Weil am Rhein
Lieferadress-Service fast nur für Schweizer: Das Geschäft an der Grenze boomt

Da Firmen nicht in die Schweiz liefern wollen oder hohe Kosten entstehen, holen Schweizer ihre Päckli oft bei einer Adresse im Ausland ab. Die Weiler Firma Burg hat 30 000 Kunden – vorwiegend Schweizer.

Peter Schenk
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Der Lieferadress-Service an der Grenze in Weil am Rhein boomt – wegen der Schweizer
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Zwei Minuten geht es, bis ein Kunde sein Paket hat
Die Schalterhalle in der Hauptstrasse
Paket an Paket – hier lagern 8000 Stück
Sogar einen Parkautomat für den Parkplatz gibt es
Es mussten mehrere Schalter eingerichtet werden, damit Kunden schneller bedient werden
Die Pakete werden den Kundennummern zugeteilt
Die Pakete stapeln sich in der Lagerhalle

Der Lieferadress-Service an der Grenze in Weil am Rhein boomt – wegen der Schweizer

Kenneth Nars

Vor gut sieben Jahren hatte Roland Burg ein Problem. Das Geschäft mit dem Glücksspiel lief in seiner Annahmestelle für Toto und Lotto in Weil am Rhein Friedlingen regelmässig schlechter und er musste sich nach einer Alternative umschauen. Im Sommer 2006 hatte er die Idee, parallel zum Lotto-Geschäft einen Lieferadress-Service (LAS) anzubieten.

Wer eine Adresse in Deutschland brauchte, konnte gegen eine Gebühr die von Lotto-Burg angeben. «In der ersten Woche haben wir vier Euro eingenommen und in der zweiten 12.50 Euro», erinnert sich Andreas Burg, der Sohn von Roland Burg. Anfangs wurden die Sendungen nach dem Alphabet geordnet. Das hatte zur Folge, dass die Hälfte des Lagers leer stand, während Abteilungen mit häufigen Buchstaben wie M oder S regelmässig überfüllt waren.

2010 entschieden sich die Burgs auf ein per Informatik gesteuertes System umzuschalten und Kundenkarten einzuführen. «Den Ausschlag gab, dass wir zwei Kunden mit gleichem Namen, Vornamen und Geburtsdatum hatten», erzählt Roland Burg. Ausserdem zog der Lieferadress-Service im gleichen Jahr in eine Halle mit Schaltern auf die andere Strassenseite um.

Für Schweizer interessant

Der Service ist insbesondere für Schweizer interessant, da viele Firmen nicht in die Schweiz liefern oder hohe Gebühren bei Zoll, Post oder Speditionen anfallen (Text rechts). Da verwundert es nicht, dass 85 Prozent der Kunden aus der Schweiz kommen. Trotz EU stammen zehn bis zwölf Prozent aus Frankreich. Grund sind bürokratische Hürden bei Sendungen aus Deutschland.

Die Freigrenze beträgt 300 Franken

Wer eine Sendung bei einem Lieferadress-Service abholt und selber über die Grenze in die Schweiz einführt, braucht wie im normalen Reiseverkehr bis zum Warenwert von 300 Franken pro Person keine Abgaben zahlen. Der Wert ist allerdings nicht kumulierbar. Das heisst, der Wert einer Matratze oder eines Besteckkoffers kann nicht auf mehrere Personen aufgeteilt werden. Bei alkoholischen Getränken, Tabakwaren und landwirtschaftlichen Erzeugnissen gelten andere Freimengen.


Zudem muss bei der Überschreitung zusätzlich zur Schweizer Mehrwertsteuer auch Zoll bezahlt werden. Patrick Gantenbein, Mediensprecher Grenzwachtregion und Zollkreis Basel, betont: «Es ist für uns sehr wichtig, dass wir eine Rechnung, Quittung oder sonst einen schriftlichen Beleg haben, welche nicht nur über den Wert des Pakets, sondern auch über den Inhalt Auskunft gibt. Nur so können wir beurteilen, welchen Mehrwertsteuersatz, den normalen von 8 Prozent oder den reduzierten von 2,5 Prozent, zum Beispiel für Bücher oder teilweise für Medikamente, angewandt wird.» Dies würde eine Öffnung der Pakete und eine Werteinschätzung ersparen. «Wir akzeptieren auch einen elektronischen Beleg, der auf dem Mobiltelefon vorgelegt werden kann», führt Gantenbein aus.


