Startseite
Basel
Basel Stadt
VBÖ, die Vereinigung ehemaliger Ökonomiestudierender der Uni Basel, trifft sich ausser zu speziellen Firmenbesuchen einmal pro Jahr zu einem lockeren Gedankenaustausch. Highlight war am Donnerstagabend ein höchst aktuelles Fachgespräch zwischen Aymo Brunetti, Dozent für Volkswirtschaftslehre in Bern und Daniel Hanimann, Delegierter der Nationalbank für die Region Nordwestschweiz. Nachfolgend eine Aufzeichnung des Talks.
Die Geldmenge wurde in den vergangenen Jahren stark ausgeweitet. Eigentlich müsste das zu Inflation führen. Das ist aber nicht passiert. Müssen jetzt die Lehrbücher neu geschrieben werden?
Nein, findet Brunetti, der bis 2012 beim Staatssekretariat für Wirtschaft tätig war. Aber mittelfristig sehe er eine grosse Inflationsgefahr. Bisher habe diese Ausweitung nur in geringem Masse zu neuen Krediten geführt. Dieser Prozess sei seit der Finanzkrise nicht in gleichem Masse in Gang gekommen wie früher, «da die Banken die Liquidität aus Vorsichtsgründen horten und diese deshalb kaum in der Wirtschaft ankommt.» Sobald sich das normalisiere, bestünde bei der sehr expansiven Geldpolitik akute Inflationsgefahr.
Würde sich das Kreditvolumen deutlich erhöhen, müsste die Geldmenge also wieder reduziert werden. Das Problem liege aber beim Timing. Wenn man die Geldmenge zu früh zurückfährt, besteht die Gefahr, dass man die Wirtschaft abwürgt, wenn man zu spät agiert, droht Inflation. Die Nationalbank agiere ausserdem nicht im luftleeren Raum, es gebe auch die Europäische und die US-Zentralbank, die ihre jeweils eigenen Agenden verfolgten.
Ein echtes Risiko für den Schweizerfranken wäre ein Ausstieg Grossbritanniens aus der EU («Brexit»). Wegen der grossen Unsicherheit in Grossbritannien fällt zum einen eine Anlagewährung, das Pfund weg. Das Pfund würde geschwächt, der Franken noch stärker. «In solchen Situationen neigt der Franken immer zur Stärke», so Brunetti. Die zweite Frage ist, was das für die Zukunft der Europäischen Union bedeutet und auch diese Unsicherheit würde den Franken attraktiver machen. «Ich will jetzt nicht unbedingt eine Prognose machen, aber wie ich die Briten einschätze, sind sie pragmatisch, also kein Austritt.» Dass England als Nicht-EU-Land für die Schweiz ein neuer Verbündeter würde, glaubt er nicht. Die Schweiz könnte alleine aus diesem Umstand wohl keinen Vorteil ziehen.
Die Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative werde sicherlich nicht so rasch vonstattengehen, wie das einige Leute glaubten, meint Brunetti. Denn es handle sich um Fundamentalprinzipien der europäischen Integration. Da werde es schwierig sein, Zugeständnisse zu erreichen. «Aber ich glaube auch nicht, dass es die EU darauf ankommen lässt, dass das Verhältnis zur Schweiz zerrüttet wird. Was mich nervös macht: Beim EWR damals hatten wir eine Alternative, den Bilateralismus. Jetzt haben wir keine solche Alternative mehr. Wenn wir den Bilateralismus aufgeben, haben wir nichts mehr.»
Man könne nicht zu den Freihandelsabkommen von 1972 zurück. Man müsste dann die Wirtschaft komplett umbauen, denn die ist auf diese herrschenden bilateralen Verträge mit der EU ausgerichtet. – man denke nur schon an die technischen Zulassungen oder den Marktzugang.
Gibt es einen «Escape»? Brunetti meint, dass man bei der EU um Verständnis erwirken müsse, dass die Zuwanderung im Vergleich zu anderen EU-Ländern in Prozent der Bevölkerung schon sehr gross sei. Vielleicht könne man eine Escape-Klausel einführen, die bei sehr hohen Zuwanderungsraten ausgelöst wird, dann würden beispielsweise Kontingentierungen eingeführt. Wahrscheinlich werde es zu einer Abstimmung in der Schweiz kommen müssen, ob wir die bilateralen Verträge mit der EU – und damit eine Form der Personenfreizügigkeit – wollen.
Brunetti wechselte zur Hochschule, weil er unter anderem mehr Freiheiten in der Analyse und Lehre zu wirtschaftspolitischen Themen haben wollte. Auch habe er hier, angesprochen über die hohen Verdienstmöglichkeiten, viel mehr Freiheiten als in der Privatwirtschaft.
Verdienen die Top Shots berechtigterweise so viel? Brunetti verstummt kurz. «Gewisse Löhne sind schwierig zu erklären. Wenn eine klare Leistung dahintersteckt und ein persönliches Risiko, dann kann ich das eher verstehen. Aber in gewissen Bereichen des Finanzsektors, wo es doch auch staatliche Eingriffe brauchte – da waren diese Vergütungen doch schwer zu schlucken.»