Prozess am Strafgericht
Vergewaltigungsvorwürfe vom Februar: Opfer muss sich unangenehmen Fragen stellen

Vergewaltigungsvorwürfe sorgten im Februar 2020 für grosse Schlagzeilen. Die Beweislage ist schwierig. Es steht Aussage gegen Aussage: Die damals 33-jährige Frau schilderte heute Morgen vor dem Basler Strafgericht mehr als eine Stunde lang, wie sie an jenem Februarmorgen vor einem halben Jahr vor ihrer Haustüre an der Basler Elsässerstrasse vergewaltigt worden sei.

Patrick Rudin
Drucken
Blick vom Voltaplatz in die Elsässerstrasse.

Blick vom Voltaplatz in die Elsässerstrasse.

Nicole Nars-Zimmer/Archiv

Angeklagt ist ein heute 32-jähriger Mann aus Portugal, den sie seit rund zwölf Jahren kennt. Mit dabei war auch ein zur Tatzeit 17-Jähriger Mann, gegen ihn läuft ein separates, nicht öffentliches Verfahren nach Jugendstrafrecht.

Klar ist, dass man sich im Tram getroffen hat und die zwei Männer die Frau nach einer langen Nacht um sieben Uhr morgens zur Haustüre begleitet haben. Im Windfang des Hauses kam es dann zu sexuellen Handlungen: Laut den beiden Männern geschah alles einvernehmlich. Dass sie am nächsten Tag nach Portugal gefahren sind, sei keine Flucht gewesen, sondern eine bereits vorher geplante Reise. Der 32-Jährige hat dort eine Ex-Frau und vier Kinder.

Gestellt, da er unschuldig sei

Nachdem es die Vergewaltigungsvorwürfe in die internationalen Medien schafften, stellte er sich zwölf Tage später auf der Clarawache. «Ich bin unschuldig. Wenn ich etwas gemacht hätte, das nicht in Ordnung gewesen wäre, hätte ich mich nie bei der Polizei gemeldet, sondern wäre in Portugal geblieben», liess er gestern im Gerichtssaal den Dolmetscher übersetzen.

Ich bin unschuldig.

(Quelle: Der 32-jährige Angeklagte)

Die Vorgeschichte jener Nacht wirft Fragen auf: Der 32-Jährige will die Frau bereits zuvor in einer Disco bei sexuellen Handlungen mit einem anderen Mann beobachtet haben, die Frau wurde deshalb aus der Disco geworfen. Sie sagte vor Gericht, daran könne sie sich nicht erinnern.

Doch auch bei den beiden Männern gibt es Widersprüche: Der angeklagte 32-Jährige sagte stets, die Frau sei nach den sexuellen Handlungen plötzlich am Boden gelegen und habe geschrien. Der 17-Jährige wurde ebenfalls kurz vom Gericht befragt, von diesen Schreien hat er seltsamerweise nichts mitbekommen. Klar ist, dass sich die zwei Männer in Portugal mindestens eine Woche lang absprechen konnten. Der 32-Jährige sitzt seit seiner Rückkehr Mitte Februar in Untersuchungshaft.

Richter beraten sich am Mittwoch

Die drei Richter werden den ganzen Mittwoch in der Beratung die Beweise sichten und entscheiden, welche Widersprüche relevant und welche Aussagen glaubhaft sind. Erschwerend kommt hinzu, dass die Frau wegen einer falschen Anschuldigung vorbestraft ist.

Verteidigerin Bettina Brodbeck forderte Freisprüche für ihren Mandanten, sie monierte auch die vorverurteilende Medienberichterstattung über ihren Mandanten. Staatsanwalt Sasha Stauffer verlangte Schuldsprüche wegen mehrfacher sexueller Nötigung, Vergewaltigung sowie einer versuchten Vergewaltigung.

Opfervertreterin Miriam Riegger betonte, ihre Mandantin sei durch die mit Gewalt erzwungenen Übergriffe erniedrigt worden und habe dieses traumatische Erlebnis bislang nicht verarbeiten können. Das Urteil fällt am Mittwoch.