Gefahrentransport
Wie sicher sind die Gefahrentransporte auf Basler Schienen?

Millionen Tonnen gefährlicher Güter fahren durch Basel. Die Kantone misstrauen der Risikoprüfung des Bundes. Nun lässt Basel-Stadt eine holländische Firma die Gefahren des Schienengüterverkehrs beim Badischen Bahnhof überprüfen.

Christian Mensch
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Neue Vorschriften haben die Kesselwagen mit giftigen Gütern sicherer gemacht. Doch gleichzeitig soll die Menge der Güter massiv ansteigen.

Neue Vorschriften haben die Kesselwagen mit giftigen Gütern sicherer gemacht. Doch gleichzeitig soll die Menge der Güter massiv ansteigen.

SBB

Der Schweizer Schienengüterverkehr ist zwischen 2006 und 2011 deutlich sicherer geworden. Dies zumindest ergibt eine Screening-Untersuchung des Schienennetzes im Auftrag des Bundesamts für Verkehr (BAV) und der SBB.

Kantone sind misstrauisch

Von den 580 Schienenkilometern, die vor sieben Jahren noch der unteren Risikostufe zugerechnet worden sind, sind in der neueren Studie lediglich noch 68 Kilometer gleich risikobehaftet. Die Aufrüstung der Kesselwagen, in denen giftige Gase transportiert werden, sei ein wesentlicher Grund, argumentiert das BAV. Ein anderer liegt in der veränderten Methodik der Studie.
Die Kantone trauen der verbesserten Sicherheitslage nur bedingt. Das Sicherheitsinspektorat Baselland schreibt in seinem neuen Jahresbericht: «Die Risikoreduktion durch die bewerteten Sicherheitsmassnahmen scheint zu gross.» Die Skepsis ist derart gross, dass die neuen Daten nicht auf dem Kantonsserver aufgeschaltet werden, wie Jörg Rickenbacher, stellvertretender Leiter des Sicherheitsinspektorats, bestätigt.

Die Screenings unterscheiden bei den Personenrisiken durch den Güterverkehr zwischen einem grünen «akzeptablen Bereich» und einem roten Bereich «oberhalb der Akzeptabilitätslinie». Dazwischen liegen eine «untere Hälfte Übergangsbereich» (gelb) und eine «obere Hälfte» (orange). Während das Screening 2006 für die ganze Strecke auf Baselbieter Boden ein gewisses Risiko ortete und vor Pratteln und Sissach sogar als «obere Hälfte Übergangsbereich» einstufte, zeigt das Screening 2011 ein grünes Bild mit vier kurzen Abschnitten, in denen ein geringes Risiko herrsche.

Jörg Rickenbacher meint, dass das vom Bund zusammen mit den SBB eingesetzte Verfahren helfe, sich eine Gesamtübersicht über die Gefahren auf dem Streckennetz zu verschaffen, um die heiklen Stellen zu erkennen. Doch dort seien vertiefte Abklärungen nötig. Im Geschäftsbericht des Sicherheitsinspektorats ist denn auch die Forderung deponiert, dass «bei einer wesentlichen Änderung im Bereich des Rangierbahnhofs Basel-Pratteln die Situation mit einer Risikoermittlung dargestellt werden muss».

Niederländische Experten

Die basel-städtische Kontrollstelle für Chemie- und Biosicherheit geht einen Schritt weiter. Ihr Augenmerk gilt dem Schienenstrang aus Deutschland. Diese Strecke von der Grenze über den Rhein ist das Nadelöhr für den Nord-Süd-Schienengüterverkehr, der im Hinblick auf die Eröffnung der Neuen Alpentransversale (Neat) massiv ausgebaut werden soll. Schon 2008 haben die Basler Behörden eine spezifische Risikoanalyse gefordert, um zu eruieren was es bedeutet, wenn Tonnen von Gefahrengut durch den Badischen Bahnhof und über die Rheinbrücke gefahren werden. 2009 wurde mit dem Bau einer zweiten Eisenbahnbrücke begonnen, die zu einer Entflechtung des Personen- und des Güterverkehrs verhilft, was das Risiko minimiert. Im vergangenen Oktober wurde das Bauwerk eingeweiht.
Doch dies reicht den Basler Behörden nicht. Rudolf Braun, Bereichsleiter Gefahrguttransporte, will das Screening des Bundes, das die Strecke als unbedenklich einstuft, überprüft haben. Einvernehmlich mit dem Bund, so Braun, habe man sich auf einen Weg geeinigt. So werden in den kommenden Wochen die Experten der niederländischen Firma TNO nach ihrer eigenen Methode eine Risikostudie durchführen. Im Juni sollten die Resultate vorliegen. Wenn sich dann Abweichungen zum BAV-Screening ergeben sollten - und davon scheint Braun auszugehen -, sei dies ein Ansatz, um über die gewählte Schweizer Methode nochmals zu diskutieren. Für Braun ist die Situation nicht alarmierend. Doch eine vorausschauende Planung sei notwendig, um bereit zu sein, wenn der Schienengüterverkehr dereinst richtig ins Rollen kommt.

Die Kantone schauten gespannt auf die Basler Studie, sagt Rickenbacher vom Baselbieter Sicherheitsinspektorat. Denn die «Entwarnung» des Bundes hat manche von ihnen in einen Erklärungsnotstand gebracht. Vor allem jene, die den Bauherren entlang von güterbefahrenen Schienenstrecken besondere, kostentreibende Sicherheitsauflagen gemacht haben. Ihnen ist mit der neuen Screening-Studie das Risiko abhanden gekommen.