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Am Freitag wurde «Schellen-Ursli» von Marius Felix Lange am Theater Basel uraufgeführt.
Standesgemäss beginnt das Stück – mit einer Schelle: Der Dirigent Stephen Delaney gibt damit einen Rhythmus vor, das fünfköpfige Ensemble, das sich «Chalanda-Banda» nennt und aus Geige/Bratsche, Klarinette, Kontrabass, Akkordeon und Schlagzeug besteht, fällt ein und beweist gleich in den ersten Tönen seine musikalische Klasse, die auch später nie nachlässt. Der deutsche Komponist Marius Felix Lange holt mit viel handwerklichem Komponisten-Know-how das Beste heraus aus dieser Besetzung, und auch für die Stimmen schreibt er rollendeckend, denn Schellen-Ursli und seine Schwester Flurina sowie das Quartett der Dorfjungen und Waldtiere werden – jeweils doppelt besetzt – von Solisten aus der Basler Mädchen- und Knabenkantorei gesungen.
Keine geringen Herausforderungen für die jungen Sänger, die an der Premiere am Freitag aber grösstenteils bravourös bewältigt wurden. Nur Vater und Mutter werden von erwachsenen Opernsängern aus dem Opernstudio «OperAvenir» gesungen, und für den personifizierten Winter, der erst ein bisschen unheimlich wirkt und dann umso nachhaltiger lächerlich gemacht wird, engagierte man den erfahrenen Bassbariton Raphael Sigling.
Marius Felix Lange hat viel Erfahrung im Genre der Familienoper: «Das Gespenst von Canterville» schrieb er 2013 für Zürich, Andersens «Schneekönigin» oder Grimms «Schneewittchen» machte er zu Opernheldinnen, diesen Sommer wurde bei den Salzburger Festspielen seine Version des «Orlando furioso» uraufgeführt. Und jetzt also «Schellen-Ursli», die Geschichte vom Engadiner Bergbuben, der bei «Chalandamarz», wo mit viel Glocken-Getöse der Winter ausgetrieben wird, nicht mit der letzten übrig gebliebenen Micker-Schelle am Ende des Umzugs mitlaufen will, sondern die grosse Glocke vom noch im tiefen Schnee liegenden Maiensäss ins Dorf herunterholt.
Der Bündner Maler Alois Carigiet erfand diese Geschichte, illustrierte sie mit seinen heute weltberühmten Bildern, und Selina Chönz schrieb die Texte dazu. Lange schon vor der Verfilmung durch Xavier Koller oder der Kindermusical-Produktion, die letzten Winter durch die Schweiz tourte, war der «Schellen-Ursli» eines der bekanntesten Kinderbücher.
Lange hat für seine Version nun das Libretto selbst arrangiert und die Handlung etwas ausgebaut: Szenen aus «Flurina und das Wildvöglein» und «Der grosse Schnee» hat er mit eingebunden und damit nicht nur die Figur von Urslis Schwester aufgewertet, sondern neben der urchigen Gestalt des Winters auch eine gefährliche Lawine eingebaut, nach der sich Ursli als heldenhafter Retter profilieren darf. Damit hält Lange die Spannung hoch, bis nach 70 Minuten die «Chalandamarz»-Hymne, die er vom Bündner Komponisten Otto Barblan (1860–1943) ausgeborgt hat, erklingen darf – natürlich mit Ursli und der grossen Glocke an der Spitze des Umzugs.
Die Uraufführung auf der Kleinen Bühne des Basler Theaters hat der Regisseur Tim Jentzen handwerklich gekonnt mit viel Bewegung, aber auch einem schönen Schuss Poesie kindergerecht angerichtet. Er bleibt dabei aber auch für Erwachsene immer unterhaltsam. Pascal Seibicke hat für Bühne und Kostüme auf die beinahe schon ikonographischen Vorgaben von Carigiet verzichtet und seine eigene Alpen-Ästhetik entwickelt, die auch die Musiker und den Dirigenten umfasst. Süss sind die vier Waldtiere, die auch von Lange die süsseste Musik bekommen. Die Bühne ist ein gigantisches Holzharassen-Puzzle, auf dem die junge Darsteller munter herumturnen dürfen – und natürlich gibt es Schnee in rauen Mengen.
Liebevoll ist das alles gemacht – und profitiert in allen Elementen von der professionellen Erfahrung und der Infrastruktur eines grossen Theaterhauses.
Familienoper von Marius Felix Lange. Theater Basel, Kleine Bühne. Weitere Vorstellungen bis 7. Januar. Ab 6 Jahren.