Muttenzerkurve
Verhärtete Fronten: Warum sich die FCB-Fans gegen den eigenen Klub stellen

In den vergangenen Wochen und Monaten wurde offenbar: Die Beziehung zwischen Muttenzerkurve und der FCB-Führungsetage ist gestört.

Benjamin Rosch
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FCB-Fans

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Der Flyer der Muttenzerkurve ist deutlich.

Der Flyer der Muttenzerkurve ist deutlich.

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Das hatte sich der FCB anders vorgestellt. Da lockte das Zocken gegen «The StrxngeR», «CodyDerFinisher» und «LuBo» an die Muba – aber die Turnier-Verantwortlichen standen ziemlich alleine auf dem Messeplatz. Der FC Basel hatte anlässlich der Messe die Fans zum Gamen aufgerufen, zu gewinnen gabs ein Training gegen die E-Sport-Granden des Clubs.

Zahlreiche Anmeldungen waren eingegangen. Und doch standen die professionellen Gamer fast alleine da. Nur wenige der Angemeldeten tauchten auf: Die Anmeldungen zum 64 Spieler umfassenden Turnier waren zu einem grossen Teil Fake. Ein Protest der Muttenzerkurve, eine Aktion gegen den eigenen Club. Das Verhältnis ist derzeit so gestört, dass der Club zusätzliche Sicherheitskräfte für den Muba-Stand des FC Basel aufbot – aus Angst vor weiteren Unmutsbezeugungen. Marketingchef Patrick Jost bestätigte die Vorkommnisse im Rahmen des Interviews mit der «Schweiz am Wochenende».

Der Flyer der Muttenzerkurve ist deutlich.

Der Flyer der Muttenzerkurve ist deutlich.

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Extreme Ausdrucksmittel

Solche Nickligkeiten tauschen Fans und FCB weit weg vom Rasen aus, abseits von der Öffentlichkeit. Doch auch diese kriegt Wind von den Störungen in der Beziehung zwischen Club und Fans. Wortwörtlich: Der schwarze Rauch vor dem Spiel gegen Lausanne zur Monatsmitte hing minutenlang drohend unter dem Dach der Gegentribüne. «Für e Spiel mit FCB-Legände so beschämendi Mittel verwände – ihr händ e Knall und mir sehn schwarz», schrieb die Kurve auf das Transparent, und zündete einen Böller.

In der Kurvensprache oft ein extremes Ausdrucksmittel, in Basel selten eingesetzt. Zusätzlich hatten Fans die Geschäftsstelle verschmiert, Wochen zuvor war die Autobahnwand dran. Influencer, E-Sports, die Preispolitik, dröhnende Eckball-Werbung: Der aktuelle Protest richtet sich gegen das Marketing.

Dieser Konflikt ist nicht neu. Schon der ehemalige Marketing-Chef Martin Blaser stand in der Kritik der Fans. Davon zeugt unter anderem ein längeres, kritisches Interview in der Kurvenzeitschrift «Schreyhals». Blaser war es auch, der den E-Sport als neuen Hype entdeckt und zum FCB geholt hatte, noch bevor fast die gesamte Führungsriege rund um Ex-Präsident Bernhard Heusler abtrat und Bernhard Burgener das Diktat übernahm.

Und auch schon vor Blaser war die Werbung ein Konfliktfeld. Diese führt Fussballromantikern immer wieder schmerzlich vor Augen, dass ihre Liebe der Unterhaltungsindustrie gehört und Emotionen der Unique Selling Point des FCB sind. Heusler und Co. bewiesen insbesondere zu Beginn ihrer Arbeit ein gewisses Gespür für diesen Unruheherd: Sie verbannten Halbzeit-Shows mit T-Shirt-Werfern und verwehrten sich den Plastikfussball-Duellen in Luftkissen, wie sie landauf, landab stattfinden.

Inzwischen haben viele auch vergessen, dass der FCB mal einen Rennboliden unterhielt. Dennoch hat auch Blaser das Fan-Sortiment erweitert. Bis in die späten 90er-Jahre führte der Shop nur wenige Devotionalien. In einem Interview aus dem Jahr 2013 sagte der damalige Merchandising-Verantwortliche: «Bis vor 15 Jahren gab es ein Trikot, eine Mütze, ein Schal und später noch das Joggeli-Maskottchen.»

Genau diese Figur verzieht nun das Gesicht über das Thema E-Sport. Beispielsweise auf der Broschüre, die Fans vergangenes Wochenende im ganzen Stadion verteilten. Darin steht: «Die Jungen sollen auf dem Pausen- oder Fussballplatz kicken, nicht auf dem Sofa mit einem Controller in der Hand. Ihre Vorbilder sollten Marco Streller oder Taulant Xhaka heissen, und keine Phantasienamen von Gamern tragen.»

Dass die E-Sportler an der Muba aufgetreten sind und dabei auch Spielern der 1. Mannschaft die Show stehlen sollten, werten die Verfasser aus dem Kreis der organisierten Muttenzerkurve als «Tiefpunkt» der aktuellen Entwicklung.

Und genau darin liegt die neue Qualität der verhärteten Fronten: E-Sports ist nur ein Teil des Aggressors. Die E-Sport-Thematik stehe symbolisch für die Entwicklung des Clubs, heisst es: digital, distanziert, entfremdet.

Beidseitiges Misstrauen

Auf der einen Seite kann die Clubführung die Fan-Reaktionen schlechter vorhersehen. Das zeigt die Muba-Episode aber auch die Influencer-Kampagne vor dem Legendenspiel. Doch auch seitens der Kurve herrscht Misstrauen, so gross wie schon lange nicht mehr. Die Fans durchschauen die Aufgaben der verschiedenen Club-Exponenten nicht. Jean-Paul Brigger, nominell CEO des FCB, blieb im ersten Amtsjahr nahezu unsichtbar, nicht zuletzt für die Fans.

Einen Austausch im Saal 12, dem Clublokal der Kurve, war auf deren Homepage nie angekündigt und dürfte es folglich mit den «Neuen» beim FCB bislang nicht gegeben haben.

Ein weiteres Zeichen dafür, dass die Basis zwischen Clubverantwortlichen und Fans noch nicht ausreichend gefestigt ist. Bereits im Februar hatte sich die Muttenzerkurve in einem Flyer gegen ihren Club geäussert, was sie selten tut. Zum Spiel gegen Manchester City hiess es damals: «Es irritiert, wenn er (Präsident Bernhard Burgener, Red.) betont, dass er Unternehmer und nicht Mäzen sei.»

Es befremde, wenn er vom FCB als Marke und von Fans als Kunden spreche. Gerade die jüngste Flyer-Aktion ist ein Zeichen dafür, dass die Muttenzerkurve durchaus auch die Fans aus den Sektoren A, B und C in ihren Widerstand einweihen und einbeziehen will. Auch das ist ein relativ neues Phänomen, denn eine Subkultur begründet sich nicht zuletzt in ihrer Abgrenzung von der Masse.

Auch wenn diese Saison bald zu Ende geht, der nächste Termin für eine Konfrontation naht. Die Generalversammlung der FCB-Mitglieder findet am 4. Juni statt. Es ist davon auszugehen, dass die FCB-Fans dann auch tatsächlich auftauchen.