Stilbruch
Gym-Lehrer wegen abgetretenen Latschen im Fadenkreuz des Stilberaters

Diese Geschichte sorgt am Basler Gymnasium Kirschgarten für hitzige Diskussionen: Weil ein Lehrer einen Kollegen wegen dessen salopper Bekleidung angeschwärzt hatte, mussten beide beim Rektor zu einem klärenden Gespräch antraben.

Stephan Dietrich
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«Ich finde den Kleiderstil einiger Kollegen etwas speziell. Man kann von Birkenstock-Sandalen halten, was man will, aber müssen sie zwingend die Füsse eines Biologielehrers schmücken beziehungsweise dessen Sockenmuster zur Schau stellen?» Das hat ein Basler Gymnasiallehrer kürzlich den Stilberater Jeroen van Rooijen in der «NZZ am Sonntag» gefragt.

Dessen Antwort war klar und deutlich: «Lehrpersonen sollten ihren Schützlingen nicht nur fachlich und menschlich, sondern auch stilistisch ein Vorbild sein. Dazu gehört ein gewisser Schliff – und unbedingt auch Distanz. Diese verliert man unwiederbringlich, wenn man seinen Schülern einen Blick auf die Sockenspitzen gewährt», meinte der Journalist und Buchautor («Hat das Stil?»).

Beim Rektor antraben

Schuluniform für alle?

Mehr als die Kleidung der Lehrerschaft gibt immer wieder das Outfit von Schülern und Schülerinnen zu reden. Zum einen wegen des allzu freizügigen oder provokativen Kleidungsstils, zum anderen wegen des Gruppendrucks, teure Markenkleider tragen zu müssen.

Eine Art modisches Einheitstenue könnte hier Abhilfe schaffen. Ein Pilotversuch am Basler Leonhardsgymnasium vor sechs Jahren ist jedoch gescheitert.

Der gewählte Kleiderstil stiess auf wenig Gegenliebe. Wenn schon einheitlich, wäre vielen Schülern und Schülerinnen eine richtige Uniform, wie sie in vielen Ländern verbreitet ist, lieber gewesen. Über die Vorstellung, dass Lehrpersonen bei Mode und Stil eine Vorbildfunktion haben sollen, können die Kids nur lachen. (sd)

Von van Rooijens These, dass Lehrpersonen auch modisch und in Sachen Stil Vorbild sein sollen, hält Rektor Bauer nicht viel. Er plädiert beim Kleidungsstil für gesunden Menschenverstand und Toleranz. Birkenstock-Sandalen bleiben im Gymnasium Kirschgarten weiterhin toleriert. Dafür sind generelle Benimmregeln an der Schule für Bauer durchaus ein Thema. In einer Projektwoche sollen die Gymnasiasten im Kirschgarten demnächst einen «Knigge für die Schule» erarbeiten.

Toleranz und gesunder Menschenverstand

In den Vorschriften zur Bekleidung sind die Schulen autonom. «Eher würde sich die Verwaltung die Zunge abbeissen, als dazu präzise Vorschriften oder Verbote zu erlassen», betont Hans Georg Signer, Leiter Bildung beim Erziehungsdepartement Basel-Stadt.

Auch Beat Siegenthaler, Präsident der Freiwilligen Schulsynode, des wichtigsten Verbands von Basler Lehrpersonen, plädiert für Toleranz und gesunden Menschenverstand. «Wenn es im Sommer im Klassenzimmer 36 Grad und mehr heiss wird, sollten gepflegte Shorts durchaus erlaubt sein.» In seiner 38-jährigen Lehrer-Karriere hat er gelegentlich erlebt, dass die Schulleitung wegen unpassender Kleidung das Gespräch mit einzelnen Lehrerinnen und Lehrern suchen musste. Ein grosses Thema sei das aber eigentlich nie gewesen.

Aus seiner eigenen Zeit als Schüler kann er sich erinnern, wie ein zerstreuter Lehrer zuweilen in Sandalen barfuss zur Schule kam, ohne dass ein grosses Theater darum gemacht wurde. Für den Ästheten Jeroen van Rooijen wäre das ein Graus. Auch ein Blick in ein Lehrerzimmer dürfte ihm wenig Freude bereiten: Die meisten Lehrpersonen sind eher locker – oder neudeutsch «casual» – gekleidet und legen auf Äusserlichkeiten keinen übertriebenen Wert.