Lokführerstreik
Güterverkehr auch betroffen: Die echten Probleme kommen erst noch

Wegen des deutschen Lokführerstreik gibt es auch im Schweizer Güterverkehr Stau. Die Alternative wäre die Verladung durch Schiffe, doch diese wird durch die Hochwasserlage am Rhein erschwert.

Daniel Haller
Drucken
Abgestellte Güterwagen am Rangierbahnhof in Muttenz.

Abgestellte Güterwagen am Rangierbahnhof in Muttenz.

Kenneth Nars

Die deutschen Lokführer bestreiken nicht nur Personen-, sondern auch Güterzüge. Dies hat Folgen für die Schweiz: «Es kommen weniger Container rein», berichtet Hanspeter Löw, Leiter Containerverkehr bei der Paul Leimgruber AG in Pratteln. Und SBB-Mediensprecher Reto Schärli berichtet, dass auch weniger Transitzüge durch die Schweiz rollen.

Doch der Verkehr kommt dank des freien Zugangs zum Schienennetz nicht ganz zum Erliegen: Züge werden nicht nur von Loks der bestreikten DB Schenker gezogen, sondern auch durch Traktionäre wie Crossrail, Metrans oder IMS. Teilweise können die Logistiker also den Traktionär wechseln, und der Zug kommt doch noch ans Ziel. «Flexibilität ist das oberste Gebot der Branche», erklärt Thomas Schwarzenbach, Direktor des Speditions- und Logistikverbands Spedlogswiss. So hat die Migros Bananen rechtzeitig von der Schiene auf Lastwagen umgeladen.

Sie erreichen ihren Zug nicht

Dies funktioniert nicht immer. So berichtet Löw, dass teilweise Züge nicht an abgestellten Loks vorbeikommen. Und Tommaso Di Benedetto, Geschäftsführer der MEV in Basel, die Bahngesellschaften mit Lokführern aushilft, registriert zwar mehr Anfragen: «Aber oft können wir einen Zug nicht übernehmen, weil der Lokführer auf einen Personenzug angewiesen wäre, um an den Ausgangsort zu gelangen. Der Personenverkehr wird aber bestreikt.»

Auch SBB Cargo, die im Alltag teilweise mit der bestreikten DB Schenker zusammenarbeitet, kann die Züge nicht mit eigenen Lokführern holen, denn diesen fehlt unter anderem die Lizenz für die deutschen Strecken.

Deshalb wird Deutschland teilweise umfahren. So stellt Birsterminal-CEO Rolf Vogt fest, dass für deutsche Häfen bestimmte Container auf Rotterdam umgebucht werden. «Operateure des kombinierten Verkehrs bevorzugen die Schienenwege über Belgien und Frankreich.» Auch sei die Nachfrage nach Transporten auf dem Rhein seit Streikbeginn leicht gestiegen. Dies stellt auch Ultra-Brag-Chef Beat Heydrich fest. Hinderlich sei aber die Unsicherheit wegen des Hochwassers, ob die Schiffe termingerecht fahren können: «Es gibt deshalb einen Waren-Rückstau.»

Dieser scheint nicht dramatisch: Rhenus-Sprecherin Claudia Bracher meint: «Die Situation ist chaotisch, aber die Schweiz wird nur teilweise eingeschränkt.» Sie erwartet eher Probleme nach Streik-Ende, wenn die Container alle aufs Mal ihr Ziel erreichen sollen.

Italien-Züge müssen warten

Dann werden gemäss SBB-Sprecher Schärli vor allem die knappen Kapazitäten auf der Schiene den schnellen Abfluss des Staus verhindern. Die SBB spüren ihn schon jetzt: «Wir nehmen aus Italien nur noch Transitzüge entgegen, wenn garantiert ist, dass diese nach Deutschland weiterfahren können.» Die SBB verfügten über nicht genug Gleise, um wartende Züge bis zum Streik-Ende abzustellen. «Wir wollen verhindern, dass diese zu Hindernissen im Binnenverkehr werden.»

Ein ähnliches Problem hat man bei Leimgruber: «Hier warten Container, die bereits auf das Chassis verladen sind. Wir können sie nicht in die Terminals bringen, weil es zu wenig Stellplätze gibt», berichtet Löw. «Sobald es irgendwo klemmt, ist die Schweizer Container-Infrastruktur verstopft.» Auch im Alltag müssten die Lastwagen-Chauffeure stundenlang warten, bis sie die Container in den Terminals umschlagen können. «Wir verrechnen nun pro halbe Stunde den Kunden 45 Franken. Dieser Schaden durch unzureichende Infrastruktur ist für die Schweizer Wirtschaft grösser als durch einen punktuellen Streik deutscher Lokführer.»