Urteil
Sechs Jahre nach rassistischem Messerangriff: Freiheit auf Raten

Basler Strafgericht will nach mehreren Jahren Therapie nun rasche Vollzugsöffnungen für Täter.

Patrick Rudin
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Symbolbild

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Keystone

Es geschah spätabends an einem Bummelsonntag im März 2014: Der heute 34-jährige Mann rammte in der Rebgasse vor dem Clarashopping einem dunkelhäutigen, 64-jährigen Mann mit Rastamütze ohne Vorwarnung ein Küchenmesser in den Rücken. Das Opfer überlebte knapp, leidet seither aber an schwersten Rückenverletzungen.

"Wenn ich keinen Alkohol gehabt hätte, wäre das nicht passiert", sagte der Täter damals vor Gericht. Gerichtspräsident Marc Oser wies ihn allerdings schon damals darauf hin, dass die psychische Störung nicht aufgrund des Alkohols entstanden ist. Früher verkehrte der Mann in rechtsextremen Kreisen. An jenem Abend war er zuerst mit mehreren Freunden unterwegs, dabei sei er weinerlich gewesen, schliesslich ging er nach Hause und wollte dann nochmals unter die Leute. Warum er ein Küchenmesser mitgenommen hatte, konnte er nicht mehr erklären.

Nach der Tat zündete er sich eine Zigarette an und rief dann die Polizei. "Hoffentlich ist er tot", gab er zu Protokoll, gefolgt von primitivsten rassistischen Äusserungen. Das Basler Strafgericht verurteilte ihn im Januar 2015 wegen versuchten Mordes und ordnete eine stationäre Behandlung an: Der heute 34-Jährige lebte seither in einem Massnahmezentrum. Derartige Anordnungen sind auf maximal fünf Jahre beschränkt, weshalb das Basler Strafgericht diese Woche über eine Verlängerung entscheiden musste.

Damals wie heute gehen die Gutachter von einer emotional-instabilen Persönlichkeitsstörung vom Borderline-Typus aus, kombiniert mit einer Alkohol- und Kokainsucht. Seine Therapie-Verlaufsberichte über die letzten fünf Jahre sind ausgesprochen positiv, er hielt sich an die Urlaubsregeln, und im August 2019 hat er eine Lehre als Detailhandelsangestellter angefangen.

Der Tagesablauf ist kein Zuckerschlecken: Vor vier Uhr morgens muss er aus dem Bett, um vom Massnahmezentrum zu seinem Arbeitsplatz zu gelangen, und das abendliche Lernen für die Berufsschule ist gegen 22 Uhr zu Ende, wenn er in seinem Zimmer wieder eingeschlossen wird. Dazu kommen nebst der Therapie regelmässige Atemluft- und Urinkontrollen, durchwegs lebte er abstinent, bis er letzten Herbst einmal mit einem Promille Alkohol im Blut zurückkehrte. "Anstelle der völligen Abstinenz wäre es wichtig, ihm im geschützten Rahmen einen vernünftigen Umgang mit Alkohol beizubringen", kommentierte sein Anwalt Alain Joset gestern im Gerichtssaal.

Streitpunkt am Donnerstag war eigentlich nur der Zeitplan: Die Abteilung Massnahmevollzug wollte vom Gericht eine Fristverlängerung für zwei Jahre, um den Übergang von der engen Betreuung im Massnahmezentrum zur eigenen Wohnung mit viel Freiheit in Ruhe zu planen. Doch die fünf Richter gaben am Donnerstag Gas: Die Rahmenfrist für die stationäre Massnahme wird lediglich um ein Jahr verlängert, man solle die Dynamik der Berufsausbildung jetzt nutzen. Damit wird der Mann wohl im Sommer damit beginnen, sich eine eigene Wohnung zu suchen und Anfang nächsten Jahres definitiv aus der Massnahme entlassen. Für die Justiz ist die Sache damit erledigt, immer vorausgesetzt, der Mann wird nicht mehr rückfällig.