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Diese Masche von Trickbetrügern tauchte erstmals vor rund fünf Jahren in Deutschland, Österreich und der Schweiz auf. Das Lieblingsziel der Täter: Ältere Menschen.
Spalenberg, am helllichten Tag. Ein Herr im sommerlich-legeren Anzug schlendert gemütlich den Schaufenstern entlang, die Sonne scheint. Ein Blick auf seine Rolex:
13 Uhr. Plötzlich, wie aus dem Nichts ein fremder Mann vor ihm: «Hey Bruder, hey fratello!»
Der Mann mit pechschwarzen Haaren klopft ihm auf die Schulter, lacht breit, umarmt ihn ganz unvermittelt, lässt nicht mehr los. «Ich wusste nicht, wie mir geschah, konnte mich nicht aus dieser Umarmung lösen. Und ich spürte sofort, wie der Mann an meiner Rolex am linken Handgelenk herumfingerte.»
Er versucht, sich zu wehren, schreit um Hilfe, hält den «Angreifer» an seinem T-Shirt fest, als dieser weglaufen will, in der Hoffnung, dass bald jemand die Polizei rufen werde. Aber durch die Umarmung denken die Menschen, die vorbeigehen, das sei ein Scherz unter Freunden. Der Fremde windet sich, bis er sich dem T-Shirt entledigt hat, und rennt «oben ohne», dafür mit Rolex, davon. «Ich stand da mit dem T-Shirt in der Hand und kam mir vor wie der grösste Depp», sagt das Opfer.
Die Rolex hatte einen Wert über 8000 Franken. Zwei Wochen sind seit dem Raubüberfall vergangen; der Bestohlene hat Anzeige erstattet, und die Versicherung wird ihm den Betrag zurückerstatten.
Was bleibt, ist der Schock. Und der sitzt tief beim Opfer: «Dass es hin und wieder Diebe in der Stadt hat, ist ja nichts Neues. Aber so etwas Dreistes habe ich noch nie erlebt.»
Bei der Basler Staatsanwaltschaft sorgt dieser Vorfall zwar für Kopfschütteln, neu sei dieses aggressive Vorgehen mit Körperkontakt indes nicht, sagt Kriminalkommissär Peter Gill: «Dabei handelt es sich um den Umarmungstrick, der immer wieder in der Basler Innenstadt vorkommt.»
Diese Masche von Trickbetrügern tauchte erstmals vor rund fünf Jahren in Deutschland, Österreich und der Schweiz auf: Die Täter suchen körperliche Nähe mit fremden Menschen auf offener Strasse und rauben sie dabei aus. Einerseits wird dabei laut Gill körperliches Unwohlsein vorgetäuscht, der Täter hält sich dabei am Passanten fest. Oder die Opfer werden wie am Spalenberg freudig, wie alte Bekannte, begrüsst und dabei umarmt. «Auf geschickte Art und Weise – und sehr schnell – werden ihnen dabei Uhren, Schmuck und Geld gestohlen», sagt Gill. Gerade im ersten Fall sei dies «eine besonders fiese Tour», weil die Täter die Hilfsbereitschaft der Opfer missbrauchen.
Das Lieblingsziel der Täter: Ältere Menschen, die besonders bei der «liebevollen Umarmung» zunächst verwirrt sind, weil sie denken, sie kennen die Person tatsächlich. In Basel sei «vor einiger Zeit» eine entsprechende Tätergruppe in Autos unterwegs gewesen. «Sie erkundigten sich meist bei älteren Passanten nach dem Weg zum Beispiel in ein Spital; in der Folge wurden die Opfer umarmt, als Dank für die Auskunft. Und diese dabei bestohlen.» Ein weiterer Trick: Passanten werden um Münz für das Parkingmeter gebeten. Während das Opfer im Portemonnaie nach Kleingeld sucht, greift sich ein weiterer Täter – schnell und unbemerkt – die Banknoten in der Geldbörse.
Die meisten dieser Trickbetrüger stammen laut dem Kriminalkommissär aus dem Balkan, wobei es sich hier um organisierte Familienclans handelt, oder aus Nordafrika. Letztere seien meist alleine oder höchstens zu zweit unterwegs. Ein bevorzugtes Quartier haben die Trickbetrüger nicht, sie sind verteilt in der Stadt aktiv. Und schnappen lassen sie sich nicht so einfach: «Es kommt zu wenigen Festnahmen, weil die Täter schnell agieren, wie im beschriebenen Fall am Spalenberg sofort flüchten und dann untertauchen. Wird jemand festgenommen, stellen wir Antrag auf Untersuchungshaft», sagt Gill.
Kriminalkommissär Gill sagt, es sei schwierig, sich gegen die Betrüger zu wehren. Aber gerade beim Umarmungstrick gelte es, sich wenn möglich nicht «herzen» zu lassen. «Bauen sie bewusst körperliche Distanz auf, wenn jemand zu nahe kommt, zum Beispiel mit vorgehaltener Hand.»