Sanktionen
Iran was? Basel reagiert kaum auf die iranische Protestbewegung

Viele Exiliranerinnen in Basel sind durch die aktuellen Ereignisse in ihrem Herkunftsland sehr belastet. Sie wünschen sich mehr Unterstützung von Bund und Kanton. Die Politik unternimmt allerdings wenig.

Maria-Elisa Schrade
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Seit dem gewaltsamen Tod der 22-jährigen Kurdin Jina Mahsa Amini am 16. September, hat sich in Iran eine landesweite Protestbewegung entwickelt, die trotz massiver Repressionen der iranischen Machthabenden nicht nachlässt.

In Basel fand das erste Mal am 6. Oktober eine öffentliche Solidaritätsbekundung vor dem Rathaus statt. Daran nahmen auch einzelne lokale Politikerinnen und Politiker teil. SP-Grossrätin Edibe Gölgeli mahnte noch am selben Tag in den sozialen Medien:

«Es ist wichtig, sich überall für die Rechte von Frauen starkzumachen.»
Kundgebung vor dem Basler Rathaus. Edibe Gölgeli (SP) solidarisiert sich auch auf Instagram mit den Protestierenden in Iran.

Kundgebung vor dem Basler Rathaus. Edibe Gölgeli (SP) solidarisiert sich auch auf Instagram mit den Protestierenden in Iran.

Edibe Gölgeli

Ende Oktober bildeten Exil-Iranerinnen und Exil-Iraner schliesslich gemeinsam mit Sympathisierenden eine Menschenkette vor dem Kongresszentrum. Sonst ist in Basel-Stadt bislang wenig passiert. Darauf angesprochen, verweisen mehrere lokale Politikerinnen und Politiker auf den Bund.

Die Schweiz übernimmt die EU-Sanktionen gegen Iran nur teilweise

Doch auch auf Landesebene erhalten die Exiliranerinnen und Exiliraner nicht die erhoffte Unterstützung: Sowohl der Bundesrat als auch die Aussenpolitische Kommission des Ständerats lehnen die Sanktionen gegen den Iran ab, die aufgrund schwerer Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit der Protestbewegung von der Europäischen Union verhängt wurden.

Der Bundesrat begründet die Entscheidung mit «Guten Diensten»: Die Schweiz vertritt die USA diplomatisch in Iran und möchte auch andere Schutzmachtmandate nicht gefährden.

Am 29. Oktober bildete sich vor dem Kongresszentrum in Basel eine Menschenkette, um Solidarität mit der Protestbewegung in Iran auszudrücken.

Am 29. Oktober bildete sich vor dem Kongresszentrum in Basel eine Menschenkette, um Solidarität mit der Protestbewegung in Iran auszudrücken.

Nika Omid*

Die in Basel lebenden Iranerinnen Mahsa Azadi*, Nika Omid* und Sarina Pirooz* erwarten mehr. Sie sind an zwei Petitionen beteiligt, die dem Bundesrat am 16. November vorgelegt wurden.

Darin fordern die Unterzeichnenden neben einer Übernahme sämtlicher Wirtschaftssanktionen der EU und USA gegen den Iran auch diverse Sanktionen, die sich direkt gegen den inneren Machtzirkel der iranischen Revolutionsgarde und der Basidschmilizen richten. Beide Gruppen sind als verlängerter Arm des Regimes an der Tötung und Misshandlung zahlreicher Demonstrierender beteiligt.

Unterzeichnet hat auch Caroline Arni, Professorin für Geschichte an der Universität Basel. Arni begründet:

«Ich stehe hinter den Forderungen und halte eine grösstmögliche Solidarität mit den Protesten für bedeutsam – auch gegenüber Exiliranerinnen und Exiliranern in der Schweiz.»

Nationalrätin Sibel Arslan hält EU-Sanktionen für grundsätzlich umsetzbar

Die iranischstämmige Baslerin Elahe Steiner* und die drei iranischen Studentinnen Azadi, Omid und Pirooz sind hingegen überzeugt, dass die Schweiz ihre «Guten Dienste» für die USA in Iran dafür einsetzen müsste, Druck auf die Machthabenden in ihrem Herkunftsland auszuüben. Steiner sagt ausserdem:

«Das Geld vieler Machthaber aus Iran ist auf Schweizer Banken. Ich wüsste gerne, ob die Schweiz dieses Geld einfriert oder nicht.»

Auch Grünen-Nationalrätin Sibel Arslan findet nicht ganz nachvollziehbar, warum die Schweiz ihr Schutzmachtmandat als Argument vorschiebt, um einen Grossteil der EU-Sanktionen gegen Iran nicht zu übernehmen. Arslan, die Mitglied der Aussenpolitischen Kommission ist, hält alle Forderungen der Petitionen für grundsätzlich umsetzbar:

«Selbstverständlich kann der Bundesrat die Sanktionen übernehmen, das ist einzig eine Willensfrage.»

Doch auch auf kantonaler Ebene in Basel-Stadt sieht Arslan viele Handlungsmöglichkeiten. So könnte der Regierungsrat eine Taskforce einrichten, die Informationen beschaffe und Ansprechpersonen zur Verfügung stelle. Ausserdem könnte sie in Form einer Standesinitiative vom Bund fordern, dass dieser klar handle. Schliesslich wäre eine finanzielle Unterstützung von Vereinen und Organisationen denkbar, die sich vor Ort für die Anliegen der Iranerinnen und Iraner einsetzen.

Die Menschen sind von vielfältigen, anhaltenden Krisen überfordert

Benjamin van Vulpen, Co-Präsident der Basler Grünen, kommt zu einer ähnlichen Einschätzung und sagt, seine Partei stünde zu diesem Thema sowohl mit Sibel Arslan als auch mit der Basta in regelmässigem Austausch. Dennoch ist in Basel bislang nichts dergleichen geschehen. Der Regierungsrat bleibt zu diesem Thema stumm.

Sibel Arslan kann verstehen, dass sich die Exiliranerinnen und Exiliraner in Basel alleingelassen fühlen. Allerdings glaubt sie, Überforderung und Überlastung seien die Hauptgründe dafür, dass nicht mehr unternommen werde, nicht fehlende Anteilnahme:

«Die Menschen sind müde von den vielfältigen, anhaltenden Krisen. Viele kapitulieren, weil sie leider nicht wissen, wie sie helfen können.»

Der Iran scheine hier für viele Menschen sehr weit weg zu sein. Doch das Gegenteil sei der Fall. Das, was in Iran passiere, gehe alle in der Schweiz etwas an, so Arslan.

*Zum Schutz der Betroffenen wurden Pseudonyme verwendet. Die echten Namen sind der Redaktion bekannt.