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Kurz vor der selbstgewählten Frühpensionierung Ende Jahr kämpft Rheinhäfen-Direktor Hans-Peter Hadorn an verschiedenen Fronten.
Hans-Peter Hadorn: Ja, sogar schon ziemlich früh in meiner Amtszeit. 2008 fuhr ich auf einem Containerschiff nach Antwerpen, das ist ja neben Rotterdam eines der beiden möglichen Seehafen-Ziele. Ich habe das immer so gehalten, nicht nur vom Schreibtisch aus zu wirken, sondern möglichst nah an meinen Mitarbeitern dran zu sein. Nur Schreibtischtäter zu sein, reicht nicht.
Je weiter man den Rhein hinabfährt, desto stärker merkt man, welch grosse Bedeutung dieser Handelsweg für Europa hat. Das wird in der Schweiz leider oft unterschätzt. Zudem zeigte es mir die grossen Anforderungen, die an Schiffe und Besatzungen gestellt werden. Es ist schon ein grosser Unterschied, ob man den eher gemächlichen Grand Canal im Elsass passiert oder die navigatorisch anspruchsvolle Loreley-Passage. Und dies bei Arbeitsschichten von bis zu zwölf Stunden für die Schiffsführer.
Da gibt es verschiedene Aspekte. So sind zum Beispiel die Anforderungen in den Seehäfen hoch, teils benötigt man mehrere Stunden, um von einem Hafenbecken zum anderen zu kommen. Anderseits sind die Schiffsflotten viel moderner geworden. Ein moderner Schiffsführerstand ist wie ein Cockpit. Navigiert wird mit dem Joystick. Die Navigation und damit auch das ganze Berufsbild hat sich dank der Weiterentwicklung der Technik und Digitalisierung geändert. Es herrschen teilweise noch ziemlich romantische Vorstellungen über den Beruf des Rheinschiffers vor, die aber mit der heutigen Realität nicht mehr viel gemeinsam haben.
Nehmen wir die Diskussion um die angeblich zu enge Einfahrt ins Hafenbecken 3, das eine saubere Navigation verunmögliche. Natürlich wird man dort problemlos navigieren können, weil der heutige Stand der Technik in die Planung eingeflossen ist.
Dann wird man sich fragen müssen, auf welchen anderen Wegen die Güter zu uns kommen sollen, wenn nicht direkt vom Schiff auf die Bahn. 40 Prozent des gesamten Schweizer Gütervolumens gehen über den Knoten Basel, 10 Prozent aller Importe über die Rheinhäfen. Das wird nicht abnehmen – im Gegenteil. Alle Prognosen sehen ein Wachstum im Containerverkehr voraus. Also bleibt nur der Weg mittels LKW auf der Strasse, da die Bahn allein diesen Verkehr nicht aufnehmen kann. Wir rechnen mit mindestens 100 000 zusätzlichen Lastwagenfahrten in der Region, wenn die Güter statt mit dem Schiff mit Lastwagen von anderen Terminals in Deutschland oder Frankreich zu uns kommen müssen.
Man darf nicht vergessen: Der Strassen- und Bahnausbau in der Region, der solche zusätzlichen Kapazitäten schlucken könnte, erfolgt frühestens in 20, teils sogar erst in 30 Jahren. Das Herzstück, der Rheintunnel, der Bahn-Vierspurausbau Karlsruhe–Basel: Das sind alles grosse Bauprojekte, die nicht schon morgen fertig sind. Fazit bleibt: Das Hafenbecken 3 ist das einzige Ausbauprojekt, das schon früher eine Entlastung bringt – und es wäre schade, diese Chance nicht zu packen.
Der heutige Containerverkehr funktioniert nur mit verhältnismässig tiefen Margen, die man mit optimaler Infrastruktur verbessern muss, insbesondere in der Logistikkette Schiff-Bahn-Strasse. Das Hafenbecken 3 würde diese Lücke schliessen. Ohne den Neubau müsste der Stadthafen dagegen grundsätzlich über die Bücher.
