Jürg Stöcklin tritt per 19. Oktober 2021 aus dem Grossen Rat zurück, nachdem er die Grünen Basel-Stadt insgesamt 20 Jahre vertreten hat (1996-2013, 2017-2021). Er ist langjähriges Mitglied der Finanzkommission und Mitglied der Regiokommission, des Distriktrats und der Delegation der IGPK der Universität Basel. 1995 war Stöcklin als Grünen-Präsident für den Nationalrat nominiert. Seine Nachfolge im Grossen Rat tritt Anina Ineichen an.
Was tun Sie als erstes mit der neugewonnenen Freiheit?
Ich reise sehr gerne und bin ein neugieriger Mensch. Ich werde noch mehr lesen als ohnehin schon. Etwa ein Buch des Historikers Jan Kershaw über die Geschichte des 20. Jh. Die Politik wird mich aber weiterhin beschäftigen, ich trete ja nicht aus der Partei aus. Auch beruflich, in der Wissenschaft, bin ich noch aktiv, langweilig wird mir nicht. Ausserdem habe ich seit kurzem einen Obstgarten auf dem Bruderholz.
Weshalb treten Sie nach 20 Jahren im Amt als Grossrat zurück?
Am Sonntag wurde ich 70 Jahre alt. Ich war immer gerne Grossrat und bin weder müde noch habe ich keine Lust mehr. Aber irgendwann muss man die Prioritäten anders setzen und wieder mehr Freiheitsgrade haben. Als Grossrat ist man zeitlich permanent stark eingebunden.
Mit welchen Gefühlen verlassen Sie den Grossen Rat?
Irgendwann gibt es den Moment, wo sich manches wiederholt, deshalb fällt es mir nicht schwer. Anders wäre es, mit der Politik überhaupt aufzuhören, aber das ist ja nicht der Fall, sondern einfach die Form fällt weg. Die Kommissionsarbeit wird mir vielleicht etwas fehlen. Meine Anliegen werden weitergetragen. Wir haben viele neue junge Mitglieder im Rat, welchen ich auch gerne beratend zur Seite stehen werde.
Was hat sich im letzten Vierteljahrhundert im Grossen Rat verändert?
Sehr viel. Als ich in den Rat gewählt wurde, gab es zum ersten Mal zusammen mit der SP eine Mehrheit im Rat. Das war die Geburtsstunde der Rot-Grünen Erfolge. Basel wurde zu einem Pionierkanton in der Umweltpolitik. Ein weiterer grosser Schritt für die Grünen war die Wahl von Guy Morin in die Regierung. Im Grossen Rat selber wurden 2003 die ständigen Kommissionen und der Parlamentsdienst eingeführt, die Arbeit wurde professioneller, der Rat in letzter Zeit aber auch operativer, gerade in der Quartierpolitik. Vorher wurden viele komplizierte Geschäfte im Rat ohne Vorbereitung debattiert. Dadurch war vielleicht mehr sichtbar, aber das Ergebnis nicht unbedingt besser.
Welche Meilensteine haben Sie in Ihrer Amtszeit erreicht?
Ganz am Anfang, als es um die zweite Revision des Energiegesetzes ging. Dort hat man entscheidende Veränderungen gemacht mit der Lenkungsabgabe auf Strom, dem Energiesparfonds. Ein weiteres Highlight war die Gründung des trinationalen Atomschutzverbandes, die zurückgeht auf eine Motion von mir. Dieser konnte sicher massgeblich zur kürzlichen Schliessung von Fessenheim beitragen. Das ist eines der grosses politischen Highlights für mich. Und natürlich die Klimabewegung. Der grosse Rat kann viel tun, aber es braucht auch immer Anstösse aus der Gesellschaft. Im Sinne Grüner Politik hat die Klimabewegung sehr viel gebracht.
Würden Sie etwas anders machen, wenn Sie zurückkönnten?
Fehler passieren. Aber ich bereue nichts.