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Der Basler Gewerbeverband veröffentlicht ein Ranking, das zeigen soll, wie KMU- und wirtschaftsfreundlich die Mitglieder des Grossen Rats abstimmen. Regierungskandidat Lorenz Nägelin schneidet dabei schlecht ab.
Der Basler Gewerbeverband greift in den Wahlkampf ein. Bereits seit einiger Zeit weibelt Direktor Gabriel Barell bei den verschiedenen Branchenverbänden, wirbt für den bürgerlichen Umschwung im Regierungs- und scoutet nach möglichen Kandidaten für den Grossen Rat, welche die Interessen der Wirtschaft vertreten. Gleichzeitig erhöht der Verband den Druck auf die Bisherigen. Am Mittwoch präsentierte er zusammen mit Präsident Marcel Schweizer und dem Politik-Verantwortlichen Patrick Erny ein Ranking der Grossräte, das zeigen soll, wie KMU- und wirtschaftsfreundlich die Ratsmitglieder stimmen. Dieses birgt einiges an Zündstoff.
Auf den ersten Blick zeigt sich: Die Vertreter von FDP, LDP, SVP und CVP belegen die vorderen Ränge. Sie haben sich bei den 60 Abstimmungen, die der Gewerbeverband für wirtschaftsrelevant erklärt, überwiegend an dessen Parolen gehalten. Auf den zweiten Blick hingegen überrascht, dass ausgerechnet Lorenz Nägelin — der SVP-Kandidat auf dem bürgerlichen Regierungsticket — von seinen Parteikollegen den schlechtesten Wert erzielt. Er landet lediglich auf Rang 37, wenige Plätze vor Martina Bernasconi von der GLP. Dies erklärt sich weniger durch seine Positionen. Vielmehr fehlte Nägelin bei zahlreichen Abstimmungen, was in die Berechnung einfliesst. Bei rund einem Viertel war Nägelin abwesend. Dies, obwohl er aktuell Fraktionspräsident der SVP ist. Zudem bewegte er sich Anfang Jahr im von der bz veröffentlichten Absenzen-Ranking des Basler Parlaments eher im Mittelfeld. Darauf angesprochen sagt Nägelin: «Solche Listen sind niemals ganz objektiv und bieten einen gewissen Interpretationsspielraum.» Zudem weist er darauf hin, dass an einem Tag gleich mehrere Wirtschaftsvorlagen behandelt werden können. «Wenn man dann verhindert ist, hat das einen grossen Einfluss auf dieses Ranking.»
Auch der Gewerbeverband nimmt Nägelin in Schutz: «Bei einer Liste gibt es immer jemanden der zuoberst und jemanden, der unten ist», sagt Präsident Schweizer. Der von Nägelin erzielte Wert sei sehr gut. Angesprochen auf die Platzierung von Bernasconi lassen die Gewerbler zudem durchblicken, dass sie Nägelin auch in Zukunft vor allem aus strategischen Gründen im Regierungswahlkampf unterstützen werden: «Wir hatten im Vorfeld eine breite Allianz befürwortet, die es so leider nicht gegeben hat.» Gemeint ist die gescheiterte Zusammenarbeit mit den Grünliberalen.
Keinen Einfluss auf die Rangierung hat die nationale Politik der jeweiligen Parteien. «Dies würde zu weit führen», sagt Barell. Bei den Rechten hätte so die Masseneinwanderungsinitiative Punkte gekostet, bei den Linken Vorlagen wie Erbschaftssteuer oder 1:12. Sowohl bei den SP- als auch bei den Basta-Politikern hätte dies aber kaum eine Rolle gespielt: Sie belegen ohnehin die hinteren Plätze. Heidi Mück beispielsweise, die für die Basta ins Regierungs-Rennen steigt, findet sich auf dem zweitletzten Platz der 95 bewerteten Grossräte wieder. Sie sagt: «Bei dieser Liste handelt es sich um eine Hitparade der Gewerbeverbands-Freunde.» Zudem kritisiert sie die Auswahl der 60 wirtschaftspolitischen Abstimmungen: «Was hat beispielsweise die Abschaffung der Behinderten-Fachstelle mit KMU-Freundlichkeit zu tun?»
Elisabeth Ackermann (Platz 53), die für die Nachfolge von Guy Morin kandidiert, ist die wirtschaftsfreundlichste Grüne. Nimmt man den vom Gewerbeverband errechneten Index zum Massstab, ist sie mit 25 von 100 möglichen Punkten immer noch dreimal KMU-unfreundlicher als Nägelin.
Die Rangliste wird angeführt von FDP-Präsident Luca Urgese. Die Bestnote verpasste er nur, weil er bei einer Abstimmung nicht am Pult sass — seine Positionen sind aus Verbandssicht aber perfekt.
Für die Politiker hat dieses Ranking durchaus grosse Bedeutung. Zum einen dürften Interessensvertreter diese Rangliste genau anschauen, zum anderen nutzt der Gewerbeverband sie auch, um zu bestimmen, wer mit Zuwendungen im Wahlkampf belohnt wird. «Wir bieten jenen, die uns gut gesinnt sind, mediale Plattformen. Zudem werden manche Kandidaten auch finanziell unterstützt», sagt Barell. Die Höhe dieses Betrags und wer davon profitieren wird, ist noch unklar. Sicher aber wäre Nägelin bei den Wahlen in den Grossrat nicht darunter — dafür ist seine Rangierung doch zu schlecht.
Das vollständige Ranking der Grossräte finden Sie hier.