Wenn Industriestandorte unter eine kritische Grösse fallen, geht es schnell um die eigene Existenz. Das ist meine Botschaft. Man muss sehen: Der St.-Johann-Hafen ist schon lange weg, das Klybeckquai ist seit 2011 nicht mehr für Hafennutzung verfügbar und die Baurechte am Westquai laufen 2029 aus. Wenn der Stadthafen 2030 tatsächlich zwei Drittel seiner einstigen Nutzfläche ohne Kompensation verloren haben sollte, dann stellt sich schon einmal die Frage, ob und wie der eine übriggebliebene Drittel langfristig noch lebensfähig sein soll.
Das ist richtig, Grossprojekte kommen beim Stimmvolk grundsätzlich immer seltener charmant an. Aber zum einen planen die SBB intensiv, Ersatzflächen für diese Areale zu schaffen. Und wichtiger noch: Der Bau des Hafenbeckens 3 ist wegen der Verlagerung Schiff-Schiene ein wirksames Klimaschutzprojekt, dessen Vorteile den örtlichen Pflanzenschutz ökologisch weit überwiegen. Der Neubau ist sogar ein wesentliches Instrument, die Schutzziele der Alpen-Initiative für die weiträumige Biodiversität zu unterstützen.
Korrekt. In meiner Funktion ist man entweder voll da oder gar nicht. Ich kann die Leinen noch nicht losmachen.
Da muss ich ganz klar widersprechen. Die aktuellen Baurechtszinsen sind marktüblich und bewegen sich am oberen Rand dessen, was die Logistikbranche mit ihren vergleichsweise tieferen Margen zu leisten im Stande ist. Wir haben keine Dumping-Baurechtszinsen von 5 oder 6 Franken, wie gerüchteweise herumgeboten wird. Das stimmt schlicht nicht.
Das geht aus rechtlichen Gründen nicht, das sind Verträge mit privaten Firmen und diese unterstehen dem Datenschutz.
Die beiden Hafengebiete in Birsfelden und Muttenz sind kantonale, im Richtplan ausgewiesene wirtschaftliche Schwerpunktgebiete. Der Kanton will dort eine wirtschaftliche Weiterentwicklung. Aktuell stellen wir die Rückverlagerung der Exportlogistik von Übersee zurück in unseren Hafen fest. Gerade jetzt investiert ein Produktionsunternehmen in Birsfelden in eine Erweiterung, wovon Gemeinde und Kanton durch höheres Steuersubstrat profitieren werden.
Zusammen mit Kanton und Gemeinde wurde vor zwei Jahren ein Strategieprozess gestartet, wie man die Planung und Nutzung entlang der Sternenfeldstrasse, vor allem aus Sicht der Gemeinde, verbessern kann. Da geht es genau um solche Fragen, und wir sind intensiv mit der Gemeinde im Gespräch, wie der Nachbarschaftsbereich künftig gestaltet werden kann.
Ich gehe mit gemischten Gefühlen. Ich lasse ungern jetzt los und werde den Job vermissen. Aber man sollte loslassen, solange man noch Freude am Job hat, und der nächsten Generation eine Chance geben.
Was wir noch nicht erreicht haben, ist die Gleichstellung in der Grundfinanzierung von Hafen- und Bahninfrastruktur; da hat die Schifffahrt gegenüber der Bahn noch einen Wettbewerbsnachteil. Das ist aber noch ein ganz dickes Brett, das in Bundesbern zu bohren bleibt. Glücklicherweise übernimmt die Basler Ständerätin Eva Herzog das Präsidium der Parlamentarischen Gruppe Schifffahrt. Sie wird sich für unsere Anliegen ebenso einsetzen wie vor ihr Claude Janiak.