Damit der deutsche Zoll den grünen Zettel für die Erstattung der Mehrwertsteuer in Deutschland abstempelt, muss der Empfänger der Sendung einen Wohnsitz in der Schweiz haben und das Paket aus Deutschland ausführen. Bei Sendungen per Post erhebt der Schweizer Zoll die Mehrwertsteuer erst ab fünf Franken. Je nach Mehrwertsteuersatz darf die Sendung 62 Franken (8 %) oder 200 Franken (2,5 %) wert sein. Post und Kurierfirmen verlangen für die Verzollung teils erhebliche Gebühren. (psc)

Schon bald reichte die eine Halle nicht mehr und 2011 wurde eine zweite eröffnet. Mittlerweile hatte der Lieferadress-Service 12'000 registrierte Kunden. «Wir haben erkannt, dass das ein gutes Geschäft ist. Dass es derartige Dimensionen erreicht, haben wir allerdings nicht gedacht», kommentiert Roland Burg.

Das Wachstum ging weiter. Heute zählt der LAS 25'000 Kunden, weitere 5000 an der Adresse in der Grenzstrasse, ebenfalls in Weil-Friedlingen, wohin auch grössere Sendungen geschickt werden können. Mittlerweile flacht der Boom etwas ab. «Jetzt in der Vorweihnachtszeit registrieren wir pro Woche noch 170 neue Kunden, im Sommer sind es 100», erklärt Andreas Burg.

Die Ausgabe hat der LAS jetzt gut im Griff, wobei grosse Sportveranstaltungen in der Schweiz manchmal zu einer leeren Halle führen. Die meisten Abholer kommen ab 16.30 Uhr, am Freitagnachmittag und natürlich am Samstag. Dann werden alle sieben Schalter geöffnet und selbst, wenn man 15 bis 20 Personen vor sich hat, geht es erstaunlich schnell vorwärts. Dafür sorgt auch ein Nummernsystem. Wie bei der Post müssen die Kunden bei ihrer Ankunft eine Nummer ziehen und werden über eine elektronische Anzeigentafel aufgerufen.

Im Durchschnitt dauere es zwei Minuten, um einen Kunden zu bedienen, schätzt Andreas Burg. Bei der Anlieferung wird die Sendung erfasst und erhält einen Strichcode, dem beim Ablegen in der Lagerhalle per Funkscanner der Ort zugeordnet wird. Wird etwas falsch eingegeben, geht in der Halle eine Polizei ähnliche Sirene los.

Die Inanspruchnahme des Lieferadress-Service kostet je nach Grösse der Sendung zwischen 1.80 Euro und 11.50 Euro. Stimmen Adresse, Karte und wird zusätzlich die persönliche PIN-Nummer eingegeben, werden ermässigte Preise verrechnet. «Der PIN ist auch eine Sicherheit für uns», sagt Roland Burg.

Benachrichtigung per E-Mail

Benachrichtigt werden die Kunden per E-Mail – am gleichen Tag, an dem die Sendung im LAS eingeht. Im Durchschnitt befinden sich 8500 Päckchen im Lagerraum und täglich gehen 1800 Sendungen rein oder raus. Das Hauptproblem ist für die Burgs weniger die Ausgabe der Sendungen, sondern die Lagerung. «Wir haben gerade den Bauantrag für eine dritte Halle gestellt, die knapp 200 Quadratmeter gross sein wird und im nächsten Sommer zu Verfügung stehen soll», teilt Roland Burg mit.

Neben den Hallen steht für die Automobilisten ein Parking mit 30 Plätzen zur Verfügung. Die ersten 20 Minuten sind gratis. Die Kunden müssen die Parkkarte mit an den Schalter bringen und dort einlesen lassen.

www.las-burg.de