Dokument geleakt
Wagenplatz-Räumung: Vertraulicher Vertrag zeigt Taktik der Stadt

Zehn Monate nachdem die Regierung den Wagenplatz auf dem Migrol-Areal räumen liess, wurde der Vertrag zwischen Immobilien Basel-Stadt und dem Verein Shift Mode geleakt. Demnach wurde der Verein verpflichtet, eine weitere Besetzung zu verhindern.

Benjamin Rosch
Drucken
Szenen aus dem vergangenen Sommer: Die Polizei räumt den Wagenplatz. Es kommt zu Verhaftungen und die Polizei muss die Aktivisten vom Dach einer Hütte holen. Martin Töngi/Archiv

Szenen aus dem vergangenen Sommer: Die Polizei räumt den Wagenplatz. Es kommt zu Verhaftungen und die Polizei muss die Aktivisten vom Dach einer Hütte holen. Martin Töngi/Archiv

Martin Toengi

Vergangenen Sommer dominierte in den Basler Medien das Thema Wagenplatz. Zur Erinnerung: Die Brache des Migrol-Areals im Klybeckquartier wurde damals von immer mehr Leuten besetzt. Innert kurzer Zeit entstanden Bars und Bühnen, an Vollversammlungen wurde das weitere Vorgehen besprochen. Die Besetzung dehnte sich rasch aus, sodass ein Konflikt mit dem Verein Shift Mode entstand. Dieser Trägerschaft hat Immobilien Basel-Stadt insgesamt 12'500 Quadratmeter der gesamten Fläche von 15'163 Quadratmetern zugesichert. Letzten Endes wurde ein Grossteil der Besetzung geräumt (siehe Chronologie).

Chronologie

29. März 2013
Einige Wagenleute ziehen von der Freiburgerstrasse auf das Hafenareal.

10. April 2014
Die Regierung verwirft die Idee, auf dem Areal Fussballfelder zu errichten.

15. April
Die Wagenleute dürfen vorerst bleiben. Daneben erhält der Verein Shift Mode einen Vertrag für eine Zwischennutzung.

25. Mai
200 Personen demonstrieren dafür, dass der Wagenplatz mehr Fläche zugesprochen bekommt. Ihr Bereich hat sich ausgedehnt, was die Kunstmesse Scope beeinträchtigen könnte.

26. Mai
Die Besetzung wächst, worauf die Regierung ein Ultimatum stellt.

3. Juni
Nachdem ein erstes Ultimatum verstrich, wird der Wagenplatz zu einem grossen Teil geräumt. 36 Personen werden festgenommen.

Aus dem Dokument geht hervor, wie Immobilien Basel-Stadt mit zahlreichen Zugeständnissen an Shift Mode den Verein in die Pflicht nehmen wollte, eine Besetzung zu verhindern. So erhielten die Verantwortlichen der Zwischennutzung beispielsweise ein Darlehen in der Höhe von 80'000 Franken – zinslos. Weder für den Aufbau der Infrastruktur (bis zu einem Maximum von 250'000 Franken) noch für die Miete muss die Trägerschaft aufkommen. Stattdessen ist der Kanton am Umsatz der dort stattfindenden Veranstaltungen beteiligt.

Grosser Aufgabenkatalog

Auf der anderen Seite wurde der Trägerschaft vertraglich eine Vielzahl von Verpflichtungen abbedungen. So muss sich Shift Mode verpflichten, «Massnahmen zu treffen, um eine Besetzung (...) mit angemessenen Mitteln und nach Möglichkeit zu vermeiden». Dies, um eine «vielfältige Belebung der Nutzungsfläche» zu erzielen. Auch «mehrgenerationenfähige Konzepte» sollen dereinst stattfinden. Bei Immobilien Basel-Stadt (IBS) verwahrt man sich aber gegen die Aussage, Shift Mode als Schild gebraucht zu haben, um ungeliebte Nutzer aus dem Gebiet zu verdrängen oder zumindest ihre weitere Ausdehnung zu verhindern. «Dass der Verein Shift Mode als Trägerschaft des Areals eingesetzt wurde, ist keine Alibi-Übung gegen den Wagenplatz, sondern entspricht dem Wunsch der Regierung, eine Nutzung der breiten Öffentlichkeit zu garantieren», sagt Sprecherin Barbara Neidhart.

Den Umgang zwischen den Wagenleuten und Shift Mode wolle sie nicht kommentieren, da dies nicht die Aufgabe von IBS sei. Tatsächlich war aber seitens Shift Mode die Bereitschaft da, die Wagenplatz-Bewegung zu akzeptieren.

Auch Neidhart kann sich nicht erklären, wie die Vertragsdetails den Weg an die Öffentlichkeit gefunden haben: «Der Vertrag wurde nicht durch unsere Mitarbeiter zur Veröffentlichung weitergegeben. Wir wickeln sehr viele vertrauliche Verträge ab und haben nie Indiskretionen erlebt. Eine Untersuchung wurde deshalb nicht eingeleitet.» Neben den Zwischennutzern und IBS hat die Anlaufstelle Zwischennutzung der Fachstelle Stadtentwicklung als dritte Partei das Dokument unterzeichnet.