Unsere kleine Stadt
Läutet ein Jahrzehnt des Wohnungsbaus ein!

Daniel Wiener
Daniel Wiener
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Stadtplanung im Zwist. (Archivbild)

Stadtplanung im Zwist. (Archivbild)

Erich Meyer

Seit 2010 entstanden im Kanton Basel-Stadt fast 20000 zusätzliche Arbeitsplätze. Im gleichen Zeitraum wurden aber nur 4500 neue Wohnungen gebaut – viel zu wenige, um die neuen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer unterzubringen. Mit anderen Worten: Strassen und Züge müssen Jahr für Jahr Tausende neue Pendler verkraften.

Dieses Ungleichgewicht beschäftigt auch den Regierungsrat. Verständlicherweise möchte er keinesfalls das Wirtschaftswachstum bremsen. So plant er auf den riesigen Transformationsarealen wie Klybeck, Dreispitz, Rosental Mitte, Wolf oder Volta Nord bis 2035 rund 30000 weitere Arbeitsplätze anzusiedeln. Die Wohnungen sollen aber im gleichen Zeitraum bloss um 10000 zulegen.

Wenn nur 10000 Wohnungen (für rund 20000 Menschen) entstehen und gleichzeitig 30000 Jobs dazu kommen, muss die Stadt einen weiteren steilen Anstieg der Pendlerzahlen verkraften. Ob diese mit dem Auto oder per Bahn, im Tram oder auf dem Velo anreisen – sie sind so oder so eine zusätzliche Belastung für die Infrastruktur. Und die Zersiedlung des Umlands geht ungebremst weiter.

Jetzt ist die Zeit gekommen, umzudenken. Ein bekannter Banker zieht diesen Schluss aus der Coronakrise: Wenn er heute durch die leeren Büros seines Finanzinstituts gehe, werde ihm klar, dass rund ein Drittel seiner Räume nie mehr benötigt werden. Alle haben wir gerade die Effizienz und technische Einfachheit des «Homeoffice» kennen und zuweilen auch schätzen gelernt. Davon wird ein Teil permanent bleiben.

Dafür ändern sich die Anforderungen ans Wohnen: Eine Ecke, um zu Hause in Ruhe zu arbeiten, gewinnt an Wert. Mit Corona lernen wir, wie die gute Stube zugleich Büro, Kita, Werkstatt und Gästezimmer sein kann. Diese Überlagerung bedeutet für die Stadt der Zukunft dreierlei: Die klare Trennung zwischen Wohnung und Schaffensort ist passé. Flexible Arbeitsorte lassen den Büroflächenbedarf dramatisch schrumpfen. Und multifunktionale Wohnräume reduzieren das Pendeln.

Natürlich lassen sich nicht alle Arbeiten von zu Hause aus erledigen. Weil wir Nah-Produkte und regionales Schaffen wieder höher schätzen, beflügelt die Erfahrung mit dem Coronavirus das heimische Handwerk und Gewerbe. Wichtig bleiben auch Angebote für neue Labors, Logistik oder Produktion. Dramatisch schrumpfen wird aber die Büro-Nachfrage. Für «Homeoffice» besonders attraktiv ist ein lebendiges, dichtes Wohnumfeld mit Quartierläden, Sportanlagen, Kitas, grünen öffentlichen Räumen und Treffpunkten (auch für Sitzungen im Bistro nebenan).

Solche gemischten Stadtteile haben auch in Basel Zukunft. Deshalb sollte die Politik ihr Zahlengerüst überdenken und ein Jahrzehnt des Wohnungsbaus einläuten. Die Planung muss sich darauf einstellen, dass sich Arbeitsplätze teilweise in Wohnungen verlagern. Was übrigens auch die Vereinbarkeit von Beruf und Familie unterstützt. Statt Raum für nur 10000 Wohnungen zu projektieren, sollten es eher 20000 (für 40000 neue Einwohnerinnen) sein. Zumal sich darin auch arbeiten lässt. Hingegen würden statt Arbeitsflächen für 30000 neue Jobs solche für 15000 bis 20000 vollends reichen.

Der in Liestal aufgewachsene und in Basel lebende Autor Daniel Wiener ist Journalist, Kulturmanager, Unternehmer und Berater.