Komplott
Intrigen, Tricksereien und jetzt das – E-Mail-Affäre offenbart die Zerstrittenheit der Basler SVP

Das Strafverfahren gegen Joël Thüring droht für die Partei zur Zerreissprobe zu werden. Thüring steht im Verdacht, seit Monaten, wenn nicht Jahren heimlich auf den E-Mail-Server von SVP-Nationalrat Sebastian Frehner zugegriffen zu haben.

Jonas Hoskyn
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Die Protagonisten der E-Mail-Affäre
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Joël Thüring Dem SVP-Parteisekretär und ehemaligen Grossratspräsidenten wird vorgeworfen, heimlich die Mails seines Parteikollegens und ehemaligen Geschäftspartner Sebastian Frehner gelesen zu haben.
Sebastian Frehner Der SVP-Nationalrat Sebastian Frehner hat Anfang April 2018 Strafanzeige gegen Unbekannt bei den baselstädtischen Strafverfolgungsbehörden eingereicht. Aufgrund dieser Anzeige habe die Basler Staatsanwaltschaft in der Zwischenzeit ein Strafverfahren gegen Joël Thüring eröffnet.
Lorenz Nägelin 2017 wurde Lorenz Nägelin zum Basler SVP-Präsidenten gewählt. Er folgte auf Sebastian Frehner. Dieser wollte eigentlich weiter im Parteivorstand verbleiben, wurde aber aus dem Gremium gedrängt.
Eduard Rutschmann Der Vize-Präsident der Basler SVP Eduard Rutschmann stärkt Joël Thüring und Lorenz Nägelin den Rücken. Bei der kommenden GV Ende Monat wollen sie die Statuten revidieren. Auffällig: Bei einem früheren Entwurf war festgeschrieben, dass nationale Parlamentarier von Amtes wegen im Vorstand sitzen. In der Variante, welche nun an die Mitglieder verschickt wurde, ist dieser Passus wieder gestrichen. Dafür wurde eine Amtszeitbeschränkung eingebaut.

Die Protagonisten der E-Mail-Affäre

bz

Gegen SVP-Grossrat Joël Thüring läuft ein Strafverfahren, weil er über Monate heimlich die Mails von Nationalrat Sebastian Frehner gelesen haben soll. Die bz machte den Fall gestern publik. Die Ermittlungen gegen den Parteisekretär dürften sich über Monate hinweg ziehen.

Dem Vernehmen nach wurde Thüring am Freitagmorgen von zwei Untersuchungsbeamten geweckt. Bei der Einvernahme verweigerte er offenbar die Aussage. Seinen beschlagnahmten Laptop liess er versiegeln. Im Extremfall wird das Bundesgericht darüber entscheiden müssen, ob und was die Ermittler auswerten dürfen.

Der Knall erschüttert die Partei in ihren Grundfesten. Mit der jüngsten Entwicklung rechnete niemand. Doch unter der Oberfläche brodelt es bei der Basler SVP schon seit Jahren.

Aus Aussagen einer Reihe von Vorstands- und Parteimitgliedern lässt sich folgender Ablauf rekonstruieren: Nachdem die Partei 2015 bei den nationalen Wahlen Stimmanteile eingebüsst hatte und auch im Jahr darauf bei den kantonalen Wahlen auf der Verliererseite stand, wuchs die Kritik am damaligen Parteipräsidenten Sebastian Frehner. Was bisher nicht bekannt war: Gemäss Recherchen der bz plante Frehner nach acht Jahren als Präsident damals ohnehin seinen Rücktritt. Zuerst wollte er aber einen geeigneten Nachfolger installieren. Unter anderem weil die SVP im Frühling 2017 überraschend eine Erbschaft von rund 912 000 Franken erhalten hatte. Frehner fürchtete, dass das Geld ansonsten kurzfristig ausgegeben werden könnte.

Den offensichtlichsten Kandidaten Lorenz Nägelin für das Präsidium hielt Frehner aber für ungeeignet. Der neue Mann an der Spitze sollte den zerstrittenen Laden aufräumen und Joël Thüring als Sekretär austauschen. Frehner gab seinem ehemaligen Geschäftspartner unter anderem die Schuld für das peinliche Scheitern der Generationeninitiative letztes Jahr. Das Volksbegehren der SVP kam nicht zustande, weil zu viele Unterschriften ungültig waren.

