Basler Fasnacht
Vorfreude ist die schönste Freude: S isch Vorfasnacht, s rumplet!

Ein Dutzend Veranstaltungen bestimmt dieses Jahr die kurze Zeit vor den «scheenschte drey Dääg». Doch das Angebot verändert sich.

Andreas Schwald
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Ein gewaltiges Spektakel im Musical Theater: Drummeli 2019, die Alte Stainlemer in Arbeiterkluft vor einem übergrossen Kandinsky.

Ein gewaltiges Spektakel im Musical Theater: Drummeli 2019, die Alte Stainlemer in Arbeiterkluft vor einem übergrossen Kandinsky.

Kenneth Nars

Patrick Stalder ist die Überraschung gelungen. Was mit seinem «E Bsuech im Fasnachtshuus» als Experiment im Rock-Lokal L’Unique am Gerbergässlein begann, ist jetzt eine etablierte Vorfasnachtsveranstaltung. 2020 gastiert er neu im Restaurant der Safran-Zunft und hat erneut ausverkauft. Der Event bespielt die klassische Vorfasnacht, aber anders als das bisher Gewohnte. Während der übliche Kanon von klassische Bühnenauftritten dominiert wird, ist Stalders Version eher eine Vorbeizenfasnacht. Ebenfalls mit Musik, ebenfalls mit einer Geschichte, aber alles findet mitten im Pulk statt. Man könnte auch sagen: Die Leute sind jetzt Teil der Veranstaltung und nicht mehr nur die Konsumenten.

Der «Bsuech» steht damit sinnbildlich für einen Wandel in der Szene. Während die etablierten Revuen sich nach wie vor der Beliebtheit des Publikums erfreuen – das kleine Pfyfferli im Fauteuil-Theater ist dahingehend ein Gigant – sind Newcomer, die sich ans Klassische halten, nicht zwingend von Erfolg gesegnet. Renato Salvi musste sein Kòpfladäärnli nach nur einer Spielzeit in der Elisabethenkirche einstellen; es lohnte sich nicht. Vom ehemaligen Duo des Fasnachtskiechli konnte sich immerhin Patrick «Almi» Allmandinger mit seinem Läggerli halten.

Doch auch Almi beschreitet neue Wege. In seiner neuen Beiz namens Fasnachtsstuube – nicht mit dem «Bsuech im Fasnachtshuus» zu verwechseln – betreibt er nun das ganze Jahr hindurch Vorfasnacht, Fasnacht und Nachfasnacht in einem. Das Lokal an einer Seitenstrasse der Spalenvorstadt dient gleichermassen als Museum, Stimmungsbringer und eine Art Vereinsbeiz. Allmandinger erwägt auch, die Beiz stärker mit seinem Läggerli zu verquicken, den Gästen also auch ein trinkseliges Erlebnis zu bieten, nachdem sie sich die Vorstellung im Scala an der Freien Strasse angesehen haben. Oder halt auch schon vorher.

Eine neue Dekade, ein neues Geschäftsmodell

Die Eventisierung hat mittlerweile von der Szene Besitz ergriffen. Bei den etablierten Kleintheatern waren die sogenannten «verkauften Vorstellungen», also die von Firmen für ihre Mitarbeiter und Gäste aufgekauften Vorstellungen, schon lange Teil des Geschäftsmodells. Nun kommen noch gediegenere Cüpli-Events und Lounges dazu.

Die Shows werden zur Rundumbespassung fürs Fasnachtsestablishment und jene, die sich dazuzählen möchten. Das Drummeli, einst Bollwerk des Bodenständigen und an der Bar heillos absackenden Stammvereine, vermarktet zunehmend sein Angebot «Drummeli-Riche» an. Hierbei werden im Gebäude der Uhrenfirma Fossil bei hübscher Aussicht übers Kleinbasel Willkommensgetränke gereicht, Mitglieder des Fasnachts-Comités begrüssen die Gäste persönlich, es gibt einen üppigen Apéro und anschliessend geht’s per Transferfahrzeug ins Musical Theater, wo sich bereits Aktive und Gäste ohne Vorzugsbehandlung tummeln. Auch das Charivari führt Hospitality-Packages auf, nur ein bisschen raffinierter, besonders seit Basel-Tattoo-Chef Erik Julliard als Produzent wirkt.

Auf der einen Seite steht da also die für Basler Verhältnisse fast schon unverschämte Vermarktung der Vorfasnacht als Prosecco-Erlebnis, auf der anderen Seite das immersive, das teilhabende Erlebnis, das ein «Bsuech im Fasnachtshuus» bietet. Und plötzlich wird im gesellschaftlichen Basel beinahe zur Pflicht, was man sich vorher nur unter Androhung physischer Schmerzen angetan hat: Der Besuch sämtlicher Premieren sämtlicher Vorfasnachtsveranstaltungen in einer einzigen Saison. Bestenfalls hat dann noch ein origineller Geschäftspartner zufällig ein Package im Fossil-Haus gekauft.

