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Johann Wanner redet über Gott, die Welt und über Kitsch – aber niemals über Politik.
Johann Wanner: Kitsch! Ou, das passt. Da habe ich einiges zu erzählen.
Es gibt einige wenige Wörter, die höre ich an den lautesten Orten, auch wenn ich nur flüchtig an jemandem vorbeigehe. Kitsch ist eines davon.
Kitsch heisst eigentlich Unstimmigkeit. Dabei ist von der Person abhängig, was kitschig ist: Zum einen passt dies, zum anderen nicht. Diese Unstimmigkeit heisst Kitsch. Kinder hingegen lieben den Kitsch, denen ist das egal. Die stehen dann manchmal mit der Nase am Schaufenster und die Mutter sagt: ‹Nur mit den Augen schauen!›. Dabei kommt begreifen von greifen.
Es bringt ja Glück, unsere Kugeln sind aus Glas. Ausserdem: Am meisten Kugeln macht hier der Chef kaputt (lacht). Mich befriedigt es, wenn etwas runterfällt und zerbricht. Und zwar nicht, weil’s passiert ist, sondern weil ich mich nicht aufrege. Auch wenn etwas Teures zerstört ist, freue ich mich, dass ich mich nicht ärgere.
Nein. Mir geht es sehr gut. Ich hatte kürzlich eine Diskussion über das Geld, hier im Laden. Es ging um einen Einkauf. Eine Mitarbeiterin sagte: ‹Aber Johann, Du willst doch auch das Geld in der Kasse haben.› Manchmal ist mir egal, was die Kunden wollen. Das klingt überheblich, ist aber so. Wenn ich nur anbiete, was die Kunden wollen, habe ich einen Gemischtwarenladen. Es braucht einen roten Faden, dann habe ich die Kunden, die ich verdiene.
Es braucht ein gutes Team um mich herum, auf gleicher Ebene mit mir. Wir müssen entscheiden, was wir wollen. Vor allem aber, was wir nicht wollen.
Ein Trend, für den ich nicht reif war, war Star Wars. Das war für mich ungewohnt. Unsere Designerin war dafür, sie hat mich überzeugt. Ein Riesenerfolg, alles ausverkauft, wir haben noch zwei oder drei Stück.
Ich habe mehrere, das ganz Jahr durch. Aber auch einen eigenen, persönlichen. Den schmücke ich ganz alleine. Es ist ein Ritual. Dann nehme ich meine Schachtel hervor und ich zelebriere das, nehme mir zwei bis drei Stunden Zeit. Ich packe meinen Schmuck aus, den ich seit dem Kindergarten sammle. Dabei soll man die Nase nicht zu dicht haben, sondern ein bisschen Abstand nehmen und sehen, wie es ausschaut. Wie im richtigen Leben!
Ich mache das viel zu selten. Ich müsste weg, in die Berge oder die Wüste. Ich war in jungen Jahren viel alleine, viel in der Wüste. Das fehlt mir.
Mit 22 Jahren ging ich von zu Hause weg. Ich liebte schon damals die Inszenierung. Es hiess, der Wanner geht in die Welt. Ich kaufte mir einen Döschwo. Alle Fenster in der Strasse waren offen, als ich mich verabschiedete. Und dann ab: Italien, Sizilien, Tunesien, Libyen, Ägypten. Zurück mit dem Schiff nach Alexandrien, Irak, Iran, Türkei – ein Jahr.
Ich hatte sogar einen arabischen Namen. Ich habe bei Beduinen gewohnt, manchmal auch in Militärcamps. Der Schah in St. Moritz war ein guter Kunde von mir. Aber der war so weit entfernt von seinem Volk! Eine Geschichte: Es gibt eine traditionelle Kanne, gefüllt mit Wasser, die dient in arabischen Ländern, um sich den Hintern zu waschen. Die haben einen schönen Ausguss, wie ein Penis. Ich habe einige davon bei einem Schrotthändler gefunden, wunderschön, aus Kupfer. Der Schah kaufte mir einige davon ab. Doch er wusste nicht, wofür die sind. Er hat sie mit Zinn auskleiden lassen und benutzte sie als Wein-Dekanter (lacht).
Weihnachten ist mehr als das Christentum. Lichterfeste kannten die Römer, die Kelten...
Ja, klar. Ich bin sehr katholisch aufgewachsen, aber jesuitisch. Das ist ein Unterschied. Zuhause hiess es: Du darfst nicht. Ein väterlicher Freund lehrte mich: Du darfst alles, was Du vor Dir verantworten kannst.
Aus unserer Sicht mag einiges Kitsch sein. Aber hier braucht es Toleranz. Kitsch ist ja ein Urteil über jemanden anders, doch vielleicht ist es nur für mich kitschig.
Mich würde interessieren, was sonst noch auf den Zetteln stand...
Das hätte mich auch interessiert. Ich wäre bei allem dabeigewesen, nur nicht Politik.