazu animieren sollten, sich im Alltag etwas mehr zu bewegen. Oder er vertat sich mit Fragen zur Tiergesundheit und liess einen Präventionsfilm «Hund und Du» in sechs Sprachen übersetzen.
Engelberger mied die Konflikte, auch die längst überfälligen mit den Spitälern, welche Haupttreiber für die Kosten im Gesundheitswesen sind. Das Problem «Spitalliste», mit der er die starke Privatspitallobby die Stirn bieten muss, hatte er auf kommendes Jahr verschoben.
Engelberger war kein Mann der Entscheidungen – bis ihn die Pandemie aus der Komfortzone holte. Die Metamorphose vom Beamten zum Macher begann in der letzten Februarwoche. Covid war erst im Anrollen, und trotzdem wagte er es, im Namen des Gesamtregierungsrats die Fasnacht abzusagen.
Seine Mitarbeiter sagen, selten hätten sie ihn so nervös gesehen. Doch danach, während des Lockdowns, war er wie erlöst. Sarah Wyss etwa, die Präsidentin der grossrätlichen Gesundheitskommission, lobt heute sein Krisenmanagement. Als Sozialdemokratin war sie an vorderster Front, als es darum ging, die «halb gare» Spitalfusion zu kritisieren. Nun sagt sie, die Durchsetzung der Coronamassnahmen in Basel-Stadt habe «hervorragend» geklappt. Plötzlich war beim Zauderer, der zu jeder Detailfrage ein zehnseitiges internes Papier erarbeiten lässt, ein Politiker geworden, der Ad-hoc-Entscheidungen treffen musste und die richtigen fällte. Seit der Fasnachtsabsage hatte er einen inneren Kompass. Da selbst in dieser fasnachtsverliebten Stadt nur die allerwenigsten diesen Entscheid hinterfragten, war für ihn klar: Härte im Namen der Gesundheit ist gut - und kommt gut an. Im Zweifel waren seine Entscheidungen fortan härter als diejenigen seines Amtskollegen aus Baselland. Nur ein Beispiel: Besuche in den Altersheimen erlaubte der städtische CVP-Gesundheitsdirektor einen Monat später als sein Kollege vom Land.
Seit Juni präsidiert Engelberger nun die Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektoren. Beobachter haben einen weiteren Entwicklungsschritt bei Engelberger festgestellt. Plötzlich findet er Gefallen an Dingen, die ihm bisher zuwider waren. Zum Beispiel am Rampenlicht: War er noch bis vor wenigen Jahren froh, dass er selbst als Magistrat in der Stadt kaum erkannt wurde, freut er sich heute über Publicity. Wenn «Der Club» oder «10 vor 10» anklopfen wie jüngst, lässt er sich nicht zweimal bitten.
Aber auch die Macht hat’s ihm angetan. Im Namen der Gesundheitsdirektoren lobbyiert er hartnäckig dafür, dass die Ausfälle der Spitäler nicht nur durch die Kantone gedeckt werden. Bundesrat Alain Berset soll bereits innert Wochen einen grossen Respekt für den Parvenu aus Basel entwickelt haben, der sich traute, die schnelle bundesrätliche Aufhebung der Corona-Restriktionen zu kritisieren. «Die Kantone können nicht Bundesrat spielen», meinte Engelberger in einem Interview, um kurz darauf selbst zu handeln. Er gab den Anstoss, gleich in allen vier Nordwestschweizer Kantonen eine Regel durchzusetzen, wonach nur noch 100 Personen zu einem Event zugelassen werden dürfen. Die umliegenden Kantone beschränkten sich darauf, das neue Regime bis Ende August zu verhängen, Basel-Stadt verfügte die 100-Personen-Regel vorsorglich bis Ende Jahr. In Basel-Stadt hat jetzt ein Machtmensch das Sagen.