Er ist wieder da
Warum man Eric Weber ignorieren und die Augen doch nicht ganz verschliessen sollte

Patrick Marcolli
Patrick Marcolli
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Wieder ins Rathaus gewählt: Eric Weber.

Wieder ins Rathaus gewählt: Eric Weber.

Martin Töngi

Diese Szene ist unvergesslich: Auf der Besuchertribüne des Grossen Rats nimmt eine Schulklasse Platz. Sie lauschen aufmerksam dem Geschehen unten im Saal. Dann taucht er auf: Eric Weber, Grossrat. Mit kruden Propagandaflyern in der Hand, die er einer Gruppe von Schülerinnen anzudrehen versucht. Er kommt ihnen nahe, bedrängt sie. Da steht einer ihrer Klassenkameraden auf, ein kräftiger junger Mann, stellt sich schützend vor seine Kolleginnen und vertreibt Weber mit Schimpf und Schande von der Tribüne.

Möglich, dass sich ein solches Ereignis auch in der kommenden Legislatur der basel-städtischen Politik, die im Februar beginnt, abspielen wird. Weber ist nach einer Pause von vier Jahren wieder in den Grossen Rat gewählt worden. Für die Politik und für uns Medien beginnt dasselbe Spiel. Wie umgehen mit diesem Mann, der offensichtlich verwirrt ist, der sich von den Behörden verfolgt und drangsaliert fühlt, wegen Wahlfälschung verurteilt wurde und der – so urteilte das Strafgericht vor einigen Jahren – als Nazi bezeichnet werden darf?

Webers erneute Wahl ins Parlament hat für den Politikbetrieb absehbare Folgen: Er wird sich verlangsamen. Weber wird sich andauernd zu Wort melden und eine Flut von Vorstössen einreichen. Das ist ihm als Parlamentarier nicht verboten. Faktisch aber handelt es sich um politischen Nonsens und Querulantentum. Weber sucht die Bühne des Grossen Rats, um das zu tun, wozu er geistig in der Lage ist, nämlich «Ausländer raus!» zu rufen.

Weber wird erneut zum Stresstest für die Basler Politik. Ein Stresstest, den ein Parlament in einem Rechtsstaat wohl oder übel bestehen muss und der von der Parlamentsleitung einiges abverlangt, unter anderem konsequentes Ahnden von Verstössen gegen die Saalordnung.

Auch für uns Medienschaffende wird Weber wieder zur Belastungsprobe. Bei den Redaktorinnen und Redaktoren der bz herrscht Einigkeit darüber, dass wir Webers krankhaft zu nennender Gier nach Aufmerksamkeit keine Plattform bieten: Weder seine Störaktionen im Parlament noch seine diversen Propagandamaterialien und schon gar nicht seine rechtsradikalen und rassistischen Parolen werden wir online oder in der Zeitung abbilden. Weber als «Politiker» – also als das, was er selbst so gern wäre – wird bei uns in den kommenden vier Jahren nicht vorkommen. Ausser, die Strafverfolgungsbehörden schalten sich ein und ermitteln gegen ihn.

Auch wer Webers schräge Videos auf die Handys seiner Freunde und Bekannten mit einem Smiley weiterleitet, sollte daran denken: Was Weber tut, ist nie lustig. Dieser Mann überschreitet sämtliche Grenzen des Anstands, hat Ausfälle, die nur pathologischer Natur sein können, und verletzt regelmässig die Würde anderer Menschen.

Es aber dabei zu belassen, Weber einfach zu ignorieren, wäre sowohl für Politik als auch für die Medien nicht angemessen. Mit seiner «Volksaktion gegen zu viele Ausländer und Asylanten in unserer Heimat» fischt er gerade im Kleinbasel in den Gewässern der dort notorisch schwachen SVP. Immerhin 748 Stimmberechtigte wollten Weber im Basler Parlament sehen und gaben ihm im vergangenen Herbst seine Stimme. Im ersten Wahlgang für den Regierungsrat erhielt Eric Weber gar über 3'000 Stimmen.

Es ist hinlänglich bekannt, dass er ein eifriger Stimmenjäger und -fänger ist, der gerade bei Betagten gerne persönlich und eindringlich für sich und seine, sagen wir, leicht verständlichen Anliegen wirbt. Und doch kann man nicht einfach ignorieren, dass seine fremdenfeindlichen und rassistischen Botschaften auf mehr fruchtbaren Boden treffen in dieser Stadt, als wir glauben wollen. Nämlich dort, wo sich die Abgehängten, Desillusionierten befinden, jene, die mit der raschen Veränderung in der Stadt nicht klarkommen und nichts mehr haben, was sie noch verlieren könnten, und deshalb auf die vermeintlich Schwächsten von allen, die Ausländerinnen und Ausländer, eindreschen wollen.

Eric Weber sollte der Basler Politik in diesem Sinn auch ein schlechtes Gewissen machen und ihr gewisse Versäumnisse aufzeigen. Weber ist die undomestizierte Variante der SVP und hält der Stadt einen Spiegel vor, der zwar extrem verzerrt ist, der aber auf eine Realität verweist, die es hier eben auch gibt.