Da gibt es verschiedene Dinge, die wichtige Schritte in meiner Amtszeit waren. Grundsätzlich haben wir mit der Zusammenlegung der Rheinhäfen und unserer Kooperation im Verbund der Oberrheinhäfen eine Grösse beim Aussenauftritt erreicht, die es uns erlaubt, mit den grossen Seehäfen auf Augenhöhe zu verhandeln. Dann gibt es die technischen Errungenschaften wie das 2015 beschaffte hochwasserfähige Schlepp- und Schubboot Wild Maa und die Professionalisierung der Lotsengruppe. Oder die Korrektur der Fahrrinne im Stadtgebiet, die für Birsfelden und den Auhafen vergleichbaren Tiefgang wie in Kleinhüningen ermöglicht hat. Und zuletzt als jüngster grosser Markstein die Eröffnung der Südanbindung der Hafenbahn Auhafen– Schweizerhalle vor 10 Tagen.
Wir haben hier eine wichtige Lücke geschlossen, welche eine höhere Wettbewerbsfähigkeit der Industriestandorte in Schweizerhalle und der Logistik in Salina Raurica, die in die Schienenanlage eingebunden werden kann, ermöglicht. Die Industriestandorte in Baselland haben noch viel Potenzial, was den künftigen Umgang mit Zukunftsenergien wie synthetischen Treibstoffen und Wasserstoff betrifft. Dieses Potenzial kann jetzt besser genutzt werden. Dies war ein Anliegen der dortigen Industrie, das wir früh aufgegriffen haben.
Es ist eine faszinierende Zeit hier in der Nordwestschweiz. Die Offenheit, die diese Region prägt, muss sie sich unbedingt bewahren. Dies gilt auch für die Infrastrukturen, die man offenhalten muss. Unsere Zeit wird immer stärker von einer Tendenz beeinflusst, sich abzuschotten. Doch das sind nicht die Werte, die die Nordwestschweiz ausmachen. Darum hier mein Appell, diese Offenheit zu bewahren.
Nehmen wir den Rhein. Es gibt zahlreiche Anspruchsgruppen: die Schifffahrt, die Anwohner, die Rheinufer-Freizeitbesucher, die europaweit einzigartigen Rheinschwimmer. Mein Wunsch ist: Alle sollten mit ihren eigenen Ansprüchen vernünftig umgehen, damit alle auch künftig noch aneinander vorbeikommen.
Zahlreiche Veränderungen Vor 15 Jahren übernahm der Berner Hans-Peter Hadorn die Leitung des Basler Rheinhafens. Nun geht er altersbedingt Ende Jahr in den Ruhestand. Hadorn war massgeblich an den Arbeiten zur Zusammenlegung der ehemaligen Rheinschifffahrtsdirektion Basel und der Rheinhäfen Baselland beteiligt. Nach erfolgreicher Volksabstimmung im Baselbiet übernahm er am 1. Januar 2008 die Funktion des Direktors der fusionierten Schweizerischen Rheinhäfen.
«Nach einer Transformationszeit mit der Zusammenführung der Betriebskulturen und der Verselbstständigung entwickelten sich die Schweizerischen Rheinhäfen unter seiner Führung zu einer erfolgreichen Verkehrsdrehscheibe von nationaler Bedeutung.» So beschrieben die Rheinhäfen in der Medienmitteilung zu seiner bevorstehenden Pensionierung Hadorns Wirken.
Ein weiterer Markstein für die Rheinhäfen wurde 2015 im Zuge der Totalrevision des Gütertransportgesetzes gesetzt. Damit wurde die Rheinschifffahrt erstmals mit dem Verkehrsträger Schiene gleichgesetzt, was die Finanzierung der Infrastruktur für den kombinierten Verkehr anbelangt. Dies stellt auch die rechtliche Grundlage für den geplanten Bau des Hafenbeckens 3 dar, welchen der Basler Grosse Rat im Februar 2020 mit grosser Mehrheit genehmigt hat und der durch Bund und Kanton finanziert werden soll.
Hans-Peter Hadorn war vor seinem Amt als Direktor der Rheinhäfen in verschiedenen Managementfunktionen bei den SBB und SBB Cargo tätig. Der 62-jährige Volks- und Betriebswirt ist verheiratet, hat zwei Kinder und wird auch weiterhin mit seiner Familie im Leimental leben. Seine Nachfolgeregelung ist laut Auskunft der Rheinhäfen noch im Gang. Im Verlauf des Herbstes soll die neue Direktion bekannt gegeben werden. (bos)