Nähkästchen
Theaterchef Benedikt von Peter im Nähkästchen: «Mein Kind muss nicht so fleissig sein»

Die "Schweiz am Wochenende" hat mit dem Theaterchef Benedikt von Peter über die Herausforderungen der nahenden Vaterschaft gesprochen.

Leif Simonsen
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Benedikt von Peter war bisher nie lange an einem Ort – in Basel aber könne er sich vorstellen, länger zu bleiben.

Benedikt von Peter war bisher nie lange an einem Ort – in Basel aber könne er sich vorstellen, länger zu bleiben.

Nicole Nars-Zimmer

Der neue Basler Theaterintendant und Opernchef Benedikt von Peter plaudert aus dem Nähkästchen.

Herr von Peter, welchen Begriff haben Sie gezogen?

Benedikt von Peter: «Familie». Oh, da kann ich Ihnen aber einiges erzählen. Ich bin mit vier Geschwistern und einem Zwillingsbruder aufgewachsen. Bei uns war die Familie sehr wichtig. Und was ich jetzt beruflich mache, das hat bestimmt damit zu tun, wie ich aufgewachsen bin.

Waren Ihre Eltern Künstler?

Mein Vater nicht. Er war Beamter bei Helmut Kohl im Kanzleramt, dann ist er gegangen. Er war eher links, das passte nicht zusammen. Meine Mutter aber war angehende Sängerin, bis mein grosser Bruder auf die Welt kam. Ich hab sehr früh angefangen mit Musik, war Cellist und Jungstudent.

Kam, wie bei so vielen, die zuhause stundenlang ihr Instrument üben müssen, irgendwann eine Rebellenphase, in der Sie Metal oder Techno hörten?

Nein, ich habe bis heute keine Ahnung von Popkultur und verstehe auch die englischen Texte nicht. Ich höre überhaupt keine Musik. Musik ist meine Arbeit. Wenn den ganzen Tag Musik läuft, wirds irgendwann nervig.

Kommen Sie denn dazu, selber Musik zu machen?

Bei Beerdigungen und bei Taufen spiele ich noch Cello im Duett mit meinem Zwillingsbruder. Das kann ich schon noch: Ich hab ja die ganze Pubertät durchgeübt. Erst mit 19 habe ich das Instrument in die Ecke gestellt. Dabei wollte ich mit neun schon aufhören. Danach habe ich angefangen, Opern zu inszenieren. Was aber auch eher Zufall war.

Sind Ihre Geschwister auch in der Kultur gelandet?

Nein, die sind völlig verstreut. Einer ist Arzt, einer in der Wirtschaft, einer ist bei der EU und meine Schwester hat eine Firma für Stiftungsberatung in Berlin.

Schauen wir nach vorne. Jetzt werden Sie ja selbst Vater.

Ja, krass (lacht). Mit 43 werd’ ich noch Vater. Man sagt ja, Theater sei familienfeindliches Gebiet, was auch so ist. Ich habe viele 16-, 17-Stunden-Tage. Aber zum Glück entwickelt sich das Theater sehr stark. Man schaut darauf, dass das Familienleben möglich gemacht wird.

Aber dass Sie 43 geworden sind, ehe Sie Vater werden, ist schon jobbedingt.

Ja, das ist so. Bis vor sieben Jahren war ich freiberuflicher Regisseur. Da habe ich immer aus dem Koffer gelebt. Dann habe ich in Bremen als Operndirektor angefangen und bin dann etwas sesshafter geworden, dann als Theaterintendant in Luzern noch ein bisschen sesshafter und jetzt hoffe ich doch, dass ich mal eine Weile am gleichen Ort bleibe. Ich war sehr früh dran, was Karriere anging, habe mit 26 als Regisseur angefangen. Und ich bin ja jetzt auch sehr jung für einen Theaterintendanten. Alles ging schnell, da konnte das mit der Familie nicht auch noch schnell gehen.