Das geht erstaunlicherweise auch mit der eigentlichen Fasnacht auf. Spätestens seit dem Titel «Unesco-Weltkulturerbe» kann das bislang nicht unbedingt wegen seiner Gastlichkeit bekannte Basler Ur-Ereignis bestens als Hochglanzinszenierung vermarktet werden. Da ist es nur logisch, dass die Vorfasnacht nach ihren oft verkopft-künstlerischen Experimentaljahren der 2000er mehr und mehr auf professionelles und damit rentables Showbusiness setzt.

1) Ridicule

8. Januar bis 29. Februar im Fornbacher Theater am Badischen Bahnhof

Helmut Förnbacher mag es, der erste zu sein. Entsprechend macht das Ridicule in seinem Theater am Badischen Bahnhof stets den Auftakt zur Vorfasnachts-Saison in Basel. Der bald 83-jährige Theatermacher und Schauspieler Förnbacher inszeniert seine Version der Basler Fasnacht – die als «scheen und poetisch» bekannt ist – in beeindruckender Form und Regelmässigkeit auf die Bühne. Auch klanglich weiss das Ridicule dank erstklassiger Fasnachtsmusiker jährlich zu bestechen.

2) Pfyfferli

10. Januar bis 1. März im Theater Fauteuil am Spalenberg

Das Pfyfferli der Familie Rasser ist zwar nicht die Mutter der Vorfasnacht, aber auf jeden Fall die «Grande Dame», wie es auch Hausherrin Caroline Rasser ist. Die als Revue konzipierte Veranstaltung setzt jährlich bewusst gesellschaftspolitische Spitzen und zeigt sich gerne kritisch. Dieses Jahr dient das 1000-Jahre-Jubiläum des Basler Münsters als Leitmotiv im Theater am Spalenberg. Dazu gesellen sich Klimasünder, Postbeamte, Berufsfasnächtler und ein veritabler Basler Verkehrsdschungel.

 Mit politischer Finesse und Extravaganz: Caroline Rasser am Pfyfferli 2019.

Mit politischer Finesse und Extravaganz: Caroline Rasser am Pfyfferli 2019.

Mimmo Muscio

3) Fasnachtsbändeli

11. Januar bis 16. Februar im Theater Arlecchino am Walkeweg

Das Fasnachtsbändeli hat sich als Veranstaltung mit Fokus auf die Kinder einen festen Namen im Vorfasnachtsreigen der Stadt gemacht. In der aktuellen Ausgabe geht es um eine Variation von «Des Kaisers neue Kleider». Das Theater Arlecchino bietet dazu auch ein zweites Vorfasnachtserlebnis an: Das «Schyssdräggziigli». In dieser anderen Veranstaltung auf derselben Bühne muss sich ein Neuling in einer Fasnachtsgruppe zum ersten Mal zurechtfinden.

4) Mimösli

16. Januar bis 21. Februar im Häbse Theater an der Klingentalstrasse

In Sachen Pointenreigen ist das Mimösli ein Garant. Aber auch in Sachen Musik: Nicht nur sind die Rahmenstücke im geschmackvollen Etablissement von Hansjörg «Häbse» Hersberger bissig und vom Ensemble spritzig vorgetragen, auch brilliert die Traditionsveranstaltung im tiefsten Kleinbasel von einem ausführlichen und ausgezeichneten Schlussbouquet mit Schweizer Stargast. Honoratioren aus Politik und Gesellschaft erhalten garantiert ihr Fett weg.

5) Offiziells 2020

23. Januar bis 25. Januar in mehreren Lokalen und im Volkshaus Basel

Das «Offizielle» hat sich als Publikumsveranstaltung etabliert. Hier kämpfen die besten Fasnachtsmusikerinnen und Fasnachtsmusiker um die Auszeichnung als Trommel- oder Pfeiferkönig. Während zwei Tagen laufen die Vorausscheidungen, bis schliesslich im Final entschieden wird, wer die Krone erhält. Der Anlass ist für Szenegängern ein klares Muss, aber auch für Zaungäste und Fasnachtsfans ein lohnendes Ereignis. Erst recht, wenn man von Märschen nicht genug kriegt.

