Milieu
Wegen Zwangsprostitution: Basler Bordellbesitzerin steht vor Gericht

Im Milieu kommt es oft zu Verbrechen, selten zu Verurteilungen. In Basel muss sich bald eine 66-Jährige verantworten, die über Jahre hinweg Frauen und Transsexuelle ausgebeutet hat.

Leif Simonsen
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An der Kleinbasler Ochsengasse befand sich bis 2014 das «Thai Harem», wo Prostituierte ausgebeutet wurden.

An der Kleinbasler Ochsengasse befand sich bis 2014 das «Thai Harem», wo Prostituierte ausgebeutet wurden.

Juri Junkov

Die Prostituierten machten gute Miene zum bösen Spiel. In einschlägigen Internetforen priesen die Freier die Thailänderinnen, die im Sexlokal «Thai Harem» an der Kleinbasler Ochsengasse ihre Dienste anpriesen, als höflich, freundlich und entgegenkommend an. Die Frauen verdienten sich beste Ratings, weil sie «zu allem bereit» seien, wie ein Forumsteilnehmer frohlockte.

Die Freier wussten nicht – oder wollten es nicht wahrhaben – dass ihre Kundinnen Sklavinnen eines Systems waren, dem sie kaum entfliehen konnten – bis die Bordellbetreiberin 2014 verhaftet wurde. Im Januar steht die 66-jährige, aus Thailand stammende Schweizerin vor Gericht. Mehr als dreissig Frauen und Transsexuelle hat sie über Jahre systematisch ausgebeutet.

Selbst in der Menstruation mussten sie arbeiten

Die Bordellbetreiberin liess ihre Mitarbeiterinnen unter unmenschlichen Bedingungen anschaffen. Bereits bei der Rekrutierung wendete sie ein perfides System an. Mit dem Versprechen auf ein besseres Leben wurden die Thailänderinnen, die meisten im Alter zwischen 25 und 35, in die Schweiz gelockt.

Tief verschuldet kamen sie im gelobten Mitteleuropa an. Denn bereits die Vermittlerinnen, von denen im Januar auch eine vor dem Strafgericht stehen wird, kosteten mehrere zehntausend Franken. Sie stellten gefälschte Dokumente sowie Touristenvisa aus und besorgten Flugtickets.

Die Bordellbesitzerin machte sich die Schuldenfalle ihrer Angestellten zu Nutze und zwang die Prostituierten, ihre Ausstände so schnell wie möglich zu begleichen. Das Machtgefälle zwischen Arbeitgeberin und Arbeitnehmerinnen war umso grösser, als es sich bei den eingeflogenen Thailänderinnen um Frauen aus der unteren Bildungsschicht handelte. Sie hatten keine Kenntnis von den Anstellungsbedingungen, wussten nur, dass sie «sexuelle Dienstleistungen» zu erbringen hatten.

Erst als sie an ihrem Arbeitsplatz eintrafen, erfuhren sie, in welches Arbeitsregime sie eingepfercht waren. So mussten sie in den ersten Monaten 50 Prozent ihres Einkommens abgeben, um die Schulden zu tilgen. Diese lagen bei 40000 bis 60000 Franken – diesen unverhältnismässigen Betrag stellten die Vermittlerinnen und Vermittler für die paar Dokumente in Rechnung, welche die Thailänderinnen für ihren Aufenthalt in der Schweiz brauchten.

Bis sie die Schulden abbezahlt hatten, sagte die Chefin, was zu tun ist. Die Bordellbetreiberin drohte ihren Mitarbeiterinnen, dass sie ihren Arbeitsplatz verlieren, der Polizei überführt und gar deportiert würden, wenn sie nicht gehorchten.

Viele mussten sämtliche Freier bedienen, ungeschützten Sex haben, allen Sexpraktiken zustimmen, zum Teil trotz Menstruation arbeiten. Die Arbeitstage dauerten bei manchen Frauen von morgens um 8 Uhr bis nachts um 2 Uhr. Selbst bei Schmerzen im Unterleib mussten sie weitermachen.

Polizei richtet Fokus stärker auf Menschenhandel

Es handelt sich um den grössten, krassesten Fall von Menschenhandel und Zwangsprostitution, der seit vielen Jahren in Basel verhandelt wird. Gleichwohl ist klar, dass es kein Einzelfall ist. Die Opferhilfe beider Basel betreute zwischen 2011 und 2015 allein in Basel 48 Opfer von Menschenhandel und Zwangsprostitution.

Gerichtliche Verurteilungen hingegen lassen sich an einer Hand abzählen. Drei Angeklagte wurden im gleichen Zeitraum des Menschenhandels überführt, zweimal fällten Basler Richter den Schuldspruch «Förderung der Prostitution».

Das Missverhältnis liegt darin, dass sich die Polizeiarbeit im Milieu äusserst schwierig gestaltet. Die potenziellen Klägerinnen fürchten Repressionen, wenn sie sich an die Polizei wenden. Nicht nur von ihren Arbeitgebern, sondern auch von den internationalen Verbrecherorganisationen, denen die Zuhälter angehören.

Diese drohen, den Familien der Prostituierten etwas anzutun, sollten sie die Justiz einschalten. Zudem sind viele Menschenhandel-Opfer traumatisiert, weil sie seit frühester Kindheit ausgebeutet worden sind. Ihre Aussagen sind nicht stringent, würden einer gerichtlichen Befragung nicht standhalten. Zudem besteht Aufholbedarf im Vergleich zu anderen Städten.

In Zürich ist die Zahl der Verurteilungen wegen Menschenhandels und Prostitution fast zehnmal so hoch wie in Basel. Das will die Basler Polizei ändern. Im Frühjahr kommunizierte sie, dass sie dem Menschenhandel mehr Beachtung schenken will. Die Kontakte und Vertrauensverhältnisse zu potenziellen Opfern sollen ausgebaut werden. Erste, kleine Erfolge für die Behörden gibt es bereits. In diesem Jahr ist die Zahl jener ausgebeuteten oder bedrohten Prostituierten, die das Schutzhaus aufsuchten, auf zehn angestiegen.

Bordellbetreiberin lebte auf grossem Fuss

Gespannt blicken die Behörden auf den Ausgang der Verhandlung, die am 14. Januar beginnt und 8,5 Tage dauern wird – sie erhoffen sich von einem harten Urteil abschreckende Wirkung auf kriminelle Basler Bordellbesitzer, die sich momentan noch sicher fühlen.

Neben den Aussagen der mittellosen thailändischen Prostituierten werden auch die beschlagnahmten Vermögenswerte der Angeklagten Zeugnis ablegen über die krassen Missverhältnisse, die in diesem Business vorherrschen: Die Bordellbesitzerin leistete sich fast ausschliesslich Luxusmarken wie Louis-Vuitton, Prada oder Burberry. Um diesen Lebensstil zu finanzieren, mussten sich ihre Mitarbeiterinnen tagtäglich demütigen lassen.