Wahlen 2020
Mit Energie für die Extrameile: Esther Keller kandidiert für die Basler GLP für den Regierungsrat

Esther Keller kandidiert für die Basler GLP für den Regierungsrat – und lockt damit etablierte Politiker und Politikerinnen aus der Reserve.

Silvana Schreier
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Esther Keller: «In Basel lebt sonst nur ein Cousin, darum wurden die Freunde schon früh sehr wichtig für mich.»

Esther Keller: «In Basel lebt sonst nur ein Cousin, darum wurden die Freunde schon früh sehr wichtig für mich.»

Nicole Nars-Zimmer

Eine grosse weisse Blume in einer Glaskaraffe ziert den Esstisch aus Holz. Ein paar violette Blüten machen die Dekoration perfekt. «Die habe ich von einem LDP-Wähler bekommen», sagt Esther Keller beiläufig. Als sie den fragenden Blick der Interviewerin bemerkt, ergänzt sie: «Ich stand auf dem Marktplatz, wurde gerade interviewt. Da kam ein Mann hinzu und unterbrach uns. Er gab mir die Blume und meinte, er finde es toll, dass ich den Wahlkampf aufmische.» Eine unerwartete Unterstützung, die Keller noch so gerne annimmt. Sie kandidiert für die Basler GLP für das Regierungsratspräsidium und fordert damit die amtierende Regierungspräsidentin Elisabeth Ackermann heraus.

Den Wahlkampf startete Keller Anfang August. Sie lud die Basler Medien zu sich nach Hause in den Garten ein. Unter dem schattenspendenden Baum präsentierte sie ihr Wahlprogramm. Eine digitalisierte Kantonsverwaltung, Unterstützung für freie Kulturschaffende, Basel als Vorreiter in Sachen Klimafreundlichkeit. Grosse Ziele für eine Polit-Newcomerin, könnte man meinen. Schliesslich sitzt Keller erst seit einem Jahr im Grossen Rat.

Nun ist es Zeit für die Arbeit an unserer Zukunft.

(Quelle: Esther Keller)

Doch für die 36-Jährige ist die Regierungsratskandidatur der logische nächste Schritt. Sie ruft auf ihrem silbernen Laptop ein Foto von sich als Moderatorin eines Fachkongresses auf. «In meinem Geschichtsstudium setzte ich mich mit der Vergangenheit auseinander. Als Journalistin für «Telebasel» und als Moderatorin beschäftigte ich mich mit der Gegenwart. Und nun ist es Zeit für die Arbeit an unserer Zukunft», sagt Keller. Diese Schlussfolgerung hat sie sich nicht zufällig zurechtgelegt – damit will sie skeptische Wähler, die ihr politische Unerfahrenheit oder Jugendlichkeit vorwerfen, von ihren Fähigkeiten zu überzeugen.

Wenn Freunde zur Familie werden

Tatsächlich ist Esther Keller in Basel keine Unbekannte. Obwohl sie ursprünglich gar nicht aus dem Stadtkanton stammt: Keller wuchs im Aarau und im Baselbiet auf. Die Mutter beschreibt sie als politisch links, der Vater sei eher bürgerlich geprägt. «Ich habe immer gerne beiden Seiten zugehört», so Keller. Das tue sie noch heute, weshalb sie sich auch als lösungsorientierte Politikerin sehe, die nicht polarisieren wolle.

Esther Keller ist Co-Präsidentin von Sm'Aesch Pfeffingen.

Esther Keller ist Co-Präsidentin von Sm'Aesch Pfeffingen.

Christoph Jermann

Vor fünfzehn Jahren verliess Keller für ihr Studium den Familienrahmen und zog in die Stadt. Seither ist sie «Selbstversorgerin», wie sie gerne betont. Ihre Eltern hätten sie zwar finanziell unterstützt, sie habe aber auf eigenen Beinen stehen wollen. Noch während der Zeit an der Uni Basel arbeitete Keller für den Lokalsender «Telebasel» und verdiente so ihren Lebensunterhalt. Schnell hatte sie einen Freundeskreis, der zur Ersatzfamilie wurde. Keller: «In Basel lebt sonst nur ein Cousin, darum wurden die Freunde schon früh sehr wichtig für mich.»

Esther Keller mit ihren WG-Mitbewohnerinnen.

Esther Keller mit ihren WG-Mitbewohnerinnen.

Zur Verfügung gestellt

Seit mittlerweile zehn Jahren lebt Keller in einer Wohngemeinschaft mit vier Freundinnen. Kurz vor dem Medienanlass im eigenen Garten zog die WG in das Eigenheim an der Flughafenstrasse. Der Hauskauf sei damit auch als langfristige Verpflichtung den Mitbewohnerinnen und dem Lebensmodell gegenüber zu sehen, sagt Keller. Eine mögliche Regierungspräsidentin, die in einer WG lebt? «Klar, das ist speziell. Aber viele Frauen finden es ermutigend, mal eine andere Biografie zu sehen.»

