Offbeat
Das Jazzfestival Basel ist endlich eröffnet

Das polnische Atom String Quartet hat das erste Konzert der diesjährigen Festivalausgabe bestritten. Mit Brillianz und verblüffender stilistischer Breite.

Michael Gasser
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Atom String Quartet.

Atom String Quartet.

Bild: Zvg

In Pandemiezeiten eine Konzertreihe zu veranstalten, kommt einem wahren Kraftakt gleich. Das weiss Urs Blindenbacher, Leiter des Jazzfestivals Basel, aus eigener Erfahrung. «Das Atom String Quartet war sich bis vor neun Tagen nicht sicher, ob sein heutiger Auftritt stattfinden kann. Doch jetzt sind die Musiker nach 13-stündiger Autofahrt von Warschau hier», erklärt er zum Festivalauftakt im Gare du Nord.

Damit das Konzert allen gesundheitsrelevanten Vorgaben entspricht, tritt das Ensemble an diesem Abend gleich zweimal hintereinander auf – vor jeweils maximal 50 Zuschauern. Eine Zahl, die jedoch nicht ganz ausgeschöpft wird – für das zweite Set finden sich etwas mehr als 30 Interessierte ein. «Wir sind glücklich, wieder vor einem richtigen Publikum spielen zu können – das war letztmals im September der Fall», betont Violinist Mateusz Smoczyński. Gemeinsam mit seinen drei Begleitern strebt er danach, die Welt des Jazz mit jener der Klassik zu verbinden.

«Medium», das erste Stück des Abends, zeigt denn auch auf, wie das 2010 gegründete Atom String Quartet sein Ziel weiterhin verfolgt: Das Streichquartett aus Polen versteht es, sein Instrumentarium aus zwei Geigen, Bratsche und Cello ganz im Sinne eines Kammermusikensembles einzusetzen. Es nutzt diese Fähigkeit aber auch als Bühne, um nach neuen klanglichen Herausforderungen zu suchen.

Schwermütige Dramatik und eleganter Pop

Der erste Teil ihrer Performance setzt dabei auf Kompositionen aus der eigenen Feder. Dabei sticht nicht zuletzt «Happy» von Mateusz Smoczyński hervor, das sich sowohl beim Gypsy-Jazz als auch bei polnischen Folksongs bedient. Es wartet nicht nur mit einem erfrischenden Klangbild auf, das an ein Frühlingserwachen erinnert, sondern auch mit eingeworfenen Improvisationen und Klopfgeräuschen, welche die Musiker auf ihren Instrumentenkörpern erzeugen.

Die Spielfreude der vier Absolventen der Warschauer Fryderyk-Chopin-Hochschule für Musik ist ansteckend und das Gebotene virtuos und druckvoll. Das gilt auch für ihre Version der Arie von Krzysztof Pendereckis «Three Pieces In Old Style», bei der es den Künstlern gelingt, die beschaulichen Seiten der Komposition ins schönste Licht zu rücken und die dem Stück innenwohnende Schwermut mit der entsprechenden Dramatik wiederzugeben. Auf dieses getragene Highlight lässt das Atom String Quartet dann Furioses folgen, nochmals von Penderecki. Das ist wild, aufmüpfig und fern jeder Melodik, aber auch spannend.

Sein einstündiges Konzert beendet das Atom String Quartet mit «Quasimodo» von Zbiginiew Seifert. Mit dem Stück, das sich elegant und mitreissend zugleich präsentiert, nähert man sich erstmals dem Pop an. Ein weiterer Beweis für die stilistische Breite und Brillanz der Formation. Zu guter Letzt bedankt sich Festivalleiter Urs Blindenbacher beim Publikum fürs mutige Kommen. Und dafür, dass man keine Angst vor dem Konzertsaal gezeigt habe. Er verspricht: «Jetzt wird richtig durchgelüftet.»