Offenbar hatte Frehner bereits einen klaren Plan. Doch er hatte die Rechnung ohne den Parteivorstand gemacht. An einer Sitzung sprachen mehrere Politiker Frehner an, was an den Gerüchten dran ist, dass er als Parteipräsident zurücktreten und Thüring als Sekretär ersetzen wolle. Frehner spielte die Angelegenheit herunter und konnte sich herausreden. Im Frust rief er am nächsten Tag Nägelin an, und teilte diesem mit, dass er das Präsidium haben könne, wenn er wolle. Gleichzeitig betonte Frehner, dass er im Vorstand verbleiben wollte.

Ausgebootet

Kurz darauf kommunzierte die Partei den Stabwechsel. In der Medienmitteilung steht klar: «Sebastian Frehner (...) bleibt dem Vorstand auch weiterhin als Mitglied erhalten.» Die Rochade war möglich, da der Vorstand selber Mitglieder berufen kann. Bei der GV vor
einem Jahr wählte die Parteibasis Nägelin dann zum neuen Präsidenten. Da der Gesamtvorstand nur alle zwei Jahre neu gewählt werden muss, war Frehner damals kein Thema.

Kurz darauf wurde dem Nationalrat mitgeteilt, dass er nicht mehr Mitglied des Gremiums sei. Frehner fiel aus allen Wolken. Tatsächlich besagen die Statuten, dass Ergänzungen im Fall eines Rücktritts nur bis zur nächsten GV und nicht bis zu den Gesamterneuerungswahlen Bestand haben. «Ich habe nicht daran gedacht, dass Frehner aus dem Vorstand ausscheidet», sagt Nägelin. Als dieser vorschlug, man solle ihn zurückholen, winkte der neue Präsident aber ab. «Da er bei den Negativschlagzeilen immer mitbeteiligt ist, hat er sich dies selbst vermasselt. Ich möchte vorwärtsschauen und deshalb sind neue Gesichter, die konstruktiv mitarbeiten wollen, für die SVP von zentraler Bedeutung», begründet Nägelin. Dafür zog er entgegen den Parteistatuten drei andere Politiker in den Vorstand nach. Brisant: Der Coup ist selbst parteiintern bisher kaum bekannt.

Demontage des Nationalrates

Dem Vernehmen nach war Frehner fuchsteufelswild darüber, wie er ausgebootet wurde. Doch mittlerweile hatten sich die politischen Machtverhältnisse geändert. Und das neue Triumvirat bestehend aus Nägelin, Thüring und dem Vize-Präsidenten Eduard Rutschmann, der den beiden den Rücken stärkt, machte sich daran, den Nationalrat weiter zu demontieren. Bei der kommenden GV Ende Monat sollen die Statuten revidiert werden. Auffällig: Bei einem früheren Entwurf war festgeschrieben, dass nationale Parlamentarier von Amtes wegen im Vorstand sitzen. In der Variante, welche nun an die Mitglieder verschickt wurde, ist dieser Passus wieder gestrichen. Dafür wurde eine Amtszeitbeschränkung eingebaut. Nach spätestens vier Amtszeiten ist Schluss. Frehner dürfte dementsprechend nächstes Jahr zum letzten Mal für den Nationalrat kandidieren.

Gleichzeitig verdoppelte der Vorstand die Abgaben für Mandatsträger von fünf auf zehn Prozent. Richtig teuer wird dieser Aufschlag für Gerichtspräsidenten (Jahreslohn rund 250'000 Franken) und nationale Parlamentarier (Jahreslohn ohne Spesen rund 80'000 Franken). Dazu kommt: Die Entschädigung von Thüring als Parteisekretär wurde im November aufgrund gestiegener Anforderungen von monatlich 3000 auf 5700 Franken erhöht. «Wie jedes Jahr wird an der GV das Budget transparent präsentiert und die Mitglieder dürfen darüber abstimmen», sagt Nägelin. Und zu den Abgaben: «Die SVP Basel-Stadt ist und bleibt die Partei mit den niedrigsten Mandatsgebühren. Wir haben lediglich eine frühere Senkung auf 5 Prozent wieder rückgängig gemacht.»

Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen: So twitterte gestern der Zürcher SVP-Politiker Claudio Schmid: «Zum Glück kann man bei Wahlen nicht unter null Prozent fallen. Wäre das möglich, diesen Baslern würde dies bestimmt gelingen ...»