Abhängigkeit
«Heroin? Niemals trifft das mich!» – Monique Rotella sagt, Janus habe ihr das Leben gerettet

Leif Simonsen
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«Ich schlief oft in einer öffentlichen Toilette an der Grenze zu Riehen, aber auch mal unter der Brücke» – Monique Rotella (Symbolbild)

«Ich schlief oft in einer öffentlichen Toilette an der Grenze zu Riehen, aber auch mal unter der Brücke» – Monique Rotella (Symbolbild)

KEYSTONE

Sie waren lange heroinsüchtig. Seit zehn Jahren sind Sie Klientin im Behandlungszentrum Janus, nehmen täglich zwei Diaphin-Tabletten. Wie geht es Ihnen?

Monique Rotella: Gut, ich würde sogar sagen prächtig. Janus hat mir das Leben gerettet. Oder zumindest vor dem Elend bewahrt. Ich war obdachlos und heroinabhängig. Ich schlief oft in einer öffentlichen Toilette an der Grenze zu Riehen, aber auch mal unter der Brücke. Als mal eine Ratte über mich krabbelte, ging ich aber nie mehr dorthin.

Warum übernachteten Sie nicht in der Notschlafstelle?

Aus Kostengründen. Sieben Franken sind viel Geld für jemanden, der gar nichts hat.

Sie mussten aber auch Ihre Heroinsucht finanzieren, die nicht günstig ist. Wie schafften Sie das?

Ich habe mit Kokain gedealt. In die Prostitution bin ich zum Glück nie abgerutscht. Und: Ich hatte auch Glück mit den Leuten, die ich auf der Strasse traf.

Es heisst, oft hätten Drogenabhängige eine schwere Kindheit gehabt. War das bei Ihnen auch so?

Nein, ich bin ziemlich wohlbehütet in Madrid aufgewachsen und mit 25 Jahren in die Schweiz gekommen. Ich war völlig überrascht, dass es so weit kommen konnte – ich hatte immer gedacht, dass andere gefährdet sind. Aber ich, heroinabhängig? Niemals! Natürlich habe ich als Jugendliche ab und zu einen Joint geraucht, aber das führt nicht in die Drogensucht. Ich wurde erst mit 27 Jahren richtig süchtig. Das ist sehr spät. Nein, diese Drogensucht war bei mir nicht programmiert.

Wie ist es passiert?

Mein Ex-Mann nahm Heroin, ich begann mit Kokain. Und habe danach auch angefangen, Heroin zu konsumieren. Dies, um wieder etwas runterzukommen vom Kokain. Eines führte zum anderen, zuletzt wurden wir aus der Wohnung geschmissen, weil mein Mann die Wohnung nicht bezahlte. Und wenn du mal aus der Wohnung geschmissen worden bist, hast du fast keine Möglichkeit mehr, eine neue zu finden. So landete ich auf der Strasse.

Sorgte sich niemand um Sie? Sie kamen ja aus einer wohlbehüteten Familie.

Meine Verwandten in Spanien waren alle bereits verstorben. Und zu meinen drei Söhnen, wovon zwei in der Schweiz leben und einer in Spanien, brach ich den Kontakt selber ab. Ich schämte mich dafür, dass ich auf der Strasse lebte und drogenabhängig war. Sie machten ihr Studium und hatten später super Jobs. Es war mir einfach peinlich.

Jetzt sind Sie wieder integriert, haben eine Wohnung. Haben Sie den Kontakt zu Ihren Söhnen wieder aufgenommen?

Ja, ich habe zu allen wieder einen engen Kontakt. Ich habe mich entschuldigt, alles ist wieder in Ordnung. Nun bin ich sogar Grossmutter – und habe einen tollen Lebenspartner.

Wie haben Sie den Rank gefunden im Leben?

Mehrere Dinge sind passiert, aber am Anfang stand ein Wohnungsvermieter, der wirklich ein Engel war. Er bot mir an Weihnachten vor zehn Jahren einen Mietvertrag an, einfach so. Er wollte keine Nachweise von mir haben. Und dann konnte ich dank Janus und den Tabletten auch wieder arbeiten gehen.

Wussten Ihre Arbeitgeber, dass Sie drogensüchtig waren?

Nein, das habe ich ihnen nie gesagt, das haben sie aber auch nie gemerkt. Drogensucht wird immer mit Elend in Verbindung gebracht. Aber man kann sehr gut arbeiten, wenn man drogensüchtig ist und nur die Substitute nimmt wie Methadon oder Diaphin. Ich war im Service und an der Kasse tätig, jetzt bin ich 60 Jahre alt und pensioniert. Ich kenne Heroinsüchtige, die bei der Bank arbeiten.

Wie geht es Ihnen gesundheitlich? Hat der Drogenkonsum Spuren hinterlassen?

Ich hatte vor kurzem Hepatitis C, und im vergangenen Jahr musste ich nach einer schweren Grippe wegen einer Lungenembolie ins Spital. Heute bekomme ich wegen meiner starken Epilepsie IV. Aber im Vergleich zu früher bin ich körperlich sehr gut drauf. Ich müsste einfach noch ein paar Kilos verlieren. Dafür gehe ich jetzt sogar ins Fitnessstudio.

Sie bekommen morgens und abends eine Diaphin-Tablette. Davon haben Sie keinen Rausch. Haben Sie nie das Verlangen nach diesem unbeschreiblichen Heroin-Gefühl?

Nein, das habe ich nicht mehr. Ich habe das Leben jetzt im Griff und will das nicht wieder hergeben.

Planen Sie, Ihren Drogenersatz abzusetzen?

Ja, ich will die Dosis reduzieren. Und im besten Fall in einem Jahr ganz aufzuhören.

Ist es übrigens okay, wenn wir Sie mit Foto zeigen in der Zeitung?

Klar! Ich bin zwar keine Miss, aber nach all der Zeit auf der Gasse kann ich mich noch immer im Spiegel ansehen, ohne zu viele Falten zu entdecken.