Eine Lösung, wie Sie die Familie und den Job unter einen Hut bringen, haben Sie aber nicht präsentiert.

Ich sags geradeheraus: Wir haben eine Nanny. Das ist nicht gerade billig, aber meine Frau und ich haben uns dazu entschlossen, weil wir beide arbeiten wollen. Und später, wenn mein Kind älter ist, müssen wir auch ein Modell finden, wie wir uns die Arbeit teilen.

Welche Fehler, die Ihre Eltern gemacht haben, werden Sie nicht mehr machen?

Ich glaube, ich werde mein Kind früher rausschmeissen. Ich hab zwar sehr früh angefangen zu arbeiten, aber die Loslösung hat erst spät stattgefunden. Was ich auch anders machen will: Meinem Sohn weniger Stress in der Freizeit bescheren. Er muss nicht so fleissig sein wie ich. So viele Stunden am Tag Cello spielen, so wie ich das machen musste: Das muss nicht sein.

Sie hatten strenge Eltern?

Es herrschte bei uns zuhause eine Mischung aus Chaos und Lärm, es war aber auch sehr protestantisch leistungsorientiert. Meine Eltern haben uns beigebracht, Dinge selbst zu machen – und die Dinge, die wir angefangen haben, zu Ende zu bringen.

Was offensichtlich karrierefördernd ist. Wenn wir anschauen, wie schnell sich Ihre Karriere entwickelt hat, müssen wir ja damit rechnen, dass Sie in ein paar Jahren wieder weg sind aus Basel.

Das ist nicht mein Ziel. Ich könnte mir gut vorstellen, länger zu bleiben. Aber ich sitze auf einem Feuerstuhl. Es entscheide ja nicht nur ich, ob ich bleibe; sondern das Theater, ob es den Vertrag verlängert. Körperlich stellt sich ja auch die Frage: Wie lange geht das? Die Proben mit eingeschlossen bin ich an 90 Abenden pro Jahr im Theater Basel, dazu kommen noch die Vorführungen in anderen Häusern. An 120 Abenden ist man weg – und muss trotzdem am nächsten Morgen um acht eine Sitzung leiten.

Das hängt an.

Es ist vor allem anstrengend, weil so vieles sehr speziell produziert wird. Nichts kommt bei uns im Theater ab Stange, wie das beispielsweise bei Konzerten ist, wo du mit den immer gleichen Musikern arbeitest. Hier sind jedes Mal andere Solisten, andere Titel und ein anderes Regiekonzept, dazu Gäste aus aller Herren Länder. Alle unsere Produktionen sind eigentlich Prototypen. Da geht auch mal was daneben. Theater ist eine der wenigen Nischen, wo es noch ein richtiges Scheitern gibt. Es kann sein, dass sechs Wochen gearbeitet wird, und am Schluss ist die Produktion nicht so gut wie erhofft. Das sind die Leute gar nicht mehr gewohnt von Netflix. Aber es ist total wichtig für die Gesellschaft, dass Dinge passieren, die nicht perfekt sind.

Wenn etwas schlecht ist, wie reagieren Sie?

Ich habe da eine ziemliche Wandlung hinter mir. Früher habe ich Druck weitergegeben. Das sind ja oft nur Nuancen, ein Tonfall oder die Tatsache, dass ich tierisch viel gearbeitet habe – das setzt die anderen ja auch unter Druck. Aber heute denke ich, dass ich mehr Verantwortung überlassen kann. Man muss lernen, den Leuten zu vermitteln, dass es nicht so schlimm ist, wenn wirs vermasseln. Als 26-Jähriger hatte ich ja selbst immer Panik. Und dann musste es genau so gemacht werden, wie ich es gesagt habe. Heute weiss ich: Die beste Vorbereitung hilft manchmal nicht, um an ein perfektes Ergebnis zu gelangen – das macht Kunst aus.