6) Läggerli

31. Januar bis 22. Februar im Theater Scala an der Freien Strasse

Patrick «Almi» Allmandinger hat es geschafft, er konnte seine eigene Vorfasnachtsveranstaltung etablieren. Nach dem Ende des Fasnachtskiechlis und dem Aus von Almi & Salvi debütierte das Läggerli 2019 erfolgreich. In dieser Spielzeit wartet Almi mit einer neuen Regisseurin auf: Sabina Rasser wird inszenieren und deshalb darf auch ein HD Läppli nicht auf der Bühne fehlen. Danach geht es zum Umtrunk in Almis neue Sujet-Beiz namens «Fasnachtsstuube».E Bangg! E Bangg! Der Doggter FMH in vollem Schwung.

 E Bangg! E Bangg! Der Doggter FMH in vollem Schwung.

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Kenneth Nars

7) Charivari

1. Februar bis 15. Februar im Volkshaus Basel

Die Kleinbasler Vorfasnacht schlechthin bildet das imposante Charivari im Volkshaus. Kein Wunder, denn hier ist Basel-Tattoo-Chef Erik Julliard persönlich für die Show zuständig. Dabei verliert der Basler Mega-Event-Guru und Tambour den Bodenkontakt aber nicht: Mit Lucien Stöcklin hat er sich nicht nur einen renommierten Coiffeur als Regisseur für 2020 gesichert, sondern auch einen veritablen Tausendsassa der Basler – und Kleinbasler – Fasnachtsszene.

8) Kinder-Charivari

8. Februar bis 16. Februar auf der Kleinen Bühne des Theaters Basel

Neben dem Fasnachtsbändeli ist das Kinder-Charivari die Veranstaltung für junge Fasnächtler und die, die es werden wollen. Das Ensemble besticht vor allem dadurch, dass nicht nur Erwachsene, sondern auch Kinder auf der Bühne stehen – und eine gewaltige Show mit Schauspiel, Tanz und Gesang ins Theater Basel bringen. 2020 lautet der Titel des Events «Ärger mit dr Räpplimaschine», was auf ein ziemlich unterhaltsames Programm hinweist.

9) Zofingerconzärtli

13. Februar bis 15. Februar im Congress Center Basel am Messeplatz

Älter gehts nimmer: Das Zofingerconzärtli der gleichnamigen Studentenverbindung gehört zum klassischen Repertoire der Basler Vorfasnacht. Entsprechend traditionell ist der Anlass aufgestellt, das Ensemble wird von den Studenten selbst gestellt. Warum wir nicht die weibliche Form wählen? Ganz einfach: Weil nur Männer auf der Bühne stehen. Egal, ob die diesjährige «Lyyche» Männlein oder Weiblein sind, dargeboten werden sie auf jeden Fall als Travestie.

10) Källerstraich

14. Februar bis 23. Februar im Basler Marionettentheater am Münsterplatz

Für hartgesottene Fans ist der Källerstraich des Marionettentheaters schon länger ein Geheimtipp – und deshalb jährlich ausverkauft. Warum das Spektakel mit Mensch, Marionette, Musik und Bängg dennoch in dieser Liste auftaucht? Damit man sich die Notiz ausschneiden und für den nächsten Vorverkauf in den Kalender kleben kann. Denn was in diesem Keller am Münsterplatz gezeigt wird, gehört mitunter zum Besten, was die hiesige Fasnachtsszene zu bieten hat.

11) Drummeli

15. Februar bis 21. Februar im Musical Theater Basel

Das Drummeli, die Mutter der Basler Vorfasnacht. Keine Veranstaltung bringt so viele Teilnehmer auf die Bühne, wie diese. Kein Wunder, organisiert wird sie vom Fasnachts-Comité höchstselbst und zu den Highlights zählen die Auftritte ganzer Stammvereine. Dass dieser glanzvolle Reigen auch wohl inszeniert sein will, ist klar. So haben die Organisatoren bereits angekündigt, den Zuschauer mit auf eine Reise quer durch die Fasnachtsstadt Basel mitzunehmen.Musikalisches Kräftemessen erster Güte: Impression vom Offizielle 2019.

 Musikalisches Kräftemessen erster Güte: Impression vom Offizielle 2019.

Musikalisches Kräftemessen erster Güte: Impression vom Offizielle 2019.

Roland Schmid

12) E Bsuech im Fasnachtshuus

20. Februar bis 25. Februar im Restaurant Safran Zunft an der Gerbergasse

Dieser Event ist anders – doch er ist Vorfasnacht vom Feinsten. «E Bsuech im Fasnachtshuus» von Patrick Stalder gastiert 2020 zum ersten Mal in der Basler Safran-Zunft. Hier gibt es keine Bühne, sondern ein herrlich wildes Durcheinander von Geschichte, Musik und Kulinarik. Auch dieser Event ist seit seinem kurzen Bestehen regelmässig ausverkauft. Es lohnt sich also, entweder auf dem Fasnachts-Schwarzmarkt ein Ticket zu ergattern. Oder sich eine Notiz für 2021 zu machen.