Und schon ist sie in ihrem Thema drin: Ein wichtiger Punkt in Kellers Wahlprogramm ist nämlich das Wohnen. «Ich bin mir nicht sicher, ob die 50 Prozent, die in Basel-Stadt alleine wohnen, das auch wollen», sagt Keller. Vielmehr sei es bisher weder architektonisch noch gesellschaftlich vorgesehen gewesen, in sogenannten Cluster-Wohnungen zu leben. Hier würde sie als Vertreterin des Präsidialdepartements ansetzen.

«Das ist mir zu brav»

Zum Regierungspräsidium gehört die Repräsentation des Kantons nach aussen. Als Fernsehmoderatorin, Krisenkommunikationsfachfrau und Co-Präsidentin des NLA-Volleyclubs Sm’Aesch Pfeffingen ein Klacks, oder? «Das Fernsehen bin ich gewohnt. Dort kann ich die Dynamik, die mich ausmacht, ausstrahlen. Aber auf Fotos ist das deutlich schwieriger», sagt Keller, die während des Fotoshootings mehrmals sagte, «das ist mir zu brav».

Ihr ist bewusst, welche Wirkung sie als junge Frau hat. Wenn sie als «ewiglächelnd» bezeichnet wird, nervt sie das nicht. «Es aktiviert mich», sagt Keller und ballt ihre Fäuste. «Man kann mich nicht so schnell aus der Ruhe bringen, ausser beim Thema Gleichstellung. Dort kann ich mich schon in Rage reden.» Und natürlich als Volleyballerin auf dem Feld, wo auch Kellers Emotionen mal hochkochen.

Ich will Dinge benennen und transparent sein.

(Quelle: Esther Keller)

Im Wahlkampf hat Esther Keller denn auch keine Berührungsängste damit, anzuecken. So veröffentlichte sie Mitte August die Zahlen zu ihrer Wahlkampffinanzierung. Diesen lässt sie sich rund 75'000 Franken kosten – 10'000 Franken davon steuert sie selbst bei. Mit ihrem Tweet dazu forderte sie die etablierten Parteien, wie sie sie nennt, heraus.

Nicht alle teilten die Transparenzwünsche der GLP-Politikerin: CVP, FDP, LDP und SVP etwa bleiben trotz Herausforderung zugeknöpfter. «Mein Wahlkampf lebt davon, dass die Leute spüren, wer ich bin», sagt Keller. Dazu gehört, dass sie Themen anspricht, die andere lieber hinter geschlossener Tür besprechen.

Wenn sie als «ewiglächelnd» bezeichnet wird, nervt sie das nicht. «Es aktiviert mich», sagt Keller und ballt ihre Fäuste.

Wenn sie als «ewiglächelnd» bezeichnet wird, nervt sie das nicht. «Es aktiviert mich», sagt Keller und ballt ihre Fäuste.

Nicole Nars-Zimmer

Und, dass sie Regierungspräsidentin Ackermann indirekt kritisiert. «Ihr Amt ist das Zukunftsdepartement. Diese wichtige Funktion steht nun schon seit Jahren in der Kritik», sagt Keller. Sie will es anders machen, würde sie gewählt. «Ich will Dinge benennen und transparent sein», meinte sie bereits vor einigen Wochen bestimmt. Offenere Kommunikation, bessere Führung des Departements und ein adäquates Repräsentieren des Kantons und der Stadt nach aussen.

Kandidatin mit «Energie für die Extrameile»

Doch warum eigentlich direkt die Kandidatur für das Regierungspräsidium? «Ich weiss, nur in den Regierungsrat wäre einfacher gewesen», sagt Keller und zuckt mit den Schultern, «aber ich habe die Energie für die Extrameile.» Sie habe einen hohen inneren Antrieb, wolle sich für die Stadt einbringen, sich zu 150 Prozent einsetzen für Basel. «Das klingt pathetisch und einstudiert, aber ich liebe diese Stadt», so Keller. Böse Zungen könnten nun ergänzen: Und darum hat die Stadt Basel mehr verdient.

Trotz Wahlkampf bin ich zur meisten Zeit noch selbstständige Unternehmerin, denn das wäre ich auch bei einer Niederlage weiterhin.

(Quelle: Esther Keller)

Ob ihre Chancen gut aussehen, ob es eine knappe Wahl wird: Esther Keller will keine Prognosen wagen. «Trotz Wahlkampf bin ich zur meisten Zeit noch selbstständige Unternehmerin, denn das wäre ich auch bei einer Niederlage weiterhin.» Mit dieser Lockerheit möchte sie die nächsten Wochen absolvieren, ja, überstehen. Gelingt die Wahl in die Regierung, wäre es eine Überraschung, ein Coup der aufstrebenden Basler GLP.

Klappt es nicht, bleibt Keller als Grossrätin der Politik treu. Und erinnert sich zurück an Gespräche mit Passanten vor ihren Wahlplakaten oder an die weisse Blume, die ihr ein Wähler der LDP überreichte und ihr damit zeigte, dass es richtig war, den Wahlkampf durcheinander zu bringen und Kandidierende aus der Reserve zu locken.