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Das neue Werk der Künstlerin und Choreographin ist virtuos, intelligent und cool – und bleibt an der Oberfläche.
Die Bühnen der Kaserne Basel gehören dieser Tage den Frauen. Heute Abend werden die Urmütter der Punk-Performance, Les Reines Prochaines, ihre neue CD taufen. Samstag und Sonntag wird Teresa Vittucci mit ihrem «Solo For Future Feminism» einen ungewohnten Blick auf die Jungfrau Maria werfen. Am Mittwoch und Donnerstag hat Alexandra Bachzetsis den Programmschwerpunkt eröffnet.
Ihr Schaffen steht beispielhaft für den Grenzgang zwischen Theater, Tanz und Bildender Kunst. Seit rund zwanzig Jahren untersucht die Choreografin und Künstlerin konsequent den Einfluss der Mode- und Populärkultur auf unsere Körper und Psychen. Mittlerweile zeigt die mit zahlreichen Preisen geehrte Zürcherin ihre Arbeiten weltweit in Theatern und Museen. So auch ihre aktuelle Arbeit «Chasing A Ghost», die am Art Institute of Chicago uraufgeführt wurde.
Die Archäologin in Sachen Körperkultur
In gewisser Weise ist Bachzetsis eine Archäologin in Sachen Körperkultur. Sie sammelt Ausdrucksweisen, Bewegungsmuster und Gesten aus der kommerziellen Kultur, aus Mode, Videoclip und Fernsehen. Sie entlarvt diese mächtigen Fantasieprodukte und konfrontiert und vermischt sie mit Ausdrucksweisen aus dem Ballett, der Performance und dem Tanz.
Die Choreografin, die oft selbst mit auf der Bühne steht, interessiert sich dafür, wie die Muster der Massenkultur unsere Vorstellungen von Geschlecht und Identität prägen. Sie hinterfragt, inwieweit wir durch sie befreit oder eingeengt werden.
In «Chasing A Ghost» lenkt Bachzetsis den Blick auf das Paar. Mit drei Tänzern, einer Tänzerin und in Begleitung zweier Pianisten an Konzertflügeln umkreist die Choreografin dieses Thema. Und präsentiert dazu ihre Sammlung: Da sind die beiden Frauen in High Heels, Strumpfhosen und Achtzigerjahre-Jackets, blau und rot. Sie laufen synchron und sind sich Spiegelbild. Zwei Männer umarmen sich, tanzen den Paartanz. In einer Videosequenz, vor Ort aufgenommen, verschwimmen ihre Gesichter zu einem. Eine Frau und ein Mann überbieten sich mit feinen Zuckungen der Waden-, Bein- und Gesichtsmuskeln. Zwei Männer knutschen, während eine Frau auf einer Pelzdecke ihnen zuschaut. Bachzetsis tritt als Chansonsängerin auf, windet sich leidenschaftlich und sehr explizit an einem Männerkörper. Ein Mann und eine Frau parodieren eine Martial-Art-Szene, zwei Männer tanzen ein Pas de deux.
Zusammengehalten – oder besser: angetrieben – wird diese Collage von den Pianisten. Ihr hämmernder, zwanghaft repetitiver Sound lädt die Atmosphäre zu höchster Spannung und Intensität auf. Nur wenige Pausen unterbrechen diesen virtuosen Grundklang der Inszenierung.
Auf der Jagd nach dem Geist der Wahrheit
Bachzetsis ist eine Meisterin, wenn es darum geht, die Dinge in der Schwebe, die Deutungen im Ungefähren zu belassen. Da ist viel coole Pose, die Choreografien sind mit Witz gespickt, die angedeuteten Sexszenen sind intensiv und deutlich, die Körper schön, die Kostüme schrill bis schräg, die Blicke der Performer und Performerinnen ironisch gebrochen. Den Zuschauern wird ihr eigener Voyeurismus vor Augen geführt, in dem die Choreografin selbst den Tänzerinnen und Tänzern scheinbar gelangweilt zuschaut.
In diesem Universum ist alles Form. Virtuos und intensiv zwar, aber glatt wie Teflon. Ehrliche Emotion ist kaum zu finden. Und das ist vielleicht genau der Angelpunkt der Kunstwerke von Bachzetsis: Sie misstraut der Möglichkeit der einen Wahrheit. Ihre Figuren sind immer zugleich Erschaffer und Opfer einer Form. Sie selbst sagt in einem Interview: «Wir konstruieren Begierde und wir haben ein Verlangen danach.»
Am Ende posiert sie nackt mit zwei nackten Tänzern. Aber auch diese Nacktheit ist nicht Wahrheit, sondern Pose. Die Wahrheit ist in dieser Welt wohl eben jener «Ghost to chase», der Geist, dem wir nachjagen.