Help For Families
Kanton lässt Kinder im Stich: Für 64 Kinder fehlt ab April das Geld

Familiensituationen werden durch Schicksalsschläge oder aufgrund psychisch erkrankter Eltern schwierig. Immer mehr Kinder brauchen deshalb familienexterne Unterstützung. Doch der Kanton spricht vorerst keine zusätzlichen Gelder.

Mélanie Honegger
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Kinder mit Therapiebedarf laufen beim Basler Erziehungsdepartement auf.

Kinder mit Therapiebedarf laufen beim Basler Erziehungsdepartement auf.

Juri Junkov

Mark Blatter* geht die Erinnerung noch heute nahe. Als sich nach dem Tod seiner Ehefrau die noch minderjährige Tochter von ihm abkapselte, stiess er an seine Grenzen. Er wandte sich an den kantonalen Kinder- und Jugenddienst (KJD) – vergebens. Von einer an die nächste Stelle sei er verwiesen worden, ohne Hilfe zu erhalten. Schliesslich brauchte es einen Polizeieinsatz, bis der KJD tätig wurde: Die Tochter schloss sich in der Wohnung ein, woraufhin die Ordnungskräfte aufkreuzten und den KJD alarmierten.
Das Beispiel von Blatter steht für einen Bedarf, der sich in Basel in den letzten Jahren akzentuiert hat.

Immer mehr Kinder sind auf familienexterne Hilfe angewiesen. Nun zeigen Recherchen der Schweiz am Wochenende: Zahlreiche Kinder mit psychisch kranken Eltern sind noch immer auf sich alleine gestellt. Von einer Warteliste mit rund zwanzig Kindern spricht Christoph Huber, Geschäftsleiter des Vereins Help For Families. Das bei 42 Kindern, die aktuell betreut werden. «Es gibt bei uns Familien, welche vom Kanton an uns zugewiesen wurden und lange auf Hilfe warten mussten», erzählt Huber. In Einzelfällen könne es bis zu sechs Monate dauern, bis Betroffene Unterstützung erhalten.

Kanton lagert das Problem aus: Die Warteliste liegt beim Anbieter

Es sind Verzögerungen, gegen die Hubers Verein ankämpft. Mit einem Patenprojekt, das auch der Kanton unterstützt, versucht er für die Kinder ein stabiles Umfeld zu schaffen. 2017 führt Huber aufgrund der grossen Nachfrage ein zweites Angebot ein, eine Kunsttherapie. Den Grossteil der Kinder schickt laut Huber der KJD zu Help For Families. Trotzdem muss der Verein die Kunsttherapie über Stiftungsgelder bezahlen. Das, obwohl das Erziehungs- und das Gesundheitsdepartement noch vor einem Jahr eine Beratungsstelle für Angehörige und Kinder von psychisch erkrankten Menschen lanciert haben. Für Huber ein Zeichen dafür, dass der Kanton den erhöhten Bedarf erkannt hat. Auch ein Mitarbeiter der Beratungsstelle sagt, dass die Nutzung des Angebotes durch Kinder seit dem Kick-off im Oktober 2018 klar angestiegen sei. Zudem würden auch bei weiterführenden Angeboten Engpässe bestehen.

 Kinder sind auf die Unterstützung Erwachsener angewiesen.

Kinder sind auf die Unterstützung Erwachsener angewiesen.

Juri Junkov

Kommenden Frühling läuft das Geld der Stiftung aus. Das ED hat die Finanzierung der Kunsttherapie im Oktober ausgeschlagen. Dass der Kanton seinem Verein Kinder zuweist, das Angebot aber nicht mitfinanzieren will, sorgt bei Huber für Konsternation: «Wenn kantonale Fachstellen dieses Angebot für Kinder anfragen und anbieten möchten, wäre es doch logisch, dass sich diese finanziell beteiligen.»

Eine absolut untragbare Situation, findet auch SP-Grossrätin Edibe Gölgeli. Erst im Oktober reichte sie eine entsprechende Schriftliche Anfrage ein. Nun sind die Antworten der Regierung da – und die seien «echt nicht befriedigend», so Gölgeli. Es bestehe beim KJD «keine Warteliste», schreibt der Regierungsrat. Dass der KJD die Kinder an den Verein Help For Families triagiert und diese dort warten müssen, spielt keine Rolle.

Stiftungsgelder gehen aus: Für 64 Kinder fehlt ab April das Geld

Der Kanton bestreitet die Vorwürfe indes. «Es kann sein, dass einige Kinder und Jugendliche auch durch den KJD begleitet werden», schreibt ED-Sprecher Simon Thiriet. Der Rückschluss, dass diese durch den KJD zugewiesen worden seien, könne aber nicht abgeleitet werden. Auch würden die ersten Erfahrungen nicht auf einen erhöhten Bedarf hinweisen. Thiriet erklärt: «Das Gesuch zur Finanzierung dieses Therapieangebots hat das ED abgelehnt, da Therapien grundsätzlich zum Gesundheitsbereich und nicht zur Jugendhilfe gehören.» Das, obwohl es gemäss der kantonalen Website das wichtigste Ziel des KJD ist, «gute Entwicklungsbedingungen für Kinder und Jugendliche zu gewährleisten oder wiederherzustellen». Auch dass der Kinder- und Jugenddienst, der für die Triagen zuständig ist, dem ED angegliedert ist, scheint hier nicht relevant zu sein.

Wie der Verein sein Angebot künftig finanzieren soll, ist unklar. Für die 22 Kinder auf der Warteliste sowie die 42 aktuell begleiteten Kinder ist laut Huber ab April kein Geld mehr übrig. Vom ED habe er die Antwort erhalten, dass bis 2023 eine Bedarfsanalyse durchgeführt werde. «Die nächsten drei Jahre müssen wir schauen, wie wir weitermachen.» Damit vertröste der Kanton die Kinder bloss, ist Huber überzeugt.

Eine Meinung, die auch Gölgeli teilt. «Ich finde es nicht okay, dass hier Kinder warten müssen», sagt sie. «Das ist skandalös. Das Kindeswohl muss gewährleistet sein.» Sie möchte nun mit den betroffenen Stellen das Gespräch suchen.

*Name geändert