Die Tanzperformance «Equality» im Roxy Theater Birsfelden verbindet Breakdance mit Stierkampf und Capoeira.
Sind das Geräusche des «Star Wars»-Droiden R2D2, oder ist es nur ein vorgespultes Tonband? Schon die ersten Klänge packen die Schülerinnen und Schüler an diesem Mittwochmorgen. Dann treten die ausgebildete Balletttänzerin Laetitia Kohler und Benjamin Lindh Medin, der Wurzeln im Breakdance hat, auf. Bereits beim Gang in die Mitte der weissen Arena sind sie ineinander verknüllt. Wie eine akrobatische Schildkröte sieht das vierbeinige Wesen aus, das die beiden Profitänzer bilden. Arm an Bein, Bein an Arm. Dann transformiert sich das Tier – läuft mal in grossen Schritten wie ein Kamel und trippelt dann wie ein Dackel.
Die Frau trägt den Mann, der Mann trägt die Frau. In einem besonders schönen Moment wiegt Kohler den Kopf von Lindh Medin kraftvoll, aber bedacht in ihren Händen hin und her. Die Performer entdecken Gemeinsamkeiten: Sie leben beide seit genau zwei Jahren in Basel. Dass er aus Schweden und sie aus der Romandie kommt, ändert nichts. «Schweiz – Schweden. Das ist doch fast das Gleiche.» Auch dieselben Dinge mögen die Bühnen-Ichs, zum Beispiel «Brokkoli mit Mango».
Die Schülerinnen und Schüler sitzen auf niedrigen Holzbänken um den weissen Kreis – je drei pro Bank. Erwachsene nehmen mit ausreichend Abstand auf Einzelhockern Platz. Die Bänke und ihre Anordnung bilden das auffallendste Bühnenelement.
Kohler und Lindh Medin wirken wie ein Abbild voneinander. Beide sind barfuss, haben ihre langen Haare zusammengebunden, tragen blaue Hosen, Oberteile mit bunten Streifen – nur deren Grundfarbe ist verschieden. Einrichtung und Kostümierung sind Programm: Nichts soll von der Musik und dem Performer-Duo selbst ablenken. Alles ist Ausdruck davon, dass die beiden um Gleichheit, Gleichwertigkeit, Gleichstellung ringen.
Können wir gleich gesehen werden?
(Quelle: Laetitia Kohler und Benjamin Lindh, Medin Performer)
Mit Tanz, Slapstick, Kampfsport und Worten untersucht «Equality» das Titelthema: Können wir gleich, gleichwertig, auf Augenhöhe sein? Obwohl es keine eigentliche Geschichte gibt, sind die Einzelelemente sorgfältig komponiert, haben einen Spannungsbogen.
«Können wir gleich gesehen werden?», fragen die Performerin und der Performer. «Gleich laut, flexibel, emotional», zählen sie auf, während sie Räder schlagen. Später erzählt er, dass ihn als Kind Spielkameraden wegen seiner langen Haare hänselten. Sie wiederum habe sich mit 22 die Haare komplett rasiert – und sei abwechslungsweise für verrückt oder krebskrank gehalten worden.
Nicht in jeder Szene ist die Beziehung zwischen den Performern harmonisch. Sie kneifen sich, rennen mit dem Kopf voran – wie Stiere – aufeinander los, kämpfen. Aber jede Spannung wird spielerisch aufgelöst: Ja, er ist der bessere Breakdancer. Ja, ihr Spagat ist eindeutig der perfektere. Beides ist ok – und auch keine Überraschung. Sie war es schliesslich, die den Spagat machen wollte, er die Breakdance-Nummer.
Die Schulklassen setzten sich bereits im Vorfeld mit dem Thema Gleichstellung auseinander. Im Workshop nach der Vorstellung üben sie mit dem Duo nicht nur die Kampfsportbewegungen, sondern unterhalten sich auch über das Stück. «Was habt ihr gesehen?», fragt Nele Gittermann, Leiterin Vermittlung am Roxy. Zwei Menschen, die Brokkoli mit Mango lieben, sagen die ersten. «Zwei Menschen, die versuchten, gleich zu sein», reagiert ein Mädchen, «manchmal haben sie es geschafft, manchmal nicht.»
Die Performance «für alle Menschen ab acht Jahren» richtet sich natürlich eher an zehn- als an 40-Jährige. Lohnt sich der Besuch für Erwachsene ohne Kinder überhaupt? Solange Kinder da sind, schon! Denn Kohler und Lindh Medin gelingt es, eine niederschwellige Mitmach-Atmosphäre zu schaffen. Während sie sich gegenseitig ihre Liebe für Brokkoli mit Mango gestehen, ruft ein Bub «Ich liebe Spaghetti Carbonara» und umarmt lachend den Klassenkameraden neben ihm. Wenn die Musik zum Mitklatschen einlädt, ist die Klatschquote bei hundert Prozent. Selten erlebt man ein euphorischeres Premierenpublikum als diese beiden fünften Klassen aus dem Gellert.
Für Erwachsene gilt eine Maskenpflicht. Schon jetzt bestätigt das Roxy Theater, dass «Equality» nach den drei Abendvorstellungen und den drei für Schulklassen auf alle Fälle nochmals ins Programm aufgenommen wird.
Die Choreografin Rebecca Weingartner hat zusammen mit Benjamin Lindh Medin während zweier Jahre an dieser Performance gearbeitet. Nun konnte sie wegen einer Verletzung nicht selber auf der Bühne stehen – kurzfristig ist Laetitia Kohler eingesprungen. Nur schon, damit das Basler Publikum «Equality» mit seiner Macherin erleben kann, soll es nochmals nach Birsfelden kommen.
«Equality». Alle Vorführungen bis 20. September sind ausverkauft. www.theater-